Griechenland: Schwierige Verhandlungen um Regierung der nationalen Einheit

Nach drei Tagen intensiver Verhandlungen hatte Griechenland immer noch keine funktionierende Regierung.

Am Mittwoch ging ein Treffen der Parteiführer mit Präsident Karolos Papoulias im letzten Moment ergebnislos zu Ende. Ein weiteres Treffen zur Bildung einer Regierung der nationalen Einheit wurde für Donnerstag, zehn Uhr, angekündigt.

Lange herrschte völlige Uneinigkeit darüber, wer der neue Ministerpräsident werden solle, oder wer dem neuen Kabinett angehören werde.

Antonis Samaras, der Führer der oppositionellen Nea Demokratia, erklärte schließlich öffentlich, er habe keine Einwände gegen Lukas Papademos, einen ehemaligen Vizepräsidenten der Europäischen Zentralbank, der als Favorit für die Nachfolge des scheidenden Giorgos Papandreou von der PASOK galt.

Verwirrung und Unsicherheiten begleiteten den gesamten Vorgang. Fristen kamen und gingen, bis der scheidende Ministerpräsident Papandreou doch noch im Fernsehen eine Rede an das Volk richtete, ehe er sich zum Präsidenten begab, um seinen Rücktritt einzureichen.

Papandreou belehrte die griechische Bevölkerung über die Notwendigkeit, Einheit zu bewahren und den brutalen Sparmaßnahmen zuzustimmen, die die Troika aus Europäischer Union, IWF und Europäischer Zentralbank als Gegenleistung für einen 130 Milliarden Euro Bailout der Banken verlangt. Aber er benannte keinen Nachfolger.

Seine einzige Botschaft klang eher wie eine Drohung. Er versprach, es werde „alles getan, was notwendig ist, den Euro zu behalten und die Vorteile der Vereinbarung vom 26.-27. Oktober [des EU-Bailouts] nicht zu verspielen”. Bei seinem Gang zum Präsidenten begleitete ihn Samaras.

Papandreou lag zuletzt mit der Europäischen Union im Streit über die Forderung der Finanzminister. Sie verlangen von ihm und den Vertretern der neuen Regierung, dass sie eine schriftliche Verpflichtung unterschreiben, die Sparmaßnahmen durchzusetzen, ohne die die nächste acht Milliarden Euro-Tranche bis Mitte Dezember nicht ausbezahlt werde. Ohne das Geld wäre die Regierung zahlungsunfähig.

Die Verhandlungen vom Mittwoch brachen völlig zusammen, als Giorgos Karatzaferis aus dem Verhandlungsraum mit Papoulias stürmte. Karatzaferis ist der Führer der kleinsten Partei bei den Gesprächen, der nationalkonservativen Orthodoxen Volksversammlung (LAOS).

Die Krise der europäischen Bourgeoisie verschlimmert sich derweil dramatisch.

Den ganzen Mittwoch über ging es dem Euro und den europäischen Börsen schlecht. Die Bankenwerte fielen um mehr als fünf Prozent. Am meisten litt Italien. Seine zehnjährigen Staatsanleihen mussten schließlich mit 7,4 Prozent verzinst werden.

Die Forderungen nach einem sofortigen Rücktritt des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi werden immer drängender. An seine Stelle soll eine Technokratenregierung treten, die Kürzungen in einem Ausmaß durchsetzen soll, vor dem Berlusconi immer zurückgeschreckt ist. Es wird bereits befürchtet, dass die EU bald ein Rettungsprogramm für Rom in Höhe von möglicherweise 1,4 Billionen Euro auflegen müsse.

Diese Summe, die die gegenwärtigen Möglichkeiten des Eurorettungsfonds EFSF bei weitem übersteigt, würde nichts für Griechenland mehr übrig lassen. Die Probleme der EU, eine entsprechende Regierung in Griechenland einzusetzen, sind ein gefährliches Signal an die globalen Finanzmärkte, die darauf zwangsläufig mit noch schärferen Angriffen reagieren. Auch China beobachtet es mit Missfallen. Von China hat die europäische Bourgeoisie vergeblich erwartet, dass es sich an der Finanzierung seiner Maßnahmen gegen die Staatsverschuldung beteilige.

