Spanien

Baskische ETA erklärt Ende des bewaffneten Kampfes

Die baskische Separatistengruppe Baskenland und Freiheit (Euskadi ta Askatasuna, ETA) erklärte Ende Oktober „die endgültige Beendigung ihrer bewaffneten Aktivitäten“.

53 Jahre lang griff die ETA zu Sprengstoffattentaten, Erschießungen, Entführungen und Erpressungen, die insgesamt 829 Menschen das Leben kosteten und über 1.000 Verletzte forderten; zumeist waren dies Zivilisten. Die Organisation teilte bislang nicht mit, wie und wann sie die Waffen niederlegen oder übergeben will.

Berichten zufolge war die ETA-Führung ursprünglich nur bereit, das Ende ihres bewaffneten Kampfes zu verkünden, wenn die Regierung politische Zugeständnisse machte, darunter die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts für Euskal Herria (ein Gebiet, welches das Baskenland und Navarra in Spanien und das nördliche Baskenland in Frankreich umfasst) und eine Amnestie für alle ETA-Mitglieder, Sympathisanten sowie die im Exil lebenden. Keine dieser Forderungen wurde erfüllt.

Ministerpräsident José Luis Zapatero begrüßte die ETA-Ankündigung und sagte: “Wir werden eine Demokratie ohne Terrorismus haben, doch nicht ohne Erinnerung,” womit er sich auf die Opfer und die Gewalt bezog. Mariano Rajoy, Parteivorsitzender der Partido Popular (Volkspartei - PP), der in der Vergangenheit ein entschiedener Gegner jedweder Verhandlungen mit der ETA war, nannte die Bekanntmachung „gute Neuigkeiten…Dies zeigt, wie es eine Gesellschaft versteht, geschlossen zu bleiben und ihre Position zu verteidigen, denn diese Ankündigung erfolgte, ohne dass irgendwelche Zugeständnisse gemacht wurden.“

Der Präsident des Baskenlandes, Patxi López, Generalsekretär des baskischen Zweiges der Sozialistischen Partei (PSOE), erklärte: „Vernunft ersetzt Unvernunft, Demokratie gewinnt gegen Totalitarismus und der Rechtsstaat siegt über den Terrorismus.“

López sagte, dass er so schnell wie möglich eine Versammlung aller regionalen Parteien einberufen wolle, in der die politische Zukunft erörtert und „maximale Einheit“ erreicht werden soll, um „den letzten Schritt der ETA zu konsolidieren“.

Im letzten Jahr fanden Dutzende von Demonstrationen in wöchentlichem Rhythmus in den größten baskischen Metropolen statt, darunter Bilbao, Vitoria und San Sebastián. Die Demonstranten riefen die Regierung zu Gesprächen mit der ETA auf. Sie opponierten gegen das Demonstrationsverbot und forderten ein Ende von Gewalt und Folter sowie die Freilassung von in baskischen Gefängnissen inhaftierten ETA-Mitgliedern.

Hinter diesen Demonstrationen standen die politischen Parteien, die historisch mit der ETA und ihrem verbotenen politischen Arm, der Batasuna, verbunden sind. Im vergangenen März wurde die Partei Sortu wegen angeblicher Verbindungen zur Batasuna illegalisiert, obwohl sie in ihrer Satzung Gewalt abgelehnt. Eine weitere Verbindung – Bildu – wurde gegründet und zunächst verboten, aber die Gerichte erlaubten ihr die Teilnahme an den Regionalwahlen im Mai 2011. Mit 25 Prozent der Stimmen wurde sie zur zweitstärksten Partei hinter der Baskisch-Nationalistischen Partei (PNV).

