Manroland: Wie weiter im Kampf um die Arbeitsplätze?

Sieben Wochen sind nun vergangen, seit Manroland Insolvenz angemeldet hat. Während dieser Zeit hat sich die IG Metall strikt geweigert, einen ernsthaften Kampf zur Verteidigung der etwa 6.500 Arbeitsplätze an den drei Standorten Offenbach, Augsburg und Plauen zu organisieren.

Stattdessen arbeiten die IGM-Funktionäre und Betriebsräte aufs engste mit der Unternehmensleitung und dem Insolvenzverwalter zusammen und bereiten an allen drei Standorten Massenentlassungen und die schrittweise Werksschließung vor. Die Protestdemonstrationen Anfang Dezember, die späteren Mini-Proteste (wie das Aufsteigenlassen einiger hundert roter Luftballons in der Offenbacher Innenstadt) und die paar kurzfristigen, symbolischen Streikfeuer an den Werkstoren sollten von dieser engen Partnerschaft zwischen IG Metall, Geschäftsleitung und Insolvenzverwalter ablenken.

Nun hat die IG Metall – auf Druck der Allianz – auch noch die geplante gemeinsame Demonstration in München abgesagt, und zwar am selben Tag, an dem der Insolvenzverwalter bekannt gab, dass an allen Standorten mit massivem Arbeitsplatzabbau gerechnet werden müsse. Deutlicher könnte die Weigerung der Gewerkschaft und ihrer Betriebsräte, die bedrohten Arbeitsplätze zu verteidigen, kaum ausfallen.

Es wäre aber falsch, aus dieser Rolle der IG Metall und der Betriebsräte die Schlussfolgerung zu ziehen, ein Kampf gegen den angekündigten Personalabbau und die geplanten Werksschließungen sei unmöglich. Nicht der Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze ist gescheitert, sondern die Illusion ist geplatzt, dass ein solcher Kampf von der IG Metall oder im Bündnis mit ihr geführt werden könne.

Es ist jetzt klar, dass die prinzipielle Verteidigung aller Arbeitsplätze an allen Standorten von der Belegschaft selbst in die Hand genommen werden muss. Die Enttäuschung und Wut über die Feigheit und Unterwürfigkeit der Gewerkschaftsbürokraten muss in Nachdenken und Kampfkraft umgewandelt werden. Das setzt voraus, dass man der betrieblichen und gesellschaftlichen Realität unerschrocken ins Auge blickt.

Die Behauptung der IG Metall, die Manroland-Insolvenz sei das Ergebnis einer spezifischen Strukturkrise der Druckindustrie, ist falsch. Anders als vor Jahren, als die Schreibmaschinen von Computern, der Bleisatz vom Fotosatz, der Buchdruck vom Offsetdruck abgelöst wurden, geht es heute nicht nur um die Ablösung einer Technologie durch eine andere. Damals entstanden durch die allgemein wachsende Wirtschaft noch neue Arbeitsplätze in anderen Bereichen. Dies ist in der heutigen Krise nicht mehr der Fall.

Die Insolvenz und der damit verbundene massenhafte Arbeitsplatz- und Sozialabbau stehen in engem Zusammenhang mit der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise. Als die MAN im Januar 2006 die Mehrheit ihres Tochterunternehmens MAN Roland Druckmaschinen AG an den Investor Allianz Capital Partners GmbH (ACP), das Private Equity-Unternehmen der Allianz, verkaufte, wurden die Renditeziele drastisch erhöht.

In enger Zusammenarbeit mit der IG Metall und den Betriebsräten baute die Unternehmensleitung an allen Standorten Sozialleistungen und Arbeitsplätze ab, immer mit der Begründung, nur so könne der jeweilige Standort gesichert werden. Unter dem Diktat von Allianz Capital wurde die Konzernbelegschaft von über 9.000 auf 6.500 reduziert. Im selben Zeitraum wurden die Vorstandgehälter deutlich erhöht. Nach Medieninformationen erhielt Vorstandschef Gerd Finkbeiner bereits 2007 ein Jahresgehalt von 1,2 Millionen Euro.

Bei Manroland fand statt, was gegenwärtig weltweit zu beobachten ist: Eine kleine Finanzoligarchie häuft sagenhafte Reichtümer an, während Löhne und Sozialstandards systematisch gesenkt, Arbeitsplätze vernichtet und die Ausbeutungsrate gesteigert werden. Hedgefonds und Investmentbanken schlachten Betriebe aus und unterwerfen die Industrieproduktion kurzfristigen Profitinteressen. In den USA und Großbritannien ist auf diese Weise bereits ein großer Teil der industriellen Basis zerschlagen worden.

Mit der Verschärfung der internationalen Finanzkrise ist der europäische Kontinent in den Mittelpunkt der kriminellen Machenschaften der Spekulanten gerückt. Sie geben keine Ruhe, bis alle sozialen Zugeständnisse zerschlagen sind, die die herrschende Klasse nach dem Zweiten Weltkrieg und angesichts der Systemkonkurrenz mit der Sowjetunion machen musste. Der europäische Sozialstaat ist ihnen seit langem ein Dorn im Auge. Alles, was davon noch übrig ist – Tariflöhne, gesetzlicher Kündigungsschutz, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, gesetzlicher Mutterschutz, staatliche Renten-, Kranken- und Unfallversicherung –, soll nun endgültig geschliffen werden.

