Warnstreik bei Airbus

Über 11.000 Beschäftigte des Flugzeugbauers Airbus beteiligten sich am Freitag, den 7. Oktober an Warnstreiks. Die Arbeit wurde fast ganztägig niedergelegt. Früh-, Spät- und Nachtschicht waren davon betroffen. In Hamburg beteiligten sich nach Gewerkschaftsangaben etwa 8.000 Arbeiter, in Bremen 2.000, in Stade 1.200 und in Buxtehude 200 an dem Ausstand.

Bei Airbus handelt es sich um den größten europäischen Flugzeughersteller. Der Hauptsitz des Unternehmens befindet sich in Toulouse in Frankreich, Produktionsstätten gibt es in Frankreich, Deutschland, Spanien und Großbritannien. Airbus ist eine Tochtergesellschaft des europäischen Raumfahrt- und Rüstungskonzern EADS und erzielte im Jahr 2010 mit 52.000 Mitarbeitern einen Umsatz von 27,6 Milliarden Euro.

In Deutschland sind derzeit etwa 16.000 Beschäftigte bei Airbus fest angestellt. Dazu kommen 4.800 Leiharbeiter, die nach Angaben der IG Metall teilweise seit sieben bis acht Jahren bei Airbus arbeiten. Weitere Beschäftigte arbeiten auftragsgebunden über Werksverträge von Subunternehmen für das Unternehmen.

Airbus steht in starker Konkurrenz zum US-amerikanischen Unternehmen Boeing. Die beiden Unternehmen sind derzeit die größten Hersteller von Passagierflugzeugen weltweit.

Die Gewerkschaft IG Metall hatte zu dem Warnstreik aufgerufen, weil es auch nach eineinhalbjährigen Verhandlungen mit dem Airbus-Management noch zu keinem Abschluss über einen „Zukunftstarifvertrag 2012-2020“ gekommen ist. Der derzeit noch gültige Airbus-Tarifvertrag läuft Ende dieses Jahres aus.

Airbus-Betriebsrat und IG Metall wollen in dem sogenannten Zukunftstarifvertrag eine Beschäftigungs- und Standortsicherung bis 2020, die Übernahme der Auszubildenden sowie mehr Mitbestimmung beim Einsatz von Leiharbeitern, der Arbeitsorganisation und Optimierungsprozessen festschreiben.

Die Airbus-Geschäftsleitung verlangt als Gegenleistung eine jährliche Steigerung der Produktivität von acht Prozent, was zu einer enormen Verschärfung der jetzt schon unerträglichen Arbeitshetze führen würde.

So werden derzeit im Hamburger Werk monatlich 21 Flugzeuge der Airbus A320-Familie montiert. Das Management strebt eine Steigerung auf 25 Flugzeuge ab Ende 2012 an. Es will außerdem bei der Einführung neuer Flugzeugtypen eine unbegrenzt hohe Anzahl an Leiharbeitern einsetzen und bei der Serienfertigung von Flugzeugen eine Leiharbeiter-Quote von 20 Prozent nicht unterschreiten.

Produktivitätssteigerungen in dieser Höhe seien den Beschäftigten nicht zuzumuten, sagte der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Meinhard Geiken: „In vielen Bereichen arbeiten sie jetzt schon am Rande des Möglichen.“ Trotzdem haben Vertreter von IG Metall und Betriebsrat von sich aus Produktivitätssteigerungen von zwei Prozent angeboten. Dies würde Kosteneinsparungen von 120 Millionen Euro pro Jahr und von mehr als 1,1 Milliarden Euro bis 2020 ergeben.

Die Vertreter der Unternehmensseite hatten am 23. September nach fast zwölf Stunden die Verhandlungen beendet und mit Produktionsverlagerungen gedroht, falls IG Metall und Betriebsrat keine weiteren Zugeständnisse bei Flexibilisierung und Produktivitätssteigerungen machen.

Sie versuchten auch, den angedrohten Warnstreik mit dem Antrag auf eine einstweilige Verfügung beim Arbeitsgericht Frankfurt zu verbieten. Das Gericht wies den Antrag zurück, ließ aber die Möglichkeit einer Berufung vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht zu, von der Airbus keinen Gebrauch machte.

Die hohe Beteiligung an dem Warnstreik ist Ausdruck der Sorge über die Sicherheit der Arbeitsplätze und den hohen Zeitdruck in der Produktion, unter denen Gesundheit, Arbeitsqualität und damit letztlich auch die Sicherheit der Flugzeuge leiden. Auch dass Leiharbeiter zu schlechteren Konditionen und unter ständiger Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, dieselbe Arbeit verrichten, wird von den Streikenden abgelehnt.

Ein weiteres Problem ist der hohe Anteil an ausgelagerten Produktionsprozessen, die an Unternehmen vergeben werden, die diese Arbeiten am Günstigsten anbieten. Siebzig bis neunzig Prozent der Produktionsstörungen sollen allein am Outsourcing liegen.

