Der Imperialismus und die Prozesse gegen die Roten Khmer

Die Prozesse gegen die ehemaligen Anführer des Regimes der Roten Khmer, die zurzeit in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh stattfinden, sind geprägt von einer historischen Geschichtsfälschung.

Dreißig Jahre nach der Terrorherrschaft der Roten Khmer von 1975-79 sollen die von den UN inszenierten Verfahren die wahren Verantwortlichen für die Katastrophe im Kambodscha reinwaschen – vor allem den US-Imperialismus. Washington hat Kambodscha während des Vietnamkriegs, der drei Millionen Vietnamesen das Leben gekostet hat, verwüstet.

Vier ehemalige Anführer der Roten Khmer stehen in Phnom Penh vor Gericht. Ihnen werden Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Da der oberste Anführer, Pol Pot, 1998 verstorben ist, versucht die Anklage, diese vier zu den alleinigen Schuldigen für eines der schrecklichsten Kapitel des 20. Jahrhunderts zu machen.

Im ersten Teil des Verfahrens wird den Angeklagten vorgeworfen, die Stadtbevölkerung zwangsweise aufs Land umgesiedelt zu haben. Hierbei wurden etwa eine Million Kambodschaner hingerichtet, während noch einmal so viele an Hunger, Krankheiten und Überarbeitung starben.

Bis heute wird Pol Pots Regime in den Massenmedien immer wieder als „kommunistisch“ bezeichnet. Das ist eine groteske Falschdarstellung. Die Roten Khmer waren das Produkt der Unterdrückung von Leo Trotzkis Linker Opposition in den späten 1920er Jahren und der stalinistischen Entartung der Sowjetunion. Pol Pot und seine Anhänger kamen aus der Revolutionären Volkspartei der Khmer, die Stalins reaktionäres nationalistisches Programm des „Sozialismus in einem Land“ vertrat.

Da sie unter der nachkolonialen Regierung von Prinz Norodom Sihanouk von der Polizei verfolgt wurden, flohen die Parteiführer 1963 aufs Land. Dort wandten sie sich an rückständige Schichten der Bauernschaft und übernahmen die Perspektive einer primitiven Gesellschaft unter der Herrschaft der Landbevölkerung. Geld, Kultur und andere Aspekte des städtischen Lebens sollten abgeschafft werden.

Diese Bewegung konnte 1975 nur an die Macht kommen, weil das US-Militär seit den späten 1960ern im Rahmen des Vietnamkrieges einen barbarischen Feldzug gegen das kambodschanische Volk führte. Zwischen 1969 und 1973 warfen US-Flugzeuge etwa 532.000 Tonnen Bomben auf Kambodscha ab – mehr als dreimal so viel wie auf Japan während des Zweiten Weltkriegs.

US-Präsident Richard Nixon und sein nationaler Sicherheitsberater Henry Kissinger ordneten ohne Zustimmung des Kongresses das schwerste Flächenbombardement der Weltgeschichte an. Es forderte schätzungsweise 600.000 Tote.

Im Jahr 1970 organisierten das Weiße Haus und die CIA einen Putsch gegen Prinz Sihanouk. Er hatte versucht, neutral zu bleiben und zwischen Washington und Hanoi zu manövrieren. Durch diesen Putsch kam General Lon Nol an die Macht und errichtete eine Militärdiktatur. Einen Monat später kündigte Nixon den Einmarsch von 20.000 amerikanischen und vietnamesischen Soldaten in Kambodscha an.

Die Gesellschaft Kambodschas brach unter den Bombenangriffen und dem brutalen Bürgerkrieg, der von Lon Nols Junta entfesselt wurde, zusammen. Von einer Bevölkerung von sieben Millionen wurden zwei Millionen obdachlos, die Reisproduktion fiel um mehr als 80 Prozent und die Wirtschaft brach ein.

Unter diesen Bedingungen wuchsen Pol Pots Truppen von weniger als fünftausend Mann im Jahr 1970 zu einem Heer von siebzigtausend an. Im April 1975 nahmen sie Phnom Penh ein, kurz nach dem Zusammenbruch von Lon Nols Marionettenregime und kurz vor der endgültigen Niederlage der US-gestützten Diktatur in Südvietnam.

