Millionen fordern Sturz der ägyptischen Junta

Am Dienstag protestierten und streikten Millionen Arbeiter und Jugendliche in ganz Ägypten und forderten den Rücktritt von Feldmarschall Hussein Tantawi und der ägyptischen Junta.

Massendemonstrationen bewegten sich in Kairo von den Universitäten von Kairo und Ain Shams, aus den Arbeitervierteln Shubra und Sayda Zeinab und anderen Teilen der Hauptstadt in Richtung Tahrir Platz. Die Demonstranten riefen Parolen gegen den Obersten Militärrat SCAF und sprachen sich für die Einheit von Muslimen und Kopten aus.

Am frühen Abend des Dienstag war der Tahrir Platz mit Hunderttausenden Demonstranten gefüllt. In Alexandria versammelten sich über einhunderttausend vor der Al-Qaed Ibrahim Moschee und zogen zur Militärkommandantur des Norddistrikts und zum Polizeipräsidium. In Suez versammelten sich Zehntausende auf dem Arbaeen Platz, einem der Zentren der Proteste vom 25. Januar, die schließlich zur Absetzung von Präsident Hosni Mubarak führten.

Weitere Demonstrationen gab es in großen Städten in allen Teilen Ägyptens, darunter in Mansura, Ismailia, Qena, Beni Soueif, Al-Sharqiya, Al-Wadi Al-Gadid, al-Minya und Assjut.

Friedliche Proteste trafen auf gewalttätige Militär- und Polizeikräfte, die schon seit den frühen Stunden des Samstag mit großer Brutalität vorgingen und Dutzende getötet und Tausende verwundet hatten. Demonstranten trugen den Sarg eines getöteten Demonstranten über den Tahrir Platz.

Drei amerikanische Studenten befanden sich in Gewahrsam, weil sie an Protesten gegen die Junta teilgenommen hatten. Ägyptische Sprecher beschuldigten sie, Molotowcocktails auf Polizisten geschleudert zu haben.

Seit dem Beginn der Revolution, als der langjährige Diktator Hosni Mubarak vertrieben wurde, war die Lage in Ägypten nicht mehr so explosiv. Die Massen verlangen den Sturz der Junta, die an Mubaraks Stelle trat, aber seine antisoziale und undemokratische Politik fortsetzte.

Angesichts dieser erneuten Unruhen geraten die ägyptische herrschende Klasse und ihre imperialistischen Hintermänner noch mehr in Panik, als im Januar und Februar. Für sie ist das Militär das Rückgrat des Staates, das den ägyptischen Kapitalismus und die Interessen des Imperialismus in der ganzen Region verteidigt.

Wie im Januar, als die USA Mubarak so lange wie möglich verteidigten, unterstützen sie jetzt Mubaraks Generale im SCAF. Washington finanziert das ägyptische Militär und die Munition, die die Demonstranten tötet und verwundet, stammt vornehmlich aus den USA. Die Obama-Regierung ruft „alle Seiten zur Zurückhaltung“ auf, aber hinter den Kulissen beäugt sie die Proteste argwöhnisch und unterstützt die Unterdrückungsmaßnahmen der Junta.

Genau wie die USA, fürchten auch die offiziellen ägyptischen Parteien – islamistische, liberale und kleinbürgerliche – nichts mehr, als den Sturz der Junta durch eine revolutionäre Mobilisierung der Massen. Ihr Ziel ist es, die Proteste unter Kontrolle zu bringen und mit dem sogenannten „demokratischen Übergang“ fortzufahren, der von den Generalen kontrolliert und von Washington unterstützt wird.

Die islamistische Muslimbruderschaft (MB) gab am Montag eine Erklärung heraus, in der sie die Beteiligung “an allen Protesten ablehnt, die zu mehr Konfrontationen führen könnten“. Andere Gruppen, wie die Jugendbewegung vom 6. April, die Demokratische Arbeiterpartei oder die Revolutionären Sozialisten (RS) geben zwar vor, die Proteste zu unterstützen. Auf dem Platz sollen aber keinerlei Parteizeichen oder Tribünen zu sehen sein.

