Schlechte Konjunkturdaten aus Amerika und Angst vor europäischer Bankenkrise

Weltweite Kurseinbrüche

Aufgrund schlechter Wirtschaftsdaten aus den USA und der Angst vor einer Bankenkrise in Europa stürzten die Aktienmärkte der Welt am Donnerstag wieder ab. Die neuerlichen Turbulenzen zeigen die verheerenden Auswirkungen der Sparmaßnahmen, die in Europa und den Vereinigten Staaten durchgesetzt werden.

In den Vereinigten Staaten fiel der Aktienindex Dow Jones um 3,68 Prozent, der NASDAQ um 5,22 Prozent und S&P 500 um 4,46 Prozent. In Europa wurden in vergleichbarem Ausmaß Aktien verkauft. Der deutsche DAX fiel um 5,82 Prozent und der britische FTSE um 4,49 Prozent.

Investoren verlegten sich auf sichere Anlagen, wodurch die Erträge für amerikanische Schuldverschreibungen mit zehnjähriger Laufzeit zum ersten Mal, seit die Federal Reserve vor 49 Jahren ihre Aufzeichnungen begonnen hat, unter zwei Prozent fielen. Der Goldpreis liegt mittlerweile mit 1.823,70 US-Dollar pro Unze auf einem neuen Rekordwert.

Auf den Aktienmärkten begann der Tag mit einer Panik aufgrund der Besorgnis über die Lage der europäischen Banken und fiel nach der Veröffentlichung von verheerenden Zahlen aus den Bereichen Produktion, Immobilienmarkt und Inflation in den Vereinigten Staaten.

Die Unterabteilung der Federal Reserve in Philadelphia meldete am Donnerstag, dass die Produktionszahlen in der amerikanischen Mittelatlantik-Region so stark zurückgegangen sind wie zuletzt 2009 nach dem Finanzcrash im Jahr 2008. Ihr allgemeiner Geschäftsklimaindex fiel im August auf -30,7 Prozent, im Juli lag er bei 3,2 Prozent. Der Index war noch nie so niedrig, ohne dass die Wirtschaft offiziell in einer Rezession steckte.

Der nationale Maklerverband meldete am Donnerstag außerdem, dass die Zahl der verkauften Wohnimmobilien in diesem Monat um 3,5 Prozent gesunken sei, was der schlechteste Wert des Jahres ist. Die Preise für bestehende Immobilien sanken weiterhin, der Medianpreis ist 4,4 Prozent niedriger als vor einem Jahr.

Die Verbraucherpreise hingegen sind laut dem Arbeitsministerium auf dem höchsten Stand seit März. Die Preise stiegen im August um fünf Prozent im Vergleich zum Juni, nachdem sie von Mai bis Juni um zwei Prozent gesunken waren. Es wird erwartet, dass steigende Preise die Kaufkraft der Verbraucher senken und das Wirtschaftswachstum somit noch weiter verlangsamt wird.

Letzte Woche stiegen außerdem die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe auf 408.000, von 399.000 in der vorherigen Woche, deutlich mehr als Ökonomen vorhergesagt hatten.

Vor diesen Statistiken wurden bereits am Dienstag desaströse Zahlen zum deutschen Wirtschaftswachstum veröffentlicht, die zeigten, dass die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal mit einem Wachstum von nur 0,1 Prozent im Vergleich zu 1,3 Prozent im ersten Quartal nahezu zum Stillstand gekommen war.

Ferner meldete das statistische Amt der Europäischen Union am selben Tag, dass die Wirtschaft der Eurozone insgesamt im zweiten Quartal nur um 0,2 Prozent gewachsen war, im ersten Quartal waren es noch 0,8 Prozent.

Das amerikanische Wirtschaftswachstum hat sich in diesem Jahr ebenfalls stark verlangsamt. Im zweiten Quartal betrug es 1,3 Prozent, im ersten Quartal 0,4 Prozent, beides angesichts eines weltweiten Abschwungs.

Schon vor der Veröffentlichung der amerikanischen Wirtschaftsdaten am Donnerstag waren die Investoren wegen Entwicklungen in Panik, die auf eine deutliche Schwächung der Finanzlage der europäischen Banken hindeuteten.

Das Wall Street Journal zitierte einen leitenden Angestellten einer großen europäischen Bank, der sagte, die Vertreter der amerikanischen Federal Reserve seien „sehr besorgt“ über die Stabilität der europäischen Banken. Diese Stellungnahme erfolgte vor dem Hintergrund erneuter Befürchtungen, dass die europäische Schuldenkrise auf das amerikanische Bankensystem übergreift.

Investoren waren auch darüber besorgt, dass die Europäische Zentralbank am Mittwoch angekündigt hatte, sie würde ihre Notreserve um 500 Millionen Dollar anzapfen. Dies war das erste Mal seit sechs Monaten, dass eine Bank von dieser Reserve Gebrauch gemacht hatte.

Diese Nachricht führte zu Verkäufen von Aktien aus dem europäischen Finanzsektor. Die französische Bank Société Générale fiel um zwölf Prozent, die belgische Dexia um vierzehn Prozent. Aktien von Industrieunternehmen waren ebenfalls stark betroffen. Die größten deutschen Stahlkonzerne ThyssenKrupp und Salzgitter fielen um 9,4 Prozent, bzw. 8,6 Prozent.

Am Donnerstag wurden die Bedingungen, die zu den Verkäufen führten, von der Bank Morgan Stanley in ihrer jüngsten Prognose zum weltweiten Wirtschaftswachstum zusammengefasst. Sie korrigierte ihre Wachstumsprognose für 2011 von 4,2 auf 3,9 Prozent.

Morgan Stanley sagte, Haushaltskürzungen seien ein bedeutendes Wachstumshindernis, und sich verschlechternde Voraussetzungen für Kredite führten zu sinkender Kreditvergabe.

Die Bank schrieb: „Zurzeit haben viele Banken keinen Zugang zu Anleihenmärkten zu vernünftigen Zinssätzen.“ Sie fügte hinzu: „Deshalb verschärfen Geschäftsbanken die Bedingungen für Kredite, allerdings nur in geringem Maß, sowohl für ihre Kunden in der Geschäftswelt als auch im Einzelhandel. Wenn diese Unruhe auf dem Anleihenmarkt bis zum Herbst weitergeht, steigt das Risiko, dass mangelnde Verfügbarkeit von Krediten das Wachstum der Inlandsnachfrage noch weiter verschlechtert.“

Die verheerenden Auswirkungen der Sparmaßnahmen, die derzeit in den Vereinigten Staaten und Europa umgesetzt werden, wurden von einem französischen Hedgefondmanager in der Financial Times zusammengefasst: „Die einfache Wahrheit, mit der sich der Markt auseinandersetzen muss, ist, dass eine große Schuldensenkung das Wachstum behindert, wodurch die Schuldensenkung mehr Zeit in Anspruch nimmt, was wiederum das Wachstum behindert, und so geht es weiter.“

Die jüngsten Aktienverkäufe zeigen, dass die Weltwirtschaft in eine neue Abschwungsphase eintritt, angetrieben von weltweiten Sparmaßnahmen und der Finanzkrise.

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