Weitere Kürzungen bei Berliner Musikschullehrern

Am vergangenen Samstag veranstalteten die Berliner Musikschullehrer ein Protestkonzert vor dem Roten Rathaus, um gegen eine weitere Verschlechterung ihre Arbeitsbedingungen zu protestieren. Die Landes-Lehrervertretung der Berliner Musikschulen e.V. und die Gewerkschaft ver.di hatten zu der Aktion aufgerufen.

MusikschullehrerProtestierende Musikschullehrer

Während die SPD-Linkspartei-Regierung in Berlin Geld für kulturelle Prestige-Projekte ausgibt, hat sie in den vergangenen zehn Jahren in enger Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft ver.di massive Einsparungen bei der kulturellen Basisarbeit durchgesetzt, was drastische Auswirkungen für die breite Bevölkerung hat. Im Umgang mit den Musikschullehrern zeigt sich die Geringschätzung dieses Senats gegenüber den Bildungs- und Kulturbedürfnissen der Bevölkerung in besonderem Maße.

Berlin ist seit langer Zeit Vorreiter beim Einsatz von Honorarkräften anstelle regulärer Festanstellungen im Musikschulbereich. Inzwischen sind nur noch 10 Prozent aller Berliner Musikschullehrer fest angestellt. Die übrigen 90 Prozent sind selbstständige Honorarkräfte. Sie erhalten keine vollständige Fortzahlung im Krankheitsfall, genießen keinen Mutterschutz, haben keine Alterssicherung zu erwarten, sind ohne Angabe von Gründen kündbar und sind im Wesentlichen arbeitsrechtlich ungeschützt.

Bei Aufnahmestopps der Musikschulen müssen die Lehrer zudem oft monatelange Honorarausfälle hinnehmen und werden trotz gleicher Arbeit gegenüber fest angestellten Lehrkräften schlechter bezahlt – Berichte sprechen von 1.250 Euro brutto im Monat. Durch immer neue Sparvorgaben des Senats, welche die Bezirke zu ständig neuen Kürzungen vor allem im Kultur- und Jugendbereich nötigten, waren die Musikschullehrer während der vergangenen zehn Jahre immer neuen Angriffen und der ständigen Drohung des Verlusts ihres Arbeitsplatzes ausgesetzt.

Noch bevor der neue Senat im Jahre 2002 seine beispiellosen Sparmaßnahmen offiziell verabschiedet hatte, wies zum Beispiel der damalige Bezirksbürgermeister von Marzahn-Hellersdorf Uwe Klett (PDS) bereits übereifrig die “vorsorgliche” Kündigung der 39 Honorar-Lehrkräfte seines Bezirks wegen mangelnder Deckungsfähigkeit im Haushalt an. Im selben Jahr erhielten 140 Lehrer der Musikschule Berlin-Reinickendorf die Kündigung. Nur 40 durften sich zum neuen Schuljahr wieder bewerben.

Im Jahre 2009 wurde wiederum im Marzahn-Hellersdorf den mehr als 60 Honorarkräften ohne Angabe von Gründen überraschend gekündigt. Kurze Zeit später wurden die Lehrer zu denselben Bedingungen wieder eingestellt. Was blieb, war die Einschüchterung der Lehrer und eine Demonstration der Senats-Mentalität des willkürlichen “Heuerns und Feuerns”.

Nun will der noch amtierende rot-rote Senat die Arbeitsbedingungen der Musikschullehrer weiter verschlechtern. Als Vorwand dient eine Debatte über die Scheinselbständigkeit der Honorarkräfte. Die Deutsche Rentenversicherung macht geltend, dass die rund 1.600 Musiklehrer als scheinselbständig anzusehen seien und demnach vom Senat als Angestellte rentenversichert werden müssten. Das will der Senat auf jeden Fall vermeiden, um nicht für den Arbeitgeberteil der Sozialversicherung aufkommen zu müssen.

Stattdessen hat er eine Ausführungsvorschrift erarbeitet, die den Verdacht der Scheinselbständigkeit ausräumen sollen, indem die Arbeitsverhältnisse der Musiklehrer noch loser und unsicherer gestaltet werden. Vor allem ist der Wegfall von fortlaufenden monatlichen Bezügen vorgesehen, was die Musiklehrer auch im Krankheitsfall schlechter dastehen lassen würde. Weiterhin sollen den Musiklehrern durch die Schulleitung keine Schüler oder Unterrichtsverpflichtungen einseitig zugewiesen werden, und die “Teilnahme an Veranstaltungen, Vorspielen, Konzerten, Fachkonferenzen, Arbeitsgruppen, Prüfungen oder sonstigen Tätigkeiten” wird freigestellt und gesondert vergütet.

Was wird aus Prüfungen, Klassenvorspielen, Ensemblespiel, wenn für die erforderlichen Zusatzhonorare vielleicht in Zukunft keine Gelder mehr bereitgestellt werden? Erst im Mai sandte die Orchestergewerkschaft DOV (Deutsche Orchestervereinigung) einen Offenen Brief an die derzeitige Bezirksbürgermeisterin von Marzahn-Hellersdorf Dagmar Pohle (Linkspartei), als der Bezirk im Rahmen eines neues Musikschulkonzepts nicht davor zurückschreckte, den Etat für das Jugendsinfonieorchester drastisch zu kürzen.

Die neue Richtlinie, die im Dezember in Kraft treten soll, wird somit vor allem dazu dienen, die Abwicklung der Musikschulen durch die Hintertür weiter voranzutreiben und dafür die den Honorarkräften bisher noch zugestandenen wenigen Sicherheiten abzuschaffen. Offenbar sollte durch die effektvolle Panikmache im Zusammenhang mit der Debatte über die Scheinselbständigkeit dafür bereits die Sparbereitschaft der Musikschulen erhöht werden.

Für das Protestkonzert wurde wohl nicht ohne Grund die neunte Sinfonie des tschechischen Komponisten Antonín Dvorak “Aus der neuen Welt” gewählt, die 1893 in den USA entstand. Die heutigen amerikanischen Verhältnisse mit ihren Billigjobs in der Kultur, die auch in Deutschland immer mehr Form annehmen, wären für Dvorak sicher wenig inspirierend gewesen.

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