Die IG Metall schreibt dazu: „Viele Mitarbeiter kritisieren, dass sie hauptsächlich nur noch Fremdaufträge verwalten und Fremdfirmen kontrollieren... Doch das Unternehmen besteht auf einer Leiharbeitsquote von 20 Prozent. Ein Großteil der Tätigkeiten wird bereits jetzt entweder über Fremdfirmen, Werkverträge oder Leiharbeit abgewickelt.“

Die IG Metall verlangt trotzdem nicht die Festeinstellung und Übernahme aller Leiharbeiter, von denen, wie sie selbst schreibt, mehr als die Hälfte länger als 24 Monate bei Airbus eingesetzt sind. Stattdessen fordert sie eine Reduzierung der Leiharbeit auf 15 Prozent. Sie verlangt, „dass 85 Prozent der Tätigkeiten durch Festangestellte erledigt werden“, und will dies im „Zukunftstarifvertrag“ festschreiben.

Während die Airbus-Belegschaft gegen diese untragbaren Bedingungen in den Warnstreik trat und auch zu weiteren Kampfmaßnahmen bereit ist, ging es den Vertretern von Gewerkschaft und Betriebsrat vor allem um die Sicherung ihrer eigenen privilegierten Position in dem Unternehmen. Obwohl sie zugegebenermaßen wissen, dass die Arbeitshetze bereits jetzt zu hoch ist, legen sie selbst Vorschläge für eine Steigerung der Produktivität unter ihrer Mithilfe vor.

Die zahlreichen Verträge zur Beschäftigungs- und Standortsicherung, die die IG Metall in den letzten Jahren mit den unterschiedlichsten Unternehmen abgeschlossen hat, haben nirgendwo verhindert, dass dennoch Arbeitsplätze abgebaut wurden – allerdings mit ausdrücklicher Zustimmung der beteiligten Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre. Gleichzeitig wurden allen Arbeitern in von solchen Verträgen betroffenen Unternehmen Zugeständnisse bei Löhnen, längere Arbeitszeiten und andere Opfer abverlangt.

Mit ihrer Standortpolitik versuchen IG Metall und Betriebsräte zudem die Arbeiter der einzelnen Standorte gezielt gegeneinander aus. So reagierte IG-Metall-Tarifsekretär Daniel Friedrich laut taz auf die Drohung einer Produktionsverlagerung mit den Worten: „Wenn die deutsche Geschäftsführung offen mit Produktionsverlagerung nach Frankreich droht, schlägt das dem Fass den Boden aus. Sollte diese Drohung Wahrheit werden, steht der Laden und dann geht hier nichts mehr raus.“

Vor allem das Ausspielen deutscher gegen französische Standorte und umgekehrt hat bei Airbus Tradition. Schon das letzte große Sparprogramm von Airbus, genannt Power 8, wurde mit solchen nationalistischen Methoden durchgesetzt. Airbus hatte damals angekündigt, europaweit 10.000 Arbeitsplätze abzubauen – nicht, weil es an Aufträgen für Airbus-Flugzeuge mangelte, sondern um Milliarden Euro an Kosten einzusparen und die Profite des Konzerns zu steigern.

Als dieses Programm Ende Februar 2007 bekannt wurde, legten Airbus-Arbeiter in Frankreich und Deutschland spontan die Arbeit nieder und traten in den Streik. Die französischen Gewerkschaftsvertreter von Force Ouvrière versuchten Stimmung gegen die Arbeiter in Deutschland zu machen, indem sie behaupteten, die Werke in Frankreich seien produktiver. Deshalb müssten in Deutschland mehr Arbeitsplätze abgebaut werden als in Frankreich.

Die deutschen Betriebsräte und die IG Metall zahlten mit gleicher Münze zurück, indem sie behaupteten, dass „die deutschen Airbus-Werke mindestens genauso produktiv sind wie die französischen, und teilweise sogar produktiver“.

Keine der betroffenen Gewerkschaften war bereit, einen prinzipiellen, grenzüberschreitenden Kampf zur bedingungslosen Verteidigung der Arbeitsplätze zu führen. Isolierte Proteststreiks und Demonstrationen dienten lediglich dazu, Dampf abzulassen, ohne den Konzern wirklich zu treffen und im Konkurrenzkampf mit Boeing zu schwächen.

Dieser nationalistische Kurs der deutschen und französischen Gewerkschaften versetzte den Airbus-Konzern in die Lage, das Sparprogramm Power 8 umzusetzen und jetzt weiteren Druck auf die Arbeiter auszuüben.

Auch der jüngste Warnstreik bei Airbus diente in erster Linie dazu, Dampf abzulassen, bevor die Gewerkschaft einen neuen Vertrag unterzeichnet, der die Arbeitshetze weiter verschärft.

Bereits vier Tage nach dem Streik meldete der Norddeutsche Rundfunk, dass es bei Airbus neue Gespräche gebe: „Sowohl Airbus als auch die IG Metall zeigten sich auf Anfrage zuversichtlich, zu einer Einigung in dem seit eineinhalb Jahren andauernden Konflikt zu kommen.“

Nach einem Spitzengespräch zwischen Airbus-Deutschland-Chef Günter Butschek, Personalchef Joachim Sauer sowie dem Airbus-Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Johann Dahnken und IG-Metall-Verhandlungsführer Daniel Friedrich erzielten die beiden Seiten dann „eine grundsätzliche Einigung über die wesentlichen Punkte“, wie IG-Metall-Sprecher Heiko Messerschmidt bestätigte.

Über den Inhalt vereinbarten aber beide Seiten Stillschweigen, bis die Einzelheiten geklärt sind. Am heutigen Mittwoch soll nun nach erneuten Verhandlungen im Hamburger Airbus-Werk ein entsprechendes Eckpunktepapier vorgestellt werden.

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