Die Insolvenz von Manroland ist Bestandteil eines umfassenden Angriffs auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der gesamten Arbeiterklasse. In derselben Woche, in der Manroland Insolvenz beantragte, kündigte der größte deutsche Stromkonzern Eon den Abbau von 11.000 seiner weltweit 80.000 Stellen an, davon 6.500 in Deutschland. Fast zeitgleich gab Nokia Siemens Networks, einer der größten Telefonnetzwerklieferanten der Welt, die Reduzierung der Beschäftigtenzahl um 25 Prozent und den Abbau von weltweit 17.000 Arbeitsplätzen bekannt, 3.000 davon in Deutschland. Kurz danach meldete der Hamburger Kosmetikkonzern Beiersdorf die Entlassung von 1.000 seiner weltweit 18.000 Beschäftigen, darunter mehrere Hundert am Unternehmenssitz in Hamburg.

Diese Liste von geplanten Massenentlassungen ist bei weitem nicht vollständig. In vielen Großkonzernen und Verwaltungen, im öffentlichen Dienst und bei Banken, wie der Postbank, liegen bereits fertig ausgearbeitete Pläne über einen massiven Arbeitsplatzabbau in den Schubladen. Doch wie bei Manroland wurde auch dort Stillschweigen vereinbart.

Deshalb muss die prinzipielle Verteidigung aller Arbeitsplätze bei Manroland zum Ausgangspunkt einer breiten Mobilisierung gegen die Profitsucht und Zerstörungswut der kriminellen Finanzaristokratie gemacht werden. Die Betriebe und die gesellschaftliche Produktion insgesamt bilden die Existenzgrundlage von vielen tausend Arbeitern und ihren Familien. Sie dürfen nicht länger den Profitinteressen der Banken und Spekulanten untergeordnet werden.

Das Recht auf Arbeit und einen angemessenen Lohn ist ein elementares Grundrecht. Wenn die Unternehmensführung und ihre Co-Manager in der IG Metall behaupten, der Erhalt der Arbeitsplätze und der Löhne sei unter den gegebenen Bedingungen nicht möglich, dann sagen sie damit nur, dass die kapitalistische Profitwirtschaft nicht mit den Lebensinteressen und den Bedürfnissen der Bevölkerung in Einklang gebracht werden kann.

Deshalb können die Arbeitsplätze nur auf der Grundlage einer politischen Perspektive verteidigt werden, die die Bedürfnisse der Bevölkerung höher stellt als die Profitinteressen der Wirtschaft, das heißt auf der Grundlage einer sozialistischen Perspektive.

Zu diesem Zweck müssen Betriebs- und Aktionskomitees aufgebaut werden, die die Besetzung der von Stilllegung bedrohten Betriebe und die Verteidigung der Produktionsanlagen organisieren. Die Behauptung der Betriebsräte und IGM-Funktionäre, das widerspräche der betrieblichen Friedenspflicht, ist falsch. Mit dem Insolvenzantrag und der Ankündigung, die Produktion nicht weiterzuführen, hat die Unternehmensleitung selbst die Friedenspflicht aufgegeben.

Auch die Behauptung, ein Besetzungsstreik sei unerlaubte Arbeitsverweigerung, ist falsch. Es geht gerade darum, gegen die Stilllegungspläne der Unternehmensleitung die Weiterführung der Produktion durchzusetzen.

Ein mutiger Schritt der Manroland-Beschäftigen gegen die willkürliche Zerschlagen ihres Betriebs und die Verteidigung der Produktionsanlagen, die von Generationen von Arbeitern in über hundert Jahren aufgebaut wurden, würden von vielen Arbeitern in anderen Betrieben begeistert unterstützt. Es wäre ein wichtiger Schlag gegen die Feigheit und Unterwürfigkeit der Gewerkschaften, die ständig versuchen, die Arbeiter auf das Niveau eines Bittstellers und Almosenempfängers zu drücken, während sie sich selbst die Taschen vollstopfen.

Ein gutes Beispiel für die weiterverbreite Korruption im Milieu der Sozialpartner ist Jürgen Kerner. Als Siemenslehrling in Augsburg wurde er IGM-Mitglied und stieg schnell zum freigestellten Betriebsrat auf. Nur zehn Jahre später war er bereits hauptamtlicher IGM-Funktionär. Einige Zeit später war er 1. Bevollmächtigter der IGM in Augsburg. Im vergangenen Sommer wurde er Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands der IG Metall in der Frankfurter Gewerkschaftszentrale und verdient jetzt ein fünfstelliges Monatsgehalt. Darüber hinaus sitzt er in sechs Aufsichtsräten, in vier davon als stellvertretender Vorsitzender, und kassiert dafür umfangreiche Tantiemen.

Leute wie Kerner, der gegenwärtig den Insolvenzanwalt Werner Schneider berät und den Arbeitern Verzicht predigt, haben jedes Recht verloren, im Namen der Belegschaft zu sprechen oder Vereinbarungen zu unterschreiben.

Ein entschlossener Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze und ein Besetzungsstreik würden die  Verhältnisse im Betrieb schlagartig ändern und die Arbeiter in die Offensive bringen. Nichts könnte dann entschieden werden, ohne dass die Belegschaft vorher darüber diskutiert und abstimmt.  

Die WSWS-Redaktion und die Partei für Soziale Gleichheit (PSG) rufen jeden auf, mit der Redaktion Kontakt auf zu nehmen, der bereit ist, über diese Fragen zu diskutieren und einen prinzipiellen Kampf zur Verteidigung aller Arbeitsplätze zu unterstützen.

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