Gespräche über Regierung der nationalen Einheit ziehen sich ohne Einigung hin

Das politische Establishment Griechenlands war auch gestern nicht in der Lage, die Forderung der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten zu erfüllen, eine neue Regierung zu bilden.

Von dem zurückgetretenen Premierminister und PASOK-Chef Giorgos Papandreou wurde erwartet, dass er den langjährigen Zentralbanker Loukas Papademos zu seinem Nachfolger vorschlägt. Stattdessen zogen sich die Gespräche mit der Oppositionspartei Nea Demokratia noch einen Tag lang hin.

Papademos ist der Wunschkandidat von Berlin, Paris und Washington. Er war früher Gouverneur der Bank von Griechenland und stellvertretender Chef der Europäischen Zentralbank; heute arbeitet er als Akademiker in den Vereinigten Staaten. Seit seinem Ausscheiden aus der EZB im Jahr 2010 ist er Dozent an der Universität Harvard und müsste nach Griechenland zurückkehren, um seinen Posten einzunehmen. Ihm wird zugetraut, die brutalen Sparmaßnahmen gegen die Arbeiterklasse durchzusetzen.

Andere mögliche Nachfolger sind ebenfalls Mitglieder der Finanzoligarchie und stehen besonders den USA sehr nahe.

Nikiforos Diamantouros, der Ombudsmann der Europäischen Union, absolvierte laut biografischen Angaben von Wikipedia seine Ausbildung an der Universität von Indiana und arbeitete als Dozent in New York und Columbia. Als Direktor des Griechischen Instituts für Internationale und Strategische Studien in Athen wurde er von den amerikanischen Stiftungen Ford Foundation und MacArthur Foundation finanziert. Er war außerdem Präsident der Vereinigung für Moderne Griechische Studien in den Vereinigten Staaten, und seit 1990 Co-Präsident der Abteilung für Südeuropa des Social Science Research Council in New York, und hatte noch weitere Posten inne, die von den USA finanziert wurden.

IWF-Direktor Panagiotis Roumeliotis war Chef des Investment- und Managementunternehmens Ecofin und ehemaliger griechischer Wirtschaftsminister.

Stavros Dimas, der auch als potenzieller Kandidat gilt, ist Vizepräsident von Nea Demokratia und hat früher an der Wall Street Karriere gemacht.

Am Montag einigte man sich bereits darauf, Finanzminister Evangelos Venizelos von der PASOK auf seinem Posten zu belassen, um Kontinuität zu gewährleisten. Auch er ist ein Liebling der Finanzmärkte, da er früheren Sparpaketen zustimmte und Papandreous Rücktritt forderte.

Das größte Hindernis bei der Bildung einer neuen Regierung war nicht die sozialdemokratische PASOK, sondern die konservative Nea Demokratia. Parteichef Antonis Samaras wollte Neuwahlen und war der Meinung, dass im Moment die gemeinsame Verantwortung für Kürzungen unvorteilhaft für ihn sei und die Partei daran hindere, von der Anti-PASOK-Stimmung zu profitieren.

Obwohl er gezwungen war, eine nationale Regierung als notwendig zu akzeptieren, eskalierten die Spannungen nochmals, als sich die europäischen Finanzminister weigerten, die nächste Kredittranche in Höhe von acht Milliarden Euro auszuzahlen, bis sich PASOK und Nea Demokratia schriftlich dazu verpflichtet haben, die Bedingungen zu akzeptieren, die Griechenland von der „Troika“ aus EU, EZB und dem Internationalen Währungsfonds auferlegt wurden.

Die EU bestand darauf, dass diese Erklärung von der PASOK, von Samaras, dem neuen Premierminister, dem Finanzminister und dem Chef der Zentralbank unterschrieben werden müsse.

Olli Rehn, der EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung, nannte Papandreous Vorschlag, ein Referendum über die Hilfe für sein Land durchzuführen, einen „Vertrauensbruch.“ „Wir müssen jetzt den Gesellschaftsvertrag zwischen Griechenland und dem Euroraum reparieren, und es sollte in schriftlicher Form erfolgen“, sagte er.

„Es ist in der Tat wichtig, dass die neue Regierung schriftlich erklärt, alle Entscheidungen, die die siebzehn Staaten der Eurozone am 27. Oktober getroffen haben, ausdrücklich und unmissverständlich zu unterstützen“, betonte er. „Athen sollte wissen, dass Solidarität eine zweiseitige Angelegenheit ist, und dass wir eine vereinte politische Klasse erwarten, die ihren Teil dazu beiträgt.“

Das bedeutet, Samaras muss sich offen hinter die Bedingungen stellen, an die das 130 Milliarden Euro schwere Rettungspaket geknüpft ist, und die Sparmaßnahmen gut heißen.

„Es gibt eine nationale Würde“, beklagte sich Samaras in einer Stellungnahme. „Ich habe lang und oft erklärt, warum die Umsetzung [des Abkommens] zum Schutz der griechischen Wirtschaft und des Euro ‚unvermeidbar‘ geworden ist.“

Ein offizieller Sprecher erklärte seine Befürchtungen: „Samaras steht vor Spaltungen in der Partei, weil viele führende Parteimitglieder der Meinung sind, dass er zu sehr nachgibt… Deshalb lehnen einige ab, sich an der neuen Regierung zu beteiligen.“

Parteisprecher Yiannis Michelakis erklärte: „Nur weil Europa das Vertrauen in die [PASOK] Regierung verloren hat, kann es nicht unsere nationale Würde verletzen.“

Papademos forderte überraschend, dass die neue Regierung länger an der Macht bleiben müsse als PASOK und Nea Demokratia das wollten. Beide Parteien haben sich vorläufig auf Wahlen am 19. Februar geeinigt.

Der ehemalige Banker will mehr Unabhängigkeit von den beiden dominierenden Parteien und forderte ein Kabinett, das genug Einfluss hat, um unabhängig von PASOK und Nea Demokratia Entscheidungen zu treffen, d.h. eine Regierung, die nur ihren Geldgebern aus der Troika verantwortlich ist. Nea Demokratia zögerte wieder, führende Personen aus ihrer Partei zu benennen, wodurch der Eindruck entsteht, dass die wahre Macht außerhalb des Kabinetts liegt.

Was bei diesem Ringen herauskommt, ist noch unklar. Aber noch bevor es beendet ist, wurde Griechenland von den wachsenden wirtschaftlichen und politischen Problemen in Italien, der achtgrößten Wirtschaftsmacht der Welt, aus dem Rampenlicht gedrängt.

Jeremy Warner, stellvertretender Herausgeber des Daily Telegraph, bemerkte zynisch: „Die Schuldenkrise der Eurozone fiel heute morgen wieder in ihr bekanntes Muster zurück: Kaum ist ein Feuer wenigstens im Moment gelöscht - durch die Meldungen, dass es in Griechenland zu einer Regierung der nationalen Einheit kommt -, fängt ein anderes an zu brennen. Leider ist dieses – Italien – zu groß, um es so einfach zu löschen.“

Reuters äußerte sich ähnlich offen: „Italien hat Griechenland als Epizentrum der Schuldenkrise der Eurozone abgelöst. Seine Staatsanleihen sind fast wertlos geworden und die drittgrößte Wirtschaftsmacht der Eurozone benötigt möglicherweise eine Rettungsaktion, die sich Europa nicht leisten kann.“

Die New York Times berichtete, dass die Weltmärkte besorgt seien, und kommentierte, in Griechenland und Italien müsse sich nicht nur die Wirtschaft bewähren, „sondern auch die Demokratie muss beweisen, dass sie äußerst unpopuläre Entscheidungen fällen kann.“

Solche Aussagen sind dreist und zynisch. Keines der beiden Länder hat eine wirklich demokratische Regierung – die eine ist nicht einmal gewählt, die andere ist von dem Milliardär Berlusconi gekauft und finanziert. Diese Regierungen dienen der Finanzelite – vollkommen gegen den Willen der Bevölkerung und zum Schaden für die Lebensbedingungen von Millionen Menschen.

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