Perspektive

G20-Treffen: Optimistische Erklärungen verbergen tiefe Spaltungen

Die Reden waren relativ optimistisch gehalten, aber die Wahrheit ist, dass die Finanzminister der G-20-Staaten bei ihrem Treffen in Paris am Wochenende der Lösung des Problems der europäischen Schulden- und Bankenkrise nicht näher gekommen sind, als auf den vorherigen Treffen und Gipfeln.

Die großen außereuropäischen Wirtschaftsmächte, allen voran die USA mit Unterstützung von Großbritannien, forderten von den Eurozonen-Staaten einen Plan zur Bewältigung ihrer Finanzkrise bis zum europäischen Gipfel am 23. Oktober, auf dem das Treffen der G-20-Staatschefs am 3. November vorbereitet wird.

Vor dem Treffen war eine mögliche Erhöhung der Mittel des Internationalen Währungsfonds (IWF) im Gespräch, um das europäische Finanzsystem stärker unterstützen zu können. Die USA, Kanada und Großbritannien waren allerdings dagegen. Wie es US-Finanzminister Timothy Geithner ausdrückte, seien die Reserven des Fonds in Höhe von 390 Milliarden Dollar „eine Menge finanzieller Feuerkraft.“

Der britische Finanzminister George Osborne erklärte vor der Presse, zusätzliche Gelder für den IWF dürften „kein Ersatz für ein Handeln der Eurozone sein, um ihre eigene Währung zu stützen.“ Der kanadische Finanzminister Jim Flaherty sagte, der Fokus müsse darauf liegen, dass „die Europäer die Krise lösen“, nicht auf nebensächlichen Fragen wie mehr Geld für den IWF.

Das Kommuniqué, das von dem Treffen herausgegeben wurde, enthielt eine verschlungene Passage, in der der IWF aufgefordert wurde, „neue Wege“ zu finden, um systemische finanzielle Schocks zu verhindern und „auf bestehenden Instrumenten und Einrichtungen“ aufzubauen. Die Financial Times kommentierte, diese gequälte Sprache ermöglichte es Geithner, anzudeuten, dass die USA eine Intervention des IWF unterstützen würden „wenn die Bedingungen stimmen“ und „die europäischen Mittel zu größerem Teil genützt würden.“ Gleichzeitig konnte er darauf beharren, dass es keine Notwendigkeit für neue IWF-Gelder gebe.

Die europäischen Mächte behaupten, einen vollständigen Plan zu haben, aber sie müssten ihn noch fertig ausarbeiten. Der Grund dafür sind die zahlreichen wirtschaftlichen und politischen Interessen, die aus der Finanzkrise entstehen und die miteinander im Konflikt stehen. Es gibt nicht nur Spannungen zwischen Ländern, sondern auch zwischen den großen Banken und Regierungen.

Der letzte europäische Plan, der am 21. Juli entwickelt wurde, aber mittlerweile als vollkommen unzureichend gilt, sah vor, dass die Besitzer von Staatsanleihen als Teil eines allgemeinen Rettungspaketes einen „Schuldenschnitt“ von 21 Prozent für ihre griechischen Staatsanleihen hinnehmen. Da sich Griechenlands wirtschaftliche Lage seit Vorstellung des Plans noch verschlechtert hat – nicht zuletzt durch die Auswirkungen der Sparmaßnahmen, die im Zuge des sogenannten Rettungsplanes durchgesetzt wurden – setzt sich Deutschland für einen Schuldenschnitt in Höhe von 50 bis 60 Prozent ein.

Frankreich ist dagegen, weil seine Banken davon besonders betroffen wären und momentan von Kreditratingagenturen untersucht und herabgestuft werden.

Dann gibt es noch die Frage nach der Rekapitalisierung der Banken - die Verteilung von weiterem Einlagenkapital in die Banken, um sie für die Wertverluste der Finanzanlagen zu entschädigen, die sie besitzen, vor allem für Staatsanleihen.

Deutsche Behörden setzen sich dafür ein, dass dies durch private Märkte und Landesregierungen geschieht, und der Euro-Rettungsschirm nur als letzte Option einschreiten soll. Frankreich allerdings ist darum besorgt, dass jede Vergabe von staatlichem Geld in sein Bankensystem negative Auswirkungen auf sein Kreditrating haben wird, nachdem es bereits im August von S&P herabgestuft wurde.

Außerdem wehren sich die Banken und ihre Vertreter gegen jegliche erzwungene Rekapitalisierung. Die fünf deutschen Bankenvereinigungen bestanden in einem, wie es genannt wurde „wütenden Brief“ an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble darauf, dass alle Risikoabwägungen auf den derzeitigen Kapitalanforderungen beruhen sollten, und nicht auf den härteren Maßnahmen, die für die Zukunft geplant sind. In dem Brief hieß es: „Es kann nicht im Interesse der Stabilisierung der Finanzmärkte sein, eine imaginäre Schwäche des europäischen Bankensektors zu produzieren, indem Kapitalanforderungen künstlich verschärft werden.“

Josef Ackermann, der Chef der Deutschen Bank, warnte, er würde eher Einlagen verkaufen, um das Kapital der Bank zu erhöhen als Staatsgeld zu akzeptieren. Das würde zu einer schnellen Verknappung auf den Kreditmärkten führen und die Finanzkrise verschlimmern.

