Papandreou sagt Regierung der nationalen Einheit zu

Der griechische Premierminister Giorgos Papandreou überstand Freitagnacht ein Misstrauensvotum nur, weil er sofortige Schritte zur Bildung einer Regierung der nationalen Einheit zusicherte.

Papandreou erhielt 153 gegen 145 Stimmen. Er bestand darauf, dass das Parlament die Vereinbarung mit der „Troika“ – der Europäischen Union, dem IWF und der Europäischen Zentralbank – ratifiziert. Diese Vereinbarung sichert ein Paket von 110 Milliarden Euro an bilateralen Krediten zu.

Es wäre “katastrophal” dies abzulehnen, behauptete er. Um die Zustimmung sicher durchzukriegen, schlug er eine neue nationale Koalition vor. Er will den Präsidenten aufsuchen, um ihm zu sagen, „dass ich mit allen Parteien zu einer größeren Regierungskoalition bereit bin.“

Berichten zufolge wird Papandreou seinem Finanzminister Evangelos Venizelos den Vortritt lassen und zurücktreten.

PASOK wird jetzt mit kleineren Parteien zusammengehen, um eine größere Mehrheit im 300-Sitze-Parlament zu erhalten: 180 Sitze werden möglich. Die Koalition wird ohne die Rechtsopposition Nea Dimokratia zusammentreten. Diese verlangt vorgezogene Wahlen.

Aus den Ereignissen der vergangenen Woche muss eine entscheidende Lehre gezogen und verstanden werden: Jedwede politische Entwicklung in Griechenland wird nun auf Geheiß der Spekulanten sowie der Großmächte in der Europäischen Union und dem IWF geschehen.

Selbst der Zeitpunkt der Abstimmung wurde so festgelegt, dass die Märkte in Europa und den Vereinigten Staaten geschlossen waren, um negative Reaktionen zu vermeiden.

Am 31. Oktober kündigte Papandreou seine Entscheidung an, eine Volksabstimmung über die von der “Troika” für die Auszahlung der letzten Kredittranche verlangten Sparmaßnahmen durchzuführen.

Seine Absicht war lediglich, die besten politischen Bedingungen zur Durchführung dieser Maßnahmen zu schaffen. Er wollte die Oppositionsparteien, darunter die rechte Nea Dimokratia und die Gewerkschaften, dazu zwingen, ihren symbolischen Widerstand aufzugeben und sich zu einem nationalen Konsens zu bekennen, um die barbarischen Sparmaßnahmen durchzusetzen. Bereits im Juli bot er dem Vorsitzenden von Nea Dimokratia Antonis Samaras an, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden, doch das Angebot wurde zurückgewiesen und hastig ein Vertrauensvotum herbeigeführt. Jetzt hoffte er mit seinem neuen Vorstoß zum Erfolg zu kommen.

Stattdessen provozierte er einen Ansturm auf die globalen Märkte – es kam zum heftigsten zweitägigen Kurssturz seit dem Jahr 2008. Das G-20-Treffen im französischen Cannes, das ganz im Zeichen von Diskussionen über eine Ansteckung Italiens stand, wurde in eine Krise gestürzt. Der Milliardenspekulant George Soros warnte vor einem Staatsbankrott Griechenlands und einem „Ansturm auch auf die Banken anderer Länder. Wir stehen vor der Gefahr eines Zusammenbruchs.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy verlangten, das Referendum aufzugeben, und froren die letzte Acht-Milliarden-Tranche des Kredits für Griechenland ein. Angela Merkel drohte damit, dass Griechenlands Mitgliedschaft in der EU auf dem Spiel stehe: „Wir wünschen uns, dass Griechenland im Euroraum verbleibt. Aber wenn das griechische Volk sagt, dass es (…) nicht möchte, (…) dann werden wir (…) trotzdem den Euro nicht aufgeben,“ sagte sie.

