Perspektive

Nato erklärt Libyenkrieg offiziell für beendet

Seit Mitternacht am Montag gilt der räuberische Krieg der Nato gegen Libyen, der sieben Monate gedauert hat, offiziell als beendet. Die Nato hat ihr Ziel, einen Regimewechsel herbeizuführen, erreicht, und das Land und seine riesigen Energieressourcen stehen, wie die imperialistischen Nato-Mitglieder hoffen, den westlichen Ölkonzernen zur Ausbeutung offen.

Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Mustafa Abdul Jalil, dem Vorsitzenden des von der Nato unterstützten Nationalen Übergangsrates (TNC) nannte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen den Krieg ein „erfolgreiches Kapitel in der Geschichte der Nato“ und behauptete, er habe „ein neues Libyen geschaffen, auf der Grundlage von Freiheit, Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit.“

Das „freie Libyen“ liegt in Trümmern. Ein Großteil der Infrastruktur des Landes wurde zerstört und ganze Städte wurden entvölkert. Ein Beispiel dafür ist die Stadt Sirte, die Opfer einer barbarischen Belagerung durch die Nato wurde, die erst vor einer Woche zu Ende ging.

Der Krieg begann im März dieses Jahres. Grundlage war die Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrates, die auf dem Vorwand beruhte, sie sei nötig, um eine Flugverbotszone und andere Maßnahmen durchzusetzen, um das Gaddafi-Regime daran zu hindern, Zivilisten zu unterdrücken.

Damals behaupteten die USA und die westeuropäischen Mächte, diese Befugnis sei nötig, um ein Massaker an Tausenden von Einwohnern der ostlibyschen Stadt Bengasi, dem Zentrum des Widerstands gegen Gaddafi, zu verhindern. Die Medien und eine ganze Schicht von Menschenrechtsorganisationen, liberalen Akademikern und pseudolinken Gruppen übernahmen diese Behauptungen.

Es gibt keine Beweise dafür, dass ein Massaker geplant war. Aber die Intervention, deren angebliches Ziel es war, Menschenleben zu retten, hat zu einem größeren Blutvergießen geführt als die Befürworter einer „humanitären“ militärischen Intervention es in ihren schlimmsten Vorhersagen erwartet haben.

Sie alle haben jetzt Blut an den Händen, von akademischen Schurken wie Professor Juan Cole von der Universität Michigan, der sich bereit erklärte, der Nato zu dienen, bis hin zu pseudolinken Gruppen wie der französischen Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA) in Frankreich, die versuchten, die imperialistische Intervention als „revolutionären Prozess“ darzustellen. Der Libyenkrieg hat gezeigt, dass eine ganze Schicht von Ex-Linken und sogenannten Liberalen zu einer wichtigen Anhängerschaft des Imperialismus geworden sind und bereitwillig den Massenmord im Interesse ihrer eigenen herrschenden Elite verteidigt und feiert.

Laut Schätzungen der Nato und des TNC sind in dem achtmonatigen Krieg zwischen 30.000 und 50.000 Menschen gestorben, vermutlich 50.000 weitere wurden verwundet. Viele dieser Toten und Verwundeten sind Opfer des unablässigen Luftkrieges der Nato. Im Verlauf des Krieges flog die Nato etwa 26.000 Kampfeinsätze, dabei wurden ganze Gebäude zerstört und ihre Bewohner unter den Trümmern begraben.

Andere kamen bei den erbitterten Kämpfen zwischen den „Rebellen“ - die von der Nato unterstützt und von Frankreich, Großbritannien, den USA und Katar ausgerüstet, ausgebildet und von Spezialeinheiten und Geheimdiensten aus diesen Ländern angeführt werden – und Gaddafis Truppen ums Leben. Wieder andere wurden als Rache für Streitigkeiten zwischen Stämmen getötet. Allein in Sirte wurden letzte Woche hunderte von Leichen entdeckt, sie wurden entweder in Massengräber geworfen oder zum Verwesen im Freien liegen gelassen. Vielen waren die Hände hinter dem Rücken gefesselt und hatten Einschusslöcher im Kopf. In Sirte haben sich die Vorhersagen der westlichen Mächte, es drohe ein Massaker, bestätigt, aber es wurde von der Nato und ihren Handlangern verübt.

Während Rasmussen die Vorzüge des „freien Libyens“ auf Grundlage von „Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit“ lobte, veröffentlichte Human Rights Watch einen erschreckend detaillierten Bericht über die rassistischen Massenpogrome gegen schwarze Libyer und Gastarbeiter aus anderen afrikanischen Staaten.

Der Bericht konzentriert sich auf das Schicksal der Bevölkerung von Tawergha, einer hauptsächlich von Schwarzen bewohnten Stadt mit 30.000 Einwohnern südlich von Misrata. Ihre Bewohner wurden zum Opfer einer ethnischen Säuberung, viele von ihnen wurden ermordet, verhaftet und von den „Rebellen“-Milizen gefoltert, weil sie angeblich auf Gaddafis Seite waren. Tawergha wurde entvölkert, die Gebäude der Stadt zerstört, in Brand gesteckt und geplündert und ihre Bewohner werden weiterhin überall verfolgt, wo sie hingehen.

Der Bericht beschreibt das grausame Schicksal einiger Bewohner, die mit Peitschen, Knüppeln, Elektroschocks und anderen Folterwerkzeugen zu Tode gequält wurden.

Ein Überlebender beschreibt, was mit ihm geschah: „Sie sagten mir, ich solle gestehen, dass ich fünf Menschen vergewaltigt habe. Ich weiß nicht, warum ausgerechnet fünf. Sie hingen mich auf, mit einer Stange zwischen Beinen und Armen. Sie schlugen mich mit einer Reitpeitsche und befahlen mir, zu gestehen… Das dauerte fünf Stunden. Sie schlugen mir mit der Peitsche auf die Füße, Beine und Hände. Da waren viele verschiedene Leute in Zivilkleidung. Sie wechselten sich ab. Der Ermittler gab die Befehle. Nachdem ich verprügelt wurde, verlor ich für fünf Minuten das Bewusstsein. Als ich aufwachte, standen sie über mir. Sie spuckten mich an und beschimpften mich und sagten: ‚Wir schicken dich zurück nach Afrika.“‘

Laut Human Rights Watch bestätigen die Narben, die der Mann am ganzen Körper hat, den Wahrheitsgehalt seiner Beschreibung.

Andere Flüchtlinge aus Tawergha erzählten, wie sie von Milizionären dort aufgespürt wurden, wohin sie geflohen waren und als „Sklaven“ und „Affen“ beschimpft wurden.

Niemand weiß sicher, wie viele auf diese Weise getötet wurden, oder wie viele Tausende noch in improvisierten Gefangenenlagern der Folter der „Rebellen“ ausgeliefert sind.

Sicher ist aber, dass der grausame Lynchmord am ehemaligen Staatschef Muammar Gaddafi, aufgrund dessen die Nato ihre Mission als „erfüllt“ proklamierte, kein isolierter Vorfall war. Die brutale Misshandlung und Folter Gaddafis – bei der ihm, wie Handyvideos zeigen, unter anderem ein Messer in den Anus gesteckt wurde - und seine kaltblütige Hinrichtung sind beispielhaft für die brutalen Methoden, mit denen die „Rebellen“ gegen Tausende von Libyern vorgehen.

Ein Regime, das mit solchen Mitteln die Macht ergreift, kann nur mit weiterer Gewalt und Unterdrückung herrschen. Rasmussens Gerede über „Freiheit“ und „Menschenrechte“ wird zur Farce verkommen. Dieses Regime, das von übergelaufenen Gaddafi-Ministern und langjährigen Mitarbeitern westlicher Geheimdienste dominiert wird, hat von seinen Herren, den USA und der Nato die Aufgabe erteilt bekommen, die Zeit um 42 Jahre zurückzudrehen, in die Zeit von König Idris, als die USA, das britische Militär, und die Ölkonzerne das Land fest im Griff hatten.

Zwar hat die Nato ihre Intervention für beendet erklärt, aber die Ausbeutung Libyens durch die westlichen Großmächte hat gerade erst begonnen. Der oberste Militärkommandant von Katar berichtete letzte Woche, dass die Kräfte bereits an der Bildung eines „neuen Bündnisses zur weiteren Unterstützung Libyens“ arbeiten.

Eine wichtige Rolle der Nato bei der Intervention in Libyen war es, die Interessenkonflikte zwischen den rivalisierenden imperialistischen Mächten – den USA, Frankreich, Großbritannien und Italien – auszugleichen. Sie alle waren entschlossen, sich den größtmöglichen Anteil am Ölreichtum des Landes auf Kosten der beiden Mächte zu sichern, die sie aus Nordafrika aussperren wollen: China und Russland. Es bleibt abzuwarten, ob das neue Bündnis, das der katarische General angekündigt hat, diese Spannungen kontrollieren kann, die durch den Wettlauf um Libyens Rohstoffe entstehen.

Eines ist sicher. Die Nato-Intervention in Libyen, deren Ziel ein Regimewechsel war, hat eine neue Ära imperialistischer Plünderungszüge eingeläutet, die von der tiefen Krise des Weltkapitalismus angetrieben wird und die Weichen für neue und noch tödlichere Konflikte stellt.

Der Kampf gegen die immense und wachsende Bedrohung durch imperialistischen Krieg kann nur auf der Grundlage der unabhängigen politischen Mobilisierung der Arbeiterklasse im weltweiten Rahmen für die sozialistische Umwandlung der Gesellschaft geführt werden.

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