Großbritannien: Lehren aus dem Streik in Southampton

Ein zwölfwöchiger Arbeitskampf der städtischen Bediensteten der südenglischen Hafenstadt Southampton wird jetzt von der Gewerkschaft als großes Vorbild im Kampf gegen die Kürzungen der Regierung hingestellt. Die Arbeiter hatten sich mit Schwerpunktstreiks dagegen gewehrt, dass sie vom Stadtrat erst entlassen und dann zu schlechteren Bedingungen wieder eingestellt wurden.

Unison und Unite, zwei Gewerkschaften im öffentlichen Dienst, gaben bekannt, sie würden die in Southampton eingeschlagene Vorgehensweise auch auf den Kampf der Arbeiter im [staatlichen Gesundheitsdienst] National Health Service anwenden, deren Renten von der konservativ-liberaldemokratischen Regierung unter David Cameron massiv angegriffen werden.

Der Hauptzweck dieser Schwerpunktstreiks besteht darin, eine allgemeine Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen die Regierung zu verhindern. Das ist gemeint, wenn Ian Woodland, der Bezirkssekretär von Unite, dem Guardian sagt: “Es geht nicht darum, dass alle streiken, was der altmodischen Sichtweise entspricht. Sondern die Arbeiter in Schlüsselpositionen streiken, und das hat Auswirkungen auf den Staat.”

Hinter dieser Rhetorik steht die Tatsache, dass Unison und Unite jeden wirklichen Widerstand so stark unterdrücken, dass der frühere Chef des Unternehmerverbands Confederation of British Industry, Richard Lambert, Unison bereits für ihre Zurückhaltung gelobt hat.

Was ist das Ergebnis der Kampagne, die Unison und Unite in Southampton organisiert haben?

Die Tory-Stadtverwaltung hat ihre Lohnsenkung in Höhe von fünfeinhalb Prozent umsetzen können. Sie hat die gesamte, 4.600-köpfige Belegschaft vor ein Ultimatum gestellt: Entweder ihr unterschreibt neue Verträge, oder ihr werdet entlassen. Die Gewerkschaften haben sichergestellt, dass es ab dem 14. August keine weiteren Arbeitskämpfe außer „Dienst nach Vorschrift“ gab, während sie versuchten, ihren Mitgliedern eine geänderte Version der Lohnkürzungen unterzuschieben.

Eine Massenversammlung vom 10. August, an der 600 öffentliche Bedienstete teilnahmen, stimmte mit einer Mehrheit von vier zu eins dafür, die neu verpackten Lohnkürzungen abzulehnen. Das Hauptziel des überarbeiteten Angebots bestand aber darin, die Belegschaften zu spalten, und so konnte am Ende der Großteil der Lohnkürzungen in Höhe von sechs Millionen Pfund durchgesetzt werden.

Zu diesem Zweck wurde die Schwelle für die Lohnkürzungen angehoben: Sie betrifft jetzt nur mehr jene mit einem Jahresverdienst von mindestens 21.500 Pfund, wobei diese Kürzungen um ein halbes Prozent geringer ausfallen als bisher geplant. Qualifizierten Sozialarbeitern werden bessere Löhne angeboten als den unqualifizierten und dem Verwaltungspersonal. Die zweijährige Nullrunde wird beibehalten.

Das Unison/Unite Streikkomitee weigerte sich, eine Empfehlung zur Annahme oder Ablehnung dieses spalterischen Pakets abzugeben. Seit der Versammlung hat es das Mandat zur Fortsetzung des Arbeitskampfs schlichtweg sabotiert und sich dabei auf gewerkschaftsfeindliche Gesetze berufen.

Unison Regionalsekretär Phil Wood schrieb am 15. August an den Bezirksverband von Southampton: “Rechtmäßige Arbeitskampfmaßnahmen, wie sie in Southampton stattfanden, sind zwar für die ersten zwölf Wochen, gerechnet ab dem ersten Streiktag [dem 24.05.], geschützt (...). Aber nach zwölf Wochen (d.h. vom 15. August 2011 an) könnte der Stadtrat von Southampton jene, die streiken, entlassen.”

Tatsächlich hätten die Gewerkschaften leicht vor Ablauf der Zwölfwochenfrist eine Urabstimmung organisieren können, um den Arbeitskampf fortzusetzen. Stattdessen hat das Streikkomitee bei seinem nächsten Treffen am 23. August einfach beschlossen, es gehe jetzt darum, die einzelnen Belegschaftsteile richtig zu beraten.

Das Abwürgen des Streiks wird großspurig so gerechtfertigt: “Wir haben den Stadtrat durch unseren Zusammenhalt mit einem neuen Angebot zurück an den Verhandlungstisch gezwungen.”

Die Gewerkschaften haben von Anfang an das Ziel verfolgt, den Widerstand ihrer Mitglieder gegen die Stadtverwaltung zu zerstreuen und gleichzeitig ihre eigene Position als Betriebspolizei im Auftrag der Geschäftsleitung zu erhalten. Schon als die Kommune erstmals ankündigte, sie würde im November 2010 eine fünfprozentige Lohnkürzung durchführen, versuchten die Gewerkschaften, gemeinsame Streikaktionen zu verhindern. Im Januar ignorierten sie das klare Ergebnis der Urabstimmung, um der Stadt Zeit zu verschaffen, alternative Vorschläge vorzulegen.