Nach Monaten der Zusammenarbeit mit der Junta wird das gesamte politische Establishment von der Bevölkerung mit tiefem Misstrauen betrachtet. Bezeichnenderweise wurde Mohamed ElBeltagi, ein führender Vertreter der Muslimbrüder, vom Tahrir Platz gedrängt, als er ihn am Montagabend betreten wollte.

Seit dem erneuten Ausbruch der Proteste manövrieren die Junta und politische Führer verzweifelt, um die Situation unter Kontrolle zu bekommen. Mohammed ElBaradei, Präsidentschaftskandidat und ein Führer der liberalen Opposition, schlug die Bildung einer Regierung der „nationalen Rettung“ vor und warnte vor dem drohenden Auseinanderfallen des Landes. Sein Aufruf wurde von 37 politischen Gruppen unterstützt, unter anderem von der Bewegung des 6. April, der revolutionären Jugendkoalition des 25. Januar und mehreren islamistischen Gruppen.

Am Montagabend trat die amtierende Übergangsregierung von Ministerpräsident Essam Sharaf, einem früheren Minister Mubaraks, zurück. Am Dienstagmorgen lud der SACF „alle politischen und nationalen Kräfte ein, in einen dringenden Dialog einzutreten, um die Gründe für die Verschärfung der aktuellen Krise zu untersuchen und sie so schnell wie möglich zu lösen.“

Am Dienstagnachmittag fanden sich die politischen Parteien zu dem Dringlichkeitstreffen mit General Sami Anan ein. Anan ist Generalstabschef der ägyptischen Armee und Mitglied des SCAF. Die Versammelten einigten sich darauf, die Parlamentswahlen wie geplant am 28. November durchzuführen und die Präsidentschaftswahl auf den 30. Juni 2012 vorzuziehen.

Außerdem wurde beschlossen, die vorgeschlagene Einheitsregierung der “nationalen Rettung” zu bilden, und ein Referendum über die Frage durchzuführen, ob sich die Armee in die Kasernen zurückziehen solle oder nicht. Der SCAF brachte ElBaradei als Chef der neuen Regierung der „nationalen Rettung“ ins Spiel.

Kurz vor 20 Uhr trat der Führer der Junta, Mohammed Hussein Tantawi, im Staatsfernsehen vor die Kamera und wandte sich an die Nation. Er gab die Ergebnisse der Gespräche der politischen Parteien mit Anan bekannt. Dann erklärte er, dass „die Armee sich niemals gegen das ägyptische Volk stellen wird“ und dass „die Armee nicht eine Kugel auf einen ägyptischen Bürger abgefeuert hat“.

Noch während Tantawi sprach, griffen die Sicherheitskräfte erneut Protestierende in Kairo, Alexandria, Suez, Ismailia, Mansura und anderen ägyptischen Städten an und töteten zahlreiche.

Dann beklagte Tantawi, dass “die Armee in den letzten Monaten geduldig zahlreiche Versuche ertragen habe, ihr Ansehen und ihren Patriotismus zu beschmutzen“. Er machte klar, dass die Junta bereit sei, noch stärkere Gewalt gegen die Massen einzusetzen. Am Ende der Rede warnte er vor einer „tiefen Wirtschaftskrise“. Ausländische Investoren mieden das Land inzwischen wegen der Proteste.

Nach seiner Rede riefen Hunderttausende “Irhal, Irhal“ (Hau ab, Hau ab) und skandierten Forderungen nach der Absetzung Tantawis und dem Sturz der Militärherrschaft. Wie im Februar, als Mubarak sich in einer Rede weigerte zurückzutreten, winkten die Menschen verächtlich mit ihren Schuhen und riefen: „Du wirst gehen, wir werden nicht gehen“ und „Tantawi, du Feigling, komm runter auf den Platz, wenn du es wagst“.

Kurz nach der Rede machte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Victoria Nuland, klar, dass die USA hinter der Junta stehen. Sie kritisierte die ägyptische Polizei wegen „exzessiver Gewaltanwendung“ und lobte dann die Armeeführer für ihr Versprechen, die Wahlen durchzuführen und angeblich die Macht bis Juli an Zivilisten zu übergeben.

Die ägyptische Bourgeoisie und die USA sind sehr daran interessiert, dass die Wahlen stattfinden, weil sie hoffen, dem Staatsapparat des alten Mubarak-Regimes so eine neue Legitimität zu verschaffen. Die ägyptischen Massen sehen die Wahlen weitgehend als Farce an. Nach Tantawis Rede rückten Arbeiter und Jugendliche weiter auf die Polizeipräsidien in Alexandria, Suez und anderen Städten und auf das Innenministerium in Kairo vor. Es war nicht zu übersehen, dass sie weiterhin entschlossen sind, die Junta zu Fall zu bringen.

Um das zu erreichen, brauchen die ägyptischen Arbeiter und Jugendlichen eine neue politische Perspektive. Die Hauptaufgabe der ägyptischen Arbeiter und Jugendlichen ist der Aufbau ihrer eigenen unabhängigen Organisationen für den revolutionären Kampf und einer revolutionären Führung mit einer internationalen sozialistischen Perspektive. Nur so kann die Junta gestürzt werden. Sie muss durch eine Arbeiterregierung ersetzt werden, die mit einem sozialistischen Programm die Erfüllung der sozialen und demokratischen Bestrebungen der Massen in Angriff nimmt.

Mit der von ElBaradei vorgeschlagenen sogenannten Regierung der “nationalen Rettung”, der die anderen Parteien und die Junta im Großen und Ganzen zugestimmt haben, bereiten die Junta und ihre politischen Unterstützer eine neue Falle vor. Die Aufgabe einer solchen Regierung wäre es, den Generalen eine pseudo-demokratische Fassade zu verpassen, um die Opposition der Bevölkerung zu dämpfen und dann die Reste der Proteste und Streiks zu zerschlagen. Das soll der herrschenden Klasse den Weg für die Rückkehr zur alten Politik der Junta bereiten, möglicherweise mit neuen Köpfen an der Spitze.

Die kleinbürgerlichen pseudo-linken Gruppen, die fälschlicherweise als revolutionär oder gar sozialistisch posieren, werden die Hauptrolle dabei spielen, den Arbeitern und Jugendlichen ein Regime der “nationalen Rettung” als fortschrittlich zu verkaufen.

So hat die Demokratische Arbeiterpartei – eine pro-kapitalistische Partei, die von den RS aufgebaut wird – die Entlassung der Sharaf-Regierung und „eine Regierung der Revolution“ mit der Aufgabe gefordert, „den Übergang mit allen nötigen administrativen und gesetzgeberischen Vollmachten zu gestalten, um Korruption und die Reste des Muabrak-Regimes auszurotten und das Land auf den Prozess der Demokratisierung vorzubereiten“.

Das ist nichts anderes als ein “linker” Deckmantel für den Handel zwischen der Junta und den politischen Parteien, eine Regierung der “nationalen Rettung” zu bilden. Denn eine „Regierung der Revolution“ ist für die Demokratische Arbeiterpartei und die RS ausdrücklich keine Arbeiterregierung.

Sie solle vielmehr aus verschiedenen bürgerlichen Gruppen bestehen, wie den Anhängern von ElBaradei und rechten Islamisten, mit denen sie schon länger zusammenarbeiten und die in Diskussion mit der Junta stehen. Am 20. November machten die RS klar, dass ihr Ziel ist, „alle Kräfte in einer einzigen Front zusammenzuschließen“. Das ist nur ein anderer Name für die gleiche Art Regierung der „nationalen Rettung“, wie sie zuerst von ElBaradei vorgeschlagen wurde und jetzt von der Junta selbst favorisiert wird.

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