Die Troika stößt auf den Widerstand der griechischen Arbeiter

Am vergangenen Donnerstag kamen Vertreter der Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) zurück nach Athen, um die Umsetzung der angekündigten Sparmaßnahmen zu kontrollieren. Die Troika wird voraussichtlich am 13. Oktober darüber entscheiden, ob die letzte Tranche des ersten EU-Rettungspakets von acht Milliarden Euro an Griechenland ausgezahlt wird. Andernfalls droht dem Land innerhalb weniger Wochen die Zahlungsunfähigkeit, was zur Folge hätte, dass Renten, Löhne und Sozialleistungen nicht ausgezahlt werden könnten.

Die Vertreter der Troika hatten Griechenland Anfang September demonstrativ verlassen, weil sie mit den bisherigen Fortschritten in der Umsetzung des Sozialkahlschlags unzufrieden waren und die Regierung stärker unter Druck setzen wollten.

Weitere Löcher im Staatshaushalt waren entstanden, weil die massive Absenkung der Löhne und die Erhöhung von Massensteuern zu einer tieferen Rezession geführt hatten, als es von Regierung und Troika erwartet worden war. Entsprechend geringer fiel das Steueraufkommen aus und stiegen die Sozialausgaben. Nun fordern die europäischen Institutionen noch weitere Kürzungen.

Die sozialdemokratische Regierung in Griechenland hat seitdem alles getan, diese Bedingungen zu erfüllen und die Troika zurück ins Land zu holen. Bereits am vergangenen Dienstag hatte das Parlament einer Steuererhöhung auf Grundbesitz zugestimmt, die mit der Stromrechnung fällig wird und bis zu 80 Prozent der Bevölkerung trifft.

Außerdem hat die Regierung angekündigt, die Renten weiter zu kürzen, Sozialleistungen für kinderreiche Familien zu streichen und Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst von bis zu 40 Prozent durchzusetzen. Ferner sollten 30 000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes für ein Jahr bei 60 Prozent des Gehaltes beurlaubt und anschließend entlassen werden.

Gerade die letzte Forderung war auch innerhalb des Kabinetts heftig umstritten, weil sie nicht nur die Unterstützung der Regierungspartei in der Beamtenschaft zerstören würde, sondern auch, weil sie verfassungsrechtlich bedenklich ist. Die griechische Verfassung sieht vor, dass Staatsbedienstete ein Anrecht auf lebenslange Beschäftigung haben. Die Regierung hatte gezögert, in einer derart explosiven Situation einen so offenen Verfassungsbruch zu begehen.

Doch die Troika ist da anderer Meinung. Nach ersten Gesprächen mit Finanzminister Evangelos Venizelos am Donnerstagabend ließen die EU-Vertreter verlauten, dass die Beurlaubung von 30 000 Staatsbediensteten nicht weit genug gehe. Die Regierung müsse jetzt Fakten schaffen und die betreffenden Stellen kündigen. Die endgültige Entscheidung der Regierung wird am Sonntag erwartet, wenn der Haushalt für 2012 im Kabinett verabschiedet werden soll.

Auch haben Vertreter der Troika gefordert, die Privatisierung der großen staatlichen Unternehmen voranzubringen. Insbesondere nannten sie den Verkauf des Flughafens von Athen und der staatlichen Lotteriegesellschaft OPAP, deren Verkaufserlös das Defizit vom September ausgleichen sollen.

Durch die raschen Privatisierungen sollen nicht nur die Haushaltslöcher gestopft werden, sondern auch Bedingungen geschaffen werden, unter denen Unternehmen anderer europäischer Staaten in Griechenland Fuß fassen können. Bundeswirtschaftsminsiter Philipp Rösler (FDP) kündigte bereits an, dass deutsche Unternehmen die günstigen Konditionen der Massenprivatisierung und des Lohndumpings nutzen würden, um massiv in Griechenland zu investieren.

Die Unternehmensberatung Roland Berger hat sogar ein „Rettungskonzept“ für Griechenland vorgestellt, dass sich fast ausschließlich auf die Privatisierung stützt. Berger schlägt die Gründung einer zentralen Holding vor, in der griechisches Staatsvermögen, also Häfen, Flughäfen, Autobahnen und Immobilien im Gesamtwert von rund 125 Milliarden Euro einfließen sollen. Mit dem Verkaufserlös sollen die Schulden des Landes um die Hälfte reduziert werden.

Am Freitag wollte die Troika im Transportministerium über die Öffnung des Transportwesens in Griechenland für ausländische Firmen sprechen. Zur Zeit sind die Lizenzen für Taxi- und Lastwagenfahrer streng limitiert und kosten bis zu 150 000 Euro. Geplant ist die Lizenzierung auszuweiten und für 3000 Euro anzubieten. Dies würde nichts anderes bedeuten, als die entschädigungslose Enteignung der meist selbstständigen Taxi- und Lastwagenfahrer, die ob des Erwerbs der Lizenzen oft hoch verschuldet sind.

Doch das Treffen wurde verschoben, weil Mitarbeiter des Transportministeriums das Gebäude aus Protest gegen die Maßnahmen der Regierung besetzt hatten. Schon seit ihrer Anreise am Donnerstag wurden die Vertreter der Troika von massiven Protesten der griechischen Arbeiter begleitet.

Am Donnerstag wurden die Ministerien für Finanzen, Wirtschaft, Justiz, Gesundheit sowie Arbeit und Soziales meist von Mitarbeitern der Behörden besetzt. Als Vertreter der Troika in das Finanzministerium gehen wollten, wurden sie von den Arbeitern daran gehindert. Diese skandierten: „Nehmt euren Rettungsplan und haut ab.“ Vom Balkon des Ministeriums hing ein Transparent mit der Aufschrift: „Wenn das Unrecht zum Gesetz wird, ist Widerstand Pflicht.“ Auf einer Demonstration vor dem griechischen Parlament riefen Taxifahrer: „Wir werden nicht nachgeben. Es wird Blut fließen.“

Am Freitag Nachmittag demonstrierten tausende Schüler und Studenten in Athen. Im ganzen Land sind momentan fast 600 Schulen von den Schülern besetzt, weil die Regierung durch massive Kürzungen einen geregelten Unterricht unmöglich gemacht hat. Am Donnerstag hat das höchste Gericht angekündigt, mögliche Vergehen der Besetzer zu überprüfen und mit aller Härte des Gesetzes gegen die Schüler vorzugehen.

Arbeiter wollten die Protestaktionen vom Donnerstag ausweiten und nicht nur ein Zeichen gegen die Troika setzen, sondern die Arbeit der Regierung tatsächlich blockieren, doch wurden sie von den Gewerkschaften zurück gehalten. Die Besetzung der Gebäude wurde mit Ausnahme des Finanzministeriums nach wenigen Stunden abgebrochen. Stattdessen organisierten die Gewerkschaften kleine, unwirksame Streiks und Demonstrationen.

Die Gewerkschaften setzen alles daran, die unermessliche Wut und Verzweiflung der griechischen Arbeiter in harmlose Kanäle zu lenken. In dieser Woche ließen sie eine Berufsgruppe nach der anderen streiken und verhinderten so eine breite Bewegung gegen Troika und Regierung: erst die Bahnarbeiter, dann die Taxifahrer und schließlich Ärzte und Krankenpfleger. Ein zeitlich auf 24 Stunden befristeter Generalstreik ist erst für den 19. Oktober geplant und wird in dieser Form nicht das geringste an den Sparbeschlüssen ändern.

Die Gewerkschaften haben die früheren Kürzungen allesamt mitgetragen. Sie vertreten nicht die Interessen der Arbeiter, sondern sind ausschließlich an der Aufrechterhaltung ihrer eigenen Position im Staatsapparat interessiert. So erklärte die internationale Sekretärin des griechischen Gewerkschaftsverbands GSEE, dass das Problem der aktuellen Kürzungen vor allem darin bestünde, dass sie „auf Druck der Finanzmärkte, ohne jede Absprache mit den Sozialpartnern“ durchgesetzt worden seien. „Der Prozess des konstruktiven sozialen Dialogs wurde effektiv abgewürgt.“, bedauerte sie.

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