Das Land lag in Trümmern und die Roten Khmer waren nicht gewillt, Nahrung an die Städte abzugeben. Deshalb ordneten sie an, die gesamte Stadtbevölkerung aufs Land zu evakuieren, wo sie praktisch Sklavenarbeit leisten musste. Das arbeiterfeindliche Regime hatte mehr mit Faschismus gemein als mit Sozialismus.

Während sich der Terror auf den „Killing Fields“ entfaltete, unterstützte Washington die Roten Khmer, um den Einfluss Vietnams einzudämmen. Im Dezember 1978 führten Übergriffe auf Vietnamesen in Kambodscha zu einer Invasion Vietnams. Sie brachte eine Fraktion von Abweichlern der Roten Khmer unter Führung von Hun Sen an die Macht. Hun Sen ist noch heute Premierminister von Kambodscha.

Als Reaktion auf die Invasion unterstützte US-Präsident Jimmy Carter einen massiven chinesischen Angriff auf Vietnam und arbeitete mit China zusammen, um Pol Pots Aufständische mit Waffen zu versorgen. Washington betrachtete Pol Pot als wertvollen Verbündeten gegen Vietnam. Carters nationaler Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski gab später zu: „Ich habe die Chinesen dazu gebracht, Pol Pot zu unterstützen… Pol Pot war ein Scheusal. Wir konnten ihn nicht selbst unterstützen, aber China konnte es.“

Während der Achtziger Jahre erkannten die USA, die europäischen Mächte und China die Roten Khmer weiter als rechtmäßige Regierung von Kambodscha an. Bis 1997 blockierten alle US-Regierungen sämtliche Versuche, Pol Pot und seine Mittäter vor Gericht zu stellen.

Washington befürchtete ebenso wie Peking und Hun Sen, dass bei einem Prozess auch die eigene Rolle in der Katastrophe des Landes publik würde. Erst nach jahrelangen Verhandlungen wurde das Tribunal im Jahr 2006 eröffnet, mit der ausdrücklichen Anweisung, sich nur mit den überlebenden Führern der Roten Khmer zu befassen.

Eigentlich sollten alle Verantwortlichen für die schrecklichen Ereignisse der 1970er in Phnom Penh auf der Anklagebank sitzen - auch Kissinger, Carter und Brzezinski. Vor allem aber muss das Schicksal des kambodschanischen Volkes allen Menschen eine Warnung sein, denn es zeigt: Die Großmächte scheuen sich nicht, Millionen von Menschen in blutigen Kriegen zu massakrieren, um ihre strategischen und wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen. Sie scheuen sich nicht einmal, dabei auch noch das Banner von Freiheit und Demokratie hochzuhalten.

Heute sind diese Gefahren aufgrund der weltweiten Wirtschaftskrise und wegen des aggressiven Kurses der Obama-Regierung, der auf eine Konfrontation mit China um die Hegemonie im asiatischen Pazifikraum hinausläuft, größer als je zuvor. Anfang des 21. Jahrhunderts haben sich die historischen Kriegsverbrechen der USA in Vietnam und Kambodscha bereits wiederholt: Der Irak und Afghanistan sind bombardiert und zerstört worden, der Krieg ist nach Pakistan ausgeweitet worden und Libyen ist wegen seines Ölreichtums verwüstet und mit einem Marionettenregime versehen worden.

Während der verbrecherische Charakter der amerikanischen Außenpolitik immer offensichtlicher wird, haben sich die Exradikalen aus der Mittelschicht, die früher gegen den Vietnamkrieg und dessen Ausweitung auf Kambodscha protestiert haben, auf die Seite der Obama-Regierung geschlagen und ihren Frieden mit dem Imperialismus gemacht. Sie unterstützen die Kriege gegen Libyen und Afghanistan und schweigen über die fortgesetzte US-Präsenz im Irak. Auffallender Weise halten sich diese Elemente auch in der Frage der Prozesse gegen die Roten Khmer bedeckt.

Die unauslöschbare Lehre aus der Tragödie Kambodschas ist die Notwendigkeit eines gemeinsamen Kampfes der indochinesischen, asiatischen und internationalen Arbeiterklasse. Sie allein ist die Kraft, die Krieg und kapitalistische Ausbeutung beenden kann. Dies erfordert den Aufbau von Sektionen der trotzkistischen Weltpartei, des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, die als einzige versucht, die monumentalen Verbrechen von Imperialismus und Stalinismus aufzuklären.

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