Griechische Parteien verhandeln, Banken verlangen starke Lohn- und Sozialkürzungen

Gespräche zwischen den Parteichefs der drei Parteien, die in Griechenland eine Koalitionsregierung bilden, wurden gestern ohne Einigung abgebrochen. Premierminister Lukas Papademos versuchte, die tiefen Einschnitte in die Sozialausgaben durchzusetzen, die von den europäischen Finanzbehörden gefordert werden.

Das Treffen fand unter starkem Druck der „Troika“ statt – des Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Kommission und der Europäischen Zentralbank. Diese fordert, dass Griechenland neue Angriffe auf die Arbeiterklasse ausführt. Vertreter der EU weigerten sich, 89 Milliarden Euro des vereinbarten Rettungspaketes in Höhe von 130 Milliarden Euro zu zahlen. Griechenland braucht die ersten Zahlungen von nur 30 Milliarden Euro, um nicht durch eine Schuldforderung in Höhe von 14 Milliarden Euro, die am 20. März fällig wird, bankrott zu gehen.

Antonis Samaras von der rechten Nea Dimokratia (ND, Neue Demokratie), Georgios Karatzaferis von der faschistischen LAOS-Partei und Ex-Premierminister Georgios Papandreou von der sozialdemokratischen PASOK trafen um fünf Uhr nachmittags in der Villa Maximos, dem offiziellen Amtsitz des griechischen Ministerpräsidenten, ein. Die Gespräche zogen sich bis zum Abend hin. Papademos unterbrach das Treffen kurz, um den luxemburgischen Premierminister Jean-Claude Juncker anzurufen, und für heute ein Treffen der EU-Finanzminister anzusetzen.

Die Finanzmedien berichteten anfangs, der Anruf sei ein Zeichen für eine mögliche Übereinkunft, allerdings stellte sich schnell heraus, dass aufgrund des Widerstandes von ND und LAOS keine Einigung erzielt wurde.

Abgesehen von Haushaltskürzungen in Höhe von 3,2 Milliarden Euro für 2012 wird unter anderem gefordert: Eine 20-prozentige Kürzung des monatlichen Mindestlohns von 750 Euro; Kürzungen in Höhe von 15 bis 35 Prozent bei den „Ergänzungsrenten“, mit denen Griechen ihre Grundrente aufbessern können, die von sinkenden Steuereinnahmen  betroffen wären, sowie den Abbau von 15.000 Stellen im öffentlichen Dienst.

Zu der Vereinbarung gehört auch das Versprechen der griechischen Regierung, nicht mit der Begleichung ihrer Schulden bei den Banken in Verzug zu geraten, sekbst wenn internationale Finanzbehörden ihre Vereinbarungen mit Athen annullieren. Solche Vorschläge nehmen Griechenland seine Souveränität und degradieren es zu kolonialer Abhängigkeit von der Europäischen Union.

Karatzaferis gab ein Interview, als er das Treffen verließ. Darin sagte er, die Diskussion habe sich hauptsächlich um die Frage der Ergänzungsrenten gedreht, die vermutlich um 15 Prozent gekürzt werden. Er sagte: „Ich habe meine Position von Anfang an klargemacht. Ich wollte in dieser Frage Samaras unterstützen.“

Das Scheitern der ersten Gespräche wird zu weiteren Forderungen der Finanzmärkte und der europäischen Behörden nach Kürzungen führen, während die griechische Bourgeoisie sich darüber entzweit, wie die  Last der Wirtschaftskrise auf die griechische Bevölkerung abgewälzt werden soll. Die Gespräche scheiterten vor dem Hintergrund wachsender Anzeichen des Widerstands aus der Bevölkerung, darunter auch eines eintägigen landesweiten Streiks am Dienstag und des Zusammenbruchs der traditionellen Regierungsparteien.

Laut einer Umfrage des Senders Kathemerini-Skai ist die Unterstützung für PASOK, der führenden Partei in der Koalitionsregierung, auf nur acht Prozent gesunken. ND lag jedoch auch nur bei 31 Prozent, da von dem Zusammenbruch von PASOK vor allem kleinbürgerliche „linke“ Parteien profitierten.

Die stalinistische Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) erzielte 12,5 Prozent und SYRIZA 12 Prozent. Die neugegründete Demokratische Linke, die aus der Erneuerungs-Fraktion hervorging, die sich im Jahr 2010 von SYRIZA abspaltete, kam auf 18 Prozent. Das bedeutet, der Gesamtstimmenanteil dieser Parteien läge bei etwa 43 Prozent.

Offenber profitieren diese Organisationen zu Unrecht von der erbitterten Wut der griechischen Bevölkerung, die eine Alternative zu PASOK und ihren Sozialkürzungen sucht. Die Arbeiterklasse wird jedoch weder in der Demokratischen Linken, der KKE oder SYRIZA eine Alternative finden. Diese Parteien unterstützten jahrelang Papandreou und seine Verhandlungen mit der griechischen Gewerkschaftsbürokratie, deren Ziel es war, den Widerstand der Arbeiterklasse gegen die Kürzungen abzuwürgen.

Wie die ganze herrschende Elite Griechenlands werden sie verschreckt auf die Möglichkeit reagieren, dass die Arbeiterklasse durch einen Umschwung der öffentlichen Meinung in den Kampf gegen die Regierung getrieben werden könnte, den die Gewerkschaftsbürokratie nicht mehr kontrollieren kann.

Allerdