Moody’s Herabstufung Warnung für Japans neuen Premierminister

Die amtierende Demokratische Partei Japans bereitet sich darauf vor, am Montag einen neuen Parteivorsitzenden als Nachfolger von Premierminister Naoto Kan zu wählen. Derweil hat die internationale Ratingagentur Moody’s die Kreditwürdigkeit Japans von Aa2 auf Aa3 heruntergestuft – etwas schlechter als die von Italien und Spanien, die beide in einer Staatsschuldenkrise stecken.

Mit der Herabstufung, die am 23. August angekündigt wurde, wurde allgemein gerechnet, weswegen sie keinen solchen Schock auf den Finanzmärkten auslöste wie die Herabstufung der amerikanischen Kreditwürdigkeit durch Standard & Poor’s im Verlauf dieses Monats. Dennoch war die Herabstufung offensichtlich als Warnung an die künftige japanische Regierung gedacht. Sie soll Sparmaßnahmen umsetzen, wie sie der Arbeiterklasse in Europa und den USA aufgehalst werden.

Moody’s äußerte sich enttäuscht darüber, dass mehrere Regierungen nicht in der Lage waren, Japans enorme Staatsschulden von 12,2 Billionen Dollar zu verringern. Das sind mehr als 200 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und der größte Prozentsatz aller Industrieländer. „In den vergangenen fünf Jahren haben häufige Regierungswechsel die Umsetzung langfristiger Wirtschafts- und Haushaltsstrategien in effektive und nachhaltige Politik verhindert“, erklärte die Agentur.

Kan hatte sich dafür eingesetzt, die äußerst unbeliebte Verbrauchssteuer im Jahr 2015 auf 10 Prozent zu verdoppeln und Haushaltskürzungen vorzunehmen. Aber Moody’s mahnte an, dies sei noch nicht genug. Die Firma erklärte außerdem, Japan brauche nach dem Erdbeben und dem Tsunami am 11. März ein Wirtschaftswachstum von drei Prozent, um auch nur sein Defizit in den Griff zu bekommen.

In den letzten drei Quartalen gab es in Japan ein Negativwachstum, und das offizielle Wirtschaftswachstum für dieses Geschäftsjahr wird voraussichtlich nur 0,5 Prozent betragen. Die nächste Regierung ist mit der unmöglichen Aufgabe konfrontiert, trotz zunehmender wirtschaftlicher Turbulenzen das Wachstum anzukurbeln, und gleichzeitig die Ausgaben zu kürzen und der arbeitenden Bevölkerung mehr Steuern abzuverlangen.

Etwa 40 Prozent des diesjährigen Haushaltes von einer Billion Dollar wird durch Staatsanleihen finanziert, die auch verwendet werden, um die Kosten für den Wiederaufbau zu bezahlen. Derzeit liegen 90 Prozent der japanischen Schulden bei den Banken und Finanzinstituten des Landes, wodurch Japan einigermaßen von den internationalen Turbulenzen verschont bleibt. Allerdings gibt es in Finanzkreisen Befürchtungen, dass dies nicht ewig so weitergehen kann, und der Schuldenstand gesenkt werden muss.

Die Zeitung Asahi Shimbun warnte vor kurzem vor der Gefahr eines plötzlichen Vertrauensverlustes der Märkte: „Es wird keine Probleme geben, solange alle weiterhin die Staatsanleihen kaufen. Wenn aber ein gegenteiliger Trend eintritt, kann jede Verzögerung beim Verkauf der Anleihen zu massiven Verlusten führen. Mit anderen Worten, der kollektive Kauf der Staatsanleihen ist eng verbunden mit der Gefahr eines kollektiven Verkaufs, so dass keiner den Schwarzen Peter hält.“

Moody’s hat diese Warnung nun deutlich bestärkt und übt direkten Einfluss auf die Wahl des nächsten Premierministers aus. Aber keiner der sieben Kandidaten hat eine Antwort auf das Dilemma, das die Regierung Kan und ihre Vorgänger belastet hat, nämlich wie man die Unterstützung seiner Wähler behält und gleichzeitig Sparmaßnahmen durchsetzt, die zu einer starken Verschlechterung ihrest Lebensstandards führen werden.

Letzten Juni übernahm Kan das Amt von Yukio Hatoyama, der die DPJ in den Wahlen von 2009 zum Sieg geführt hatte. Zuvor hatte die Liberaldemokratische Partei (LDP) ein halbes Jahrhundert lang fast ununterbrochen regiert. Kans Wirtschaftspolitik zielte hauptsächlich darauf ab, die konjunkturbelebenden Maßnahmen zu beenden, die auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008-09 eingeführt wurden, und stattdessen zu sparen. Aufgrund seines Eintretens für eine höhere Verbrauchssteuer und der unzureichenden Reaktion seiner Regierung auf das Erdbeben vom 11. März und die darauffolgende Nuklearkrise fielen seine Zustimmungswerte von 66 Prozent im letzten Jahr auf nur noch 15 Prozent.

Im Juni überstand Kan ein Misstrauensvotum nur, weil er seinen Gegnern in der eigenen Partei versprach, er werde zurücktreten sobald die wichtigsten Gesetze zum Wiederaufbau und zur Energiepolitik verabschiedet waren. Am Freitag trat er zurück und machte den Weg frei für einen neuen Parteichef und Premierminister, der nächste Woche ernannt werden soll.

Keiner der führenden Kandidaten bei der innerparteilichen Wahl am Montag – der derzeitige Finanzminister Yoshihiko Noda und der ehemalige Außenminister Seiji Maehara – ist bekannt dafür, harte Sparmaßnahmen gutzuheißen. Noda, der sich für eine Erhöhung der Verbrauchssteuern stark machte, entspricht am ehesten den Anforderungen von Moody’s und dem internationalen Finanzkapital, aber ihm ist auch bewusst, welche politischen Hindernisse es bei diesen Maßnahmen gibt. Letztes Jahr verlor die DPJ die Mehrheit im Oberhaus, nachdem die Wähler aufgrund von Kans „Steuerreform“plänen in Scharen weggelaufen waren.

Gegen Nodas Wirtschaftspolitik gibt es auch starken Widerstand innerhalb der DPJ durch den Strippenzieher Ichiro Ozawa, der schon lange für konjunkturfördernde Maßnahmen war, obwohl sie zum Anstieg der Staatsschulden beitragen. Ozawa war verantwortlich für den Wahlkampf der DPJ im Jahr 2009, in dem sie begrenzte Erhöhungen der Sozialausgaben versprach – diese Versprechen wurden weitgehend fallengelassen. Seine Fraktion, die etwa 120-140 der 398 Sitze kontrolliert, die von der DPJ gehalten werden, wird bei der Wahl am Montag ein wichtiger Faktor sein.

Nodas Hauptrivale Maehara, der sich gegen eine Erhöhung der Verbrauchssteuer sträubte, machte seiner Parteifraktion am Montag vorsichtig klar, dass die Regierung „früher oder später“ eine solche Maßnahme umsetzen müsste. Maehara bezeichnet sich selbst als wirtschaftlich „gemäßigt“, hat aber in der Vergangenheit verheerende Maßnahmen umgesetzt. Als er 2009 Minister für Infrastruktur und Verkehr war, leitete Maehara die Sanierung der hochverschuldeten Fluggesellschaft Japan Airlines. Hierbei wurden Tausende von Stellen gestrichen.

In dem anderen großen Dilemma des politischen Establishments Japans – der Außenpolitik – ist Maehara das genaue Gegenteil von Ozawa. In seiner Zeit als Außenminister erarbeitete er sich den Ruf eines anti-chinesischen Scharfmachers, als es im letzten Jahr zu Streitigkeiten zwischen Tokio und Peking kam. Der Kapitän eines chinesischen Fischerbootes war von Japan in den umstrittenen Gewässern nahe den Senkaku-Inseln verhaftet worden. Ozawa hingegen engagiert sich für bessere Beziehungen mit Peking, um dadurch die japanische Wirtschaft anzukurbeln.

Wie andere Länder in der Region steckt Japan in der Zwickmühle, da es die Balance halten muss mit seinem Haupthandelspartner China, und seinem jahrzehntelangen strategischen Verbündeten, den Vereinigten Staaten. Dies wurde noch weiter erschwert durch den aggressiven Drang der Obama-Regierung, ihre Dominanz über Asien zu festigen und Chinas wachsenden Einfluss zu untergraben. Hatoyama trat letztes Jahr zurück, nachdem Obama sich geweigert hatte, ein Abkommen mit der vorherigen Regierung neu zu verhandeln, in dem es um die Erhaltung einer umstrittenen US-Basis auf der Insel Okinawa ging. Die Auflösung dieses Stützpunktes war eines der wichtigsten Wahlversprechen der LDP.

Nachdem er Hatoyamas Platz eingenommen hatte bekundete Kan schnell seine volle Unterstützung für das Bündnis zwischen Japan und den USA und sicherte Washington letztes Jahr seine Unterstützung für den diplomatischen Schlagabtausch mit China zu. Am Mittwoch reichte Kan wegen dem vermeintlichen Eindringen zweier chinesischer Fischereipolizeiboote in die umstrittenen Gewässer nahe den Senkaku-Inseln in Peking eine formelle Beschwerde ein. Dies scheint ein Versuch zu sein, die Außenpolitik in der Abstimmung am Montag wieder zum Thema zu machen.

Da Noda und Maehara sich mit Ozawa über wirtschaftliche und außenpolitische Fragen uneins sind, ist es möglich, dass am Montag ein relativer Außenseiter an die Macht kommt. Andere Kandidaten, darunter Agrarminister Michihiko Kano, Wirtschaftsminister Banri Kaieda, der ehemalige Infrastrukturminister Sumio Mabuchi und der ehemalige Umweltminister Sakihito Ozawa haben Ozawa allesamt umworben, um von ihm unterstützt zu werden.

Allerdings macht Moody’s Forderung nach Sparmaßnahmen klar, dass der nächste Premierminister, wer es auch sein wird, denselben Grundproblemen gegenüberstehen wird wie der letzte. Wenn die Regierung anfängt, Sozialausgaben zu kürzen und die Steuern zu erhöhen, wird dies unweigerlich zum Widerstand der arbeitenden Bevölkerung führen, die dem ganzen politischen Establishment zutiefst entfremdet sind.

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