Das Institut für Internationale Finanzen, eine große Lobbyistenvereinigung der internationalen Banken und Finanzinstitute, schaltete sich ebenfalls in den Konflikt ein. Der Direktor des IIF Charles Dallara wandte sich gegen Bestrebungen, die Vereinbarung vom 21. Juli zu ändern, um den Schuldenschnitt zu vergrößern und sagte: „Abgemacht ist abgemacht.“ Olli Rehn, EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung sagte zu diesen Widersprüchen, die Vereinbarung vom Juli erfordere technische Korrekturen: „Wir ändern sie nicht, wir korrigieren sie nur.“

Die Größe des griechischen Schuldenschnitts ist nicht das einzige, was die Banken beschäftigt. Dallara sagte, Bestrebungen der Europäischen Bankenaufsicht, die Staatsanleihen in ihrem Besitz nach den derzeitigen Marktpreisen neu zu bewerten, würde „große Risiken“ schaffen. Solche Maßnahmen würden Druck auf die Anleihemärkte dieser Länder ausüben und zu weiteren Wertverlusten dieser Anleihen führen. Das könnte zu einem „Teufelskreis führen (…) in dem Kapital durch die Vordertür reinkommt und zur Hintertür rausgeht, während der Wert der Staatsanleihen, die die Banken besitzen, abnimmt.“

Dallaras Bemerkungen zeigen, wie sinnlos alle Versuche sind, die Finanzkrise mittels strengerer Regulierungen der Banken zu lösen. Darauf reagieren sie nur, indem sie Maßnahmen androhen, die die Krise noch weiter verschärfen.

Auch eine gemeinsame Aktion der Regierungen ist nicht möglich. Das G-20-Treffen zeigte nochmals, dass alle Regierungen im Interesse ihrer „eigenen“ wirtschaftlichen und finanziellen Interessen handeln.

Die USA forderten einen Bailout, um die Interessen der amerikanischen Banken zu schützen, die zwar nicht viel mit europäischen Staatsanleihen zu tun haben, aber durch ihre Aktivität auf dem Markt für Kreditausfallversicherungen durch einen Staatsbankrott in Europa schwere Verluste erleiden würden.

Großbritannien ist entschlossen, die Interessen der City of London – die manchmal als das Guantanamo Bay des internationalen Finanzsystems bezeichnet wird, weil dort Praktiken, die überall anders als illegal gelten, ungehindert betrieben werden – gegen jede Form von Regulierung zu verteidigen, die ihre Aktivitäten einschränken würde. Und die europäischen Mächte können sich nicht auf einen Plan einigen, weil sich die Interessen ihrer jeweiligen Banken überkreuzen.

Vor dem G-20-Treffen am letzten Wochenende veröffentlichte die Financial Times einen Leitartikel mit dem Titel: „Bringt den Geist von 2009 zurück.“

Er begann mit den Worten: „Der Zustand der Weltwirtschaft könnte kaum düsterer sein. (…) Die Entwicklung der Anleihenmärkte, vor allem der Staatsanleihen, führt zu großer Anspannung bei Investoren. Bei den makroökonomischen Trends sieht es nicht besser: Die Zahlen der Arbeitsmärkte in den USA und Europa bieten wenig Grund zum Optimismus, und sogar Chinas Wachstumsraten haben unter dem Abschwung des Welthandels gelitten. Das Geschäftsklima ist schlecht, und die Gefahr einer Double-Dip-Rezession ist noch größer geworden.“

Mit Rückblick auf die Einigungen, die auf dem G-20-Gipfel im April 2009 erzielt wurden, forderte der Leitartikel eine neue Dosis solch „konstruktiver Anstrengungen“ und betonte, dass nur die „wichtige Währung Vertrauen“ der Welt ein „Desaster ersparen könne.“ Das Vertrauen wurde damals wiederhergestellt, und das ist nochmals möglich.

Im Jahr 2009 waren Einigungen nur möglich, weil die Interessen der führenden kapitalistischen Mächte kurzzeitig übereinstimmten. Zweieinhalb Jahre später hat die Entwicklung der Krise die inhärenten Konflikte zwischen ihnen noch weiter verschärft.

Die Bourgeoisie weiß keine Antwort auf die Krise, die das Profitsystem verursacht hat – abgesehen von Armut, Sparmaßnahmen und Krieg.

Während das G-20-Treffens zeigten die Occupy-Demonstrationen, wo die Lösung liegt: In der Mobilisierung der Arbeiterklasse auf internationaler Ebene für den Sozialismus auf Grundlage der Neuorganisierung der Wirtschaft unter demokratischer Kontrolle, um statt derProfitinteressen der Wirtschaft die sozialen Bedürfnisse zu befriedigen.

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