Pflichtgemäß versprach Papandreou am Donnerstag den Verzicht auf das Referendum, am Freitag setzte er das Versprechen um.

Mehrere Berechnungen Papandreous gingen auf. Samaras ließ seine Oppositionspose gegen die Troikaforderungen fahren und gab offen im Parlament zu, dass er den Bedingungen der letzten Rettungsaktion Griechenlands am 27. Oktober in Wirklichkeit zugestimmt hatte. Er verlangte jetzt, dass das Parlament die von der EU geforderten Sparmaßnahmen genehmige.

Aber Samaras bezog klar Stellung gegen die Bildung einer Regierung der „nationalen Verantwortung“ unter Papandreou. Er forderte stattdessen von Präsident Karolos Papoulias die Bildung einer Übergangsregierung und die Vorbereitung vorgezogener Wahlen.

Papandreou musste auch einer eskalierenden Rebellion innerhalb der eigenen Reihen widerstehen: aus diesen wird sein Rücktritt und die Bildung einer nationalen Regierung gefordert.

Venizelos stellte sich gegen das Referendum und hat angeblich Papandreou im Kabinett aufgefordert zurückzutreten. Umweltminister Giorgos Papakonstantinou sprach sich für „eine breitere Regierung aus, die weitere politische Kräfte mit an Bord nimmt“, um „breitere Unterstützung und Akzeptanz für die Maßnahmen sicher zu stellen, die wir ergriffen haben“.

Bildungsministerin Anna Diamantopoulou drängte Papandreou, unverzüglich mit der Bildung einer Regierung der „nationalen Verantwortung“ zu beginnen.

Diese Forderung wurde von EU-Kommissionspräsident José Barroso aufgegriffen, der erwartet, dass eine Regierung der nationalen Einheit die Bedingungen der Rettungsaktion genehmigen wird. Wie er sagte, würden anderenfalls Griechenland bis zum 15. Dezember die Mittel ausgehen. „Sie sind wirklich der Situation sehr nahe, ihre Schulen und Krankenhäuser nicht mehr bezahlen zu können“, sagte er. „Offensichtlich ist dies eine Lage, die nationale Einheit erfordert.“

Bereits am Donnerstag hatte Papandreou deutlich gemacht, dass er bereit war, sich in sein Schwert zu stürzen. Er betonte aber, dass Griechenland sich das politische Vakuum nicht leisten könne, das durch den sofortigen Sturz der Regierung entstünde.

Die Feindseligkeit des gesamten Spektrums der offiziellen Politik gegenüber der arbeitenden Bevölkerung erreicht in Griechenland ihren Höhepunkt. So sieht die Herrschaft der globalen Finanzoligarchie aus.

Vom Standpunkt der elementaren Sorgen der griechischen Arbeiter hinsichtlich ihrer Arbeitsplätze und ihrer Lebensgrundlage gibt es unter den Protagonisten der hitzigen Debatte im Parlament keinen Unterschied. Nachdem PASOK das Misstrauensvotum überstanden hat, wird sie wird jetzt mit Unterstützung der Oppositionsparteien die Sparmaßnahmen ratifizieren. Hätte PASOK das Votum verloren, würde eine neu gewählte Regierung dieselben Maßnahmen genauso durchführen.

Die größte Gefahr, mit der die arbeitenden Menschen konfrontiert sind, ist das Fehlen einer unabhängigen Perspektive und Führung, die es ihnen gestatten würden, den politischen Kampf gegen die griechische Bourgeoisie, ihre Parteien und ihre Zahlmeister in der EU und im IWF aufzunehmen.

Es besteht massive Gegnerschaft gegenüber PASOK und dem Programm von Sparmaßnahmen der Troika. Diese verbleibt allerdings unter der Führung der beiden Hauptgewerkschaften ADEDY und GSEE. Indem sie den notwendigen politischen Kampf gegen PASOK ablehnen, begrenzen sie den Kampf der Arbeiter auf endlose eintägige Streiks.

Die verschiedenen ex-linken Gruppierungen wirken die ganze Zeit über als ihre politischen Helfershelfer.

SYRIZA, die Koalition der Radikalen Linken, welche sich verspätet für Neuwahlen aussprach, ist jetzt in der vordersten Reihe der möglichen Koalitionspartner für PASOK.

In allen Belangen handelte sie als treuer Verfechter der griechischen „nationalen Interessen“. Ihren feigsten Ausdruck fand diese Haltung, nachdem Papandreou am Dienstag entschieden hatte, die Führungsspitze der griechischen Streitkräfte zu entlassen. Überall kursierten Spekulationen, dass er aus Angst vor einem möglichen Militärputsch gehandelt hatte. SYRIZA allerdings reagierte mit einem Treueschwur auf das Militär und warnte, die Entscheidung der Regierung erwecke „den Eindruck, dass sie hoch politisierte Streitkräfte schaffen möchte, die sie in einer Zeit der politischen Krise unter Kontrolle haben will.“

Sie forderte den Präsidenten auf, die Entscheidung nicht zu bestätigen, solange keine Neuwahlen abgehalten wurden.

Auch ANTARSYA, eine kleinere Gruppe kleinbürgerlicher Tendenzen, fordert jetzt den Sturz von PASOK. Aber sie lehnt es ab, die fortgesetzte Beherrschung der Arbeiterklasse durch die pro-PASOK eingestellten Gewerkschaften in Frage zu stellen. In einer am Freitag abgegebenen Erklärung zu den Protesten auf dem Syntagma-Platz hieß es, dass es dort keine „streng geschützten Partei-Kontingente“ geben dürfe und sie sich „aus Arbeitern und jungen Leuten, aus Gewerkschaften und den Studentengewerkschaften, aus Volksvereinen, Gremien der verschiedenen Kampfgruppen, aus Parteien und Organisationen der Linken…zusammensetzen sollen.“ [Hervorhebung hinzugefügt]

Das Endergebnis solcher Opposition gegen Politik ist, dass es den führenden Parteien des Kapitals ermöglicht wird, die Ereignisse zu diktieren.

Diese Situation wiederholt sich in ganz Europa. Überall wird durch die Gewerkschaften und ihre ex-linken Mitläufer die Demobilisierung der Arbeiterklasse betrieben – sie händigen die Initiative der Bourgeoisie und ihren Parteien aus.

In Italien beispielweise konnte sich die Regierung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi am 15. November nur knapp eine Mehrheit sichern. Allerdings könnte sie kommenden Dienstag in einer Abstimmung über den Haushaltsplan 2010 wegen einer Reihe abgefallener Abgeordneter scheitern. Sollte seine Regierung unterliegen, wird Berlusconi jedoch durch Parteien ersetzt werden, die eine viel entschiedenere Durchsetzung der verlangten Haushaltskürzungen betreiben werden.

Im spanischen Wahlkampf steht die Partido Popular, die Spanische Volkspartei, die aus dem Franco-Lager hervorgegangen ist, dank dem Zusammenbruch der Sozialistischen Partei vor einem wahrscheinlichen historischen Erdrutschsieg. Innerhalb von zwei Monaten, als der Wahlkampf bereits angelaufen war, ist die offizielle Arbeitslosenquote um 3,2 Prozent gestiegen und erreichte 4.360.926.

Die Arbeiterklasse steht vor einem Kampf auf Leben und Tod, in dem die Fragen der Führung, des Programms und der Perspektive entscheidend sind. Das gesamte Spektrum der politischen Vertreter der Finanzelite muss zu Fall gebracht und durch Arbeiterregierungen ersetzt werden, die sich zu einer Wiedervereinigung des europäischen Kontinents auf sozialistischer Grundlage verpflichten. Dies ist der Standpunkt des Internationalen Komitees der Vierten Internationale.

Loading