Schließlich konnten sie einen Streik nicht länger verhindern. Also schlugen die Gewerkschaften ihre zwölf Wochen dauernden Schwerpunktstreiks vor. Gleichzeitig setzte die Kommune den Beschäftigten eine Frist bis zum 11. Juli, bis zu der sie unter Androhung ihrer Kündigung die neuen Verträge akzeptieren müssten. Also wiesen Unite und Unison ihre Mitglieder an, zu unterschreiben. Als Ergebnis davon hat praktisch die gesamte Belegschaft die neuen Verträge formell schon akzeptiert.

Und jetzt erzählen die Gewerkschaften den Arbeitern, sie sollten gegen ungerechtfertigte Entlassung und mangelnde Beratung durch die Stadt Klage erstatten. Dieser Versuch, die Gerichte als Mittel zur Verteidigung der Arbeitnehmerrechte hinzustellen, widerspricht allen Erfahrungen der Arbeiterklasse in den vergangenen dreißig Jahren. Vor Gericht wurden die Angriffe der Wirtschafts- und Finanzelite immer wieder mit Hinweis auf die repressive Gesetzgebung verteidigt. Mittlerweile hat die Kommune zu erkennen gegeben, dass sie ihr Personal um 1.400 Mann, um mehr als ein Viertel, reduzieren wolle.

Die Sabotage des Kampfs der Arbeiter von Southampton wird den übrigen Kommunen im ganzen Land den Rücken stärken. Die Regierung von Hampshire ist dabei, 1.200 Arbeitsplätze abzubauen und die Löhne von besonders schlecht bezahlten Arbeitern noch einmal zu kürzen. Der Stadtrat von Shropshire hat 6.500 Mitarbeitern Kündigungen angedroht, falls sie die zum 30. September geplanten Lohnkürzung um fünf Prozent nicht akzeptierten. In Plymouth weigert sich die Kommune, überhaupt noch mit Unison zu verhandeln, nachdem diese Gewerkschaft es nicht schaffte, sich wie Unite offen hinter die Angriffe zu stellen.

Landesweit haben sich die Gewerkschaften selbst dort, wo sie begrenzte Streiks gegen die Tory-Behörden organisierten, noch zurückgehalten. Aber auch die Labour-Stadträte führen genauso rücksichtslose Angriffe auf Arbeitsplätze, Arbeitsbedingungen und wichtige Sozialleistungen durch. Im vergangenen Jahr kündigten die Labour-Kommunen Neath und Rhondda Cynon Taf in Wales ihrem Personal, um neue Verträge mit Nullrunden und reduzierten Zulagen durchzudrücken.

In Southampton haben Unison und Unite versucht, den Widerstand gegen die Kürzungen in eine Wahlunterstützung für Labour bei der Kommunalwahl im nächsten Jahr umzumünzen. Aber es war gerade der Führer der Labour-Fraktion, Richard Williams, der sich vom Streik distanzierte. Williams erklärte: “Ich war den Gewerkschaften gegenüber sehr deutlich. Es wird Entlassungen geben. Wenn es zu einem Regierungswechsel kommt, werden weniger Leute für die Kommune arbeiten als heute.”

Die Reaktion des Bezirkssekretärs von Unison, Andy Straker, lautete bloß: “Wenn er so etwas plant, hätte ich erwartet, dass er versucht, sich mit den Gewerkschaften zusammenzusetzen, um zu diskutieren, wie die Kürzungen durchzuführen seien. Stattdessen macht er es wie die Tories, die uns mitteilen, was passiert, und erwarten, dass wir das hinnehmen.”

Gruppierungen wie die Socialist Workers Party und die Socialist Party erweisen sich einmal mehr als loyale Anhängsel der Gewerkschaftsbürokratie. Sie preisen den Ausgang der Southamptoner Auseinandersetzung als Beweis dafür, dass die Gewerkschaften gegen die Angriffe auf Arbeiter kämpfen könnten. Sowohl die SWP als auch die SP behauptet, die Entscheidung der Massenversammlung würde respektiert. Die Gruppe Alliance for Workers Liberty erklärte sogar zynisch: “Was auch immer dabei herauskommt, der Southampton Disput setzt die besten Traditionen der Arbeiterbewegung wieder auf die Tagesordnung: Streikkontrolle durch Basiskomitees, Massenversammlungen mit demokratischen Strukturen und wirklich souveräne Kontrolle.”

Der einzige Zweck solcher Lügen ist es, die Kontrolle der Bürokratie über die Arbeiterklasse aufrecht zu erhalten und ihre eigenen lukrativen Posten innerhalb des Gewerkschaftsapparates zu schützen.

Die wirkliche Lehre von Southampton lautet: Die Arbeiter müssen sich dringend aus dem Würgegriff der Gewerkschaften und der Labour Party befreien. Es sind Organisationen der herrschenden Klasse. Arbeiter müssen ihren eigenen Weg gehen, unabhängige Streiks organisieren und einen politischem Kampf aufnehmen.

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