Die ETA versuchte über die gesamte Dauer ihrer Existenz hinweg, mit Terror den spanischen Staat zu zwingen, die Unabhängigkeit zu gewähren. Diese Organisation steht den Interessen der Arbeiterklasse zutiefst feindlich gegenüber. Keineswegs ist es der Kampf der Arbeiterklasse um ihre politische, soziale und ökonomische Vereinigung und Emanzipation, der die ETA motiviert, sondern das nationale Interesse der baskischen Bourgeoisie und des baskischen Kleinbürgertums. Von der Schaffung eines neuen kapitalistischen Zwergstaates zur Sicherung internationaler Investitionen würde nur eine dünne Schicht, bestehend aus der lokalen Elite, profitieren. Verschärfte Ausbeutung der baskischen arbeitenden Menschen wäre die Folge.

Die ETA, Batsuna und andere nationalistische und kleinbürgerliche ex-linke Organisationen, die sich “baskische Linksradikale” nennen, unternehmen jetzt den Versuch, sich in den Staatsapparat zu integrieren. Sie beobachten den „Erfolg“ des „Friedensprozesses“, an dem die Irisch-Republikanische Armee (IRA) und Sinn Fein in Nordirland beteiligt sind.

Ziel dieser über die Köpfe der irischen wie der britischen der arbeitenden Bevölkerung hinweg entschiedenen Vereinbarung war Nordirland als Billigarbeitsreservoire des internationalen Kapitals fit zu machen. Sinn Fein ist heute neben der britischen königstreuen Democratic Unionist Party (Demokratische Unionistenpartei - DUP) einer der politischen Motoren für Sparmaßnahmen.

Die ETA verfolgt einen ähnlichen “Friedensprozess”. In ihrer Stellungnahme forderte sie die Regierungen Spaniens und Frankreichs auf, Maßnahmen zu ergreifen um den bestehenden „politischen Konflikt“ zu lösen.

Nach mehr als einem halben Jahrhundert bewaffneten Kampfes hat die ETA nichts anderes erreicht, als Konfusion innerhalb der Arbeiterklasse zu säen. Ihre Angriffe auf die arbeitenden Menschen haben der herrschenden spanischen Elite direkt in die Hände gespielt. Diese nutzte den Terrorismus als Vorwand, demokratische Rechte anzugreifen, den Staatsapparat zu stärken und die Arbeiterklasse entlang nationaler Schranken zu spalten.

Mittels des gegenwärtigen Parteiengesetztes (Ley de Partidos) kann die Regierung der Sozialistischen Partei (PSOE) jede Partei verbieten, die direkt oder indirekt Terrorismus duldet oder mit einer terroristischen Organisation sympathisiert. Laut Strafprozessordnung können Verdächtige in allen Fällen bis zu fünf Tage und in Fällen des Terrorismus bis zu dreizehn Tage in Einzelhaft festgehalten werden und sind nicht in der Lage, einen Anwalt frei zu wählen. Zeitungen und Radiostationen, die der Sympathie und Finanzierung des Terrorismus beschuldigt wurden, sind geschlossen worden, Demonstrationen wurden verboten. In den späten 1980er Jahren schuf die PSOE-Regierung unter Felipe González Antiterroreinheiten (Grupos Antiterroristas de Liberación - GAL), eigentlich paramilitärische Todesschwadronen, die Jagd auf ETA-Mitglieder machten, Mordanschläge ausführten und Gefangene folterten.

Der baskische Nationalismus entstand an der Wende des 19. Jahrhunderts als Reaktion auf das Emporkommen der Arbeiterbewegung. Nachdem er in erster Linie in der kleinbürgerlichen Intelligenz entstanden war, suchte sich der Nationalismus Unterstützung in der Bauernschaft gegen die Vorherrschaft des Großkapitals und der Staatsbürokratie. Jedes Mal, als eine revolutionäre Bewegung entstand, versuchten diese Elemente, sie zu kontrollieren und zu ihrem eigenen Vorteil auszunutzen.