Kanzlerin Angela Merkel erklärte am Mittwoch, den nationalen Regierungen bleibe nichts anderes mehr übrig, als den Forderungen globaler Finanzoligarchen nachzukommen (und natürlich den besonderen Ansprüchen des deutschen Imperialismus, als Europas führender Wirtschaftsmacht).

Merkel äußerte sich auch zu Papandreous Plan vom 31. Oktober (den er inzwischen wieder aufgegeben hat), ein Referendum über die Bedingungen des Griechenland-Bailouts der EU abzuhalten. Sie sagte, der EU-Gipfel sei zum Ergebnis gekommen, dass es „keine Innenpolitik mehr gibt. Innenpolitik findet in der Währungsunion statt. Griechenland kann nicht mehr für sich alleine entscheiden, ob es ein Referendum durchführen will oder nicht“.

Europa müsse nun einen “Durchbruch” machen, sagte sie. Die Lage sei „derart ungemütlich“, dass ein grundlegender Wandel notwendig sei, bis hin zu einer „Änderung der EU-Verträge“, damit die Haushalte der Mitgliedsländer besser kontrolliert werden könnten.

Die Ereignisse in Griechenland sind für Arbeiter in aller Welt alarmierend. De facto übt die Finanzoligarchie schon seit langem eine Diktatur über das wirtschaftliche und politische Leben aus, indem sie die großen Parteien und die Medien kontrolliert. Das reicht ihr jetzt nicht mehr.

Die Angriffe, die jetzt gegen Millionen Arbeiter durchgesetzt werden – Lohnsenkungen von dreißig, vierzig, fünfzig Prozent, Massenarbeitslosigkeit, Zerstörung der Bildung, der Gesundheitsversorgung und anderer wichtiger Errungenschaften – sind derart verheerend, das demokratische Regierungsformen einer offenen Diktatur Platz machen. Das nimmt im Moment die Form von nicht gewählten Regierungen der „nationalen Einheit“ an, die von Bankern und anderen „Technokraten“ beherrscht werden. Aber das ist nur der Anfang.

Larry Elliot vom Guardian schrieb am Mittwoch in einem scharfsinnigen Kommentar: „Die wirklichen Entscheidungen werden in Europa jetzt von der Frankfurter Gruppe getroffen, einer nicht gewählten Kabale, die aus acht Personen besteht: [IWF-Chefin Christine] Lagarde, Merkel, Nicolas Sarkozy, dem neuen EZB-Präsidenten Mario Draghi, dem Präsidenten der EU-Kommission Manuel Barroso, dem Eurogruppen-Vorsitzenden Jean Claude Juncker, dem Europaratspräsidenten Herman van Rompoy und dem EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn. (…) Für diese Gruppe ist wichtig, was die Finanzmärkte denken, nicht was die Wähler wollen.“

Dann warf er die Frage aller Fragen auf: Wie wird die Arbeiterklasse auf die Tatsache reagieren, dass sie nichts mehr über die Art und Weise zu sagen hat, wie sie regiert wird, und dass sie auch über das Parlament keinen Einfluss mehr auf eine Diktatur der Elite hat, die entschlossen ist, Millionen in die Armut zu treiben.

“Unter diesen Umständen ist es keine Überraschung, dass das Wahlvolk zu Generalstreiks und Straßenprotesten greift, um sich bemerkbar zu machen. Regierungen kommen und gehen, aber an der Politik ändert sich nichts, wodurch ein schreiendes demokratisches Defizit entsteht. (…) Die Erzwingung immer schärferer Sparpolitik treibt die schwächeren europäischen Länder in eine ökonomische Abwärtsspirale, während über die Köpfe der Wähler hinweggegangen wird. Das ist ein gefährliches Gebräu.“

Das politische und Medienestablishment fürchtet, dass die herrschende Klasse den offenen Ausbruch eines Klassenkampfs provoziert, den die Gewerkschaftsbürokratie und ihre pseudo-linken Anhängsel beim besten Willen nicht mehr kontrollieren können.

Die Krise des Kapitalismus stellt die Arbeiterklasse vor Fragen auf Leben und Tod und konfrontiert sie mit der Notwendigkeit, den politischen Kampf aufzunehmen. Arbeiter und Jugendliche müssen sich das Ziel setzen, die Herrschaft der Finanzelite zu beenden und eine Arbeiterregierung aufzubauen, die für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa kämpft.

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