Die reaktionäre Natur dieses Nationalismus offenbaren die Worte von Sabino Arana, dem Vater des baskischen Nationalismus und Begründer der Baskischen Nationalpartei (Partido Nacionalista Vasco - PNV), der über die spanischen Arbeiter sagte:

„Eine große Zahl von ihnen scheint unbestreitbar Zeugnis von Darwins Theorie abzulegen, denn mehr als den Menschen ähneln sie den Affen. Sie wirken nur etwas weniger bestialisch als die Gorillas: suche in ihren Gesichtern nicht nach dem Ausdruck menschlicher Intelligenz oder einer Tugend. Ihre Augen spiegeln nur Idiotie und Brutalität.“

Als die Diktatur von General Miguel Primo de Rivera im Jahr 1931 zusammenbrach und damit der Beginn der Spanischen Revolution eingeleitet wurde, erklärte die PNV, ihr Ziel sei es, „die Arbeiterbewegung und die Möglichkeit einer Revolution aufzuhalten.“ Sie verlangte von ihren Mitgliedern „striktes Fernhalten von der Beteiligungen an Klassenbewegungen sowie Beachtung der Anweisungen, die, falls nötig, von Autoritäten erteilt werden.“

Dies war einer der Hauptgründe, warum der Nationalismus in den Industriegebieten der baskischen Region niemals großen Einfluss hatte.

Die ETA wurde während der Diktatur von General Francisco Franco im Jahr 1959 gegründet, als dieser die baskische Kultur unterdrückte und die sehr alte und vom Standpunkt der Linguistik einzigartige baskische Sprache verbot und Bücher in baskischer Sprache vernichten ließ. Sie erreichte ihr größtes Wachstum und höchste Popularität in der Periode vor Francos Tod sowie dem Ende der faschistischen Regierung im Jahr 1975. In dieser Phase waren die Opfer der ETA meist Regierungsmitglieder, die verhasste Guardia Civil und das Militär, darunter der designierte Nachfolger Francos Admiral Luis Carrero Blanco im Jahr 1973.

Nach Francos Tod im Jahr 1975 und dem eingeleiteten “Demokratisierungsprozess“ verlor die ETA, die auf willkürliche Attentate setzte und über kein ernsthaft fortschrittliches soziales Programm verfügte, einen Großteil ihrer Unterstützung.

Nach ihrer Wahl im Jahr 1996 schlug die neue PP-Regierung von José María Aznar Vorteil aus der weit verbreiteten Feindseligkeit gegenüber der ETA, um ein hartes Vorgehen gegen die Organisation einzuleiten. Das Insistieren auf der Unverletzlichkeit des spanischen Staates diente der Rechtfertigung eines allgemeinen Angriffs auf demokratische Rechte in ganz Spanien.

Die Polizei ließ viele Zellen der ETA auffliegen, kappte ihr finanzielles Netzwerk und brachte die gesamte Führung der Batsuna vor Gericht und schließlich ins Gefängnis, weil sie während ihres Wahlkampfes ein Video der ETA ausstrahlte. Egin, die Tageszeitung von Batsuna wurde geschlossen und die Redaktion wegen „Zusammenarbeit“ mit der ETA verhaftet – dies war das erste Mal seit dem Demokratisierungsprozess in Spanien, dass eine Zeitung verboten wurde. Fast tausend Mitglieder wurden in den letzten sieben Jahren verhaftet, darunter die erfahrensten Führer der Organisation.

Nach 53 Jahren ist die ETA ihrem erklärten Ziel nicht näher gekommen. Die Lösung des baskischen Konflikts, wie aller anderen nationalen Spaltungen, besteht im Kampf um die Einheit der spanischen, europäischen und weltweiten Arbeiterklasse. Die fortschrittliche Alternative zum spanischen kapitalistischen Staat besteht nicht in seiner Zerstückelung in wirtschaftlich weniger rentable Einheiten, die auf reaktionärem nationalistischem und ethnischem Regionalismus fußen, sondern in einer gesellschaftlichen Organisation, die der Globalisierung der Produktion entspricht: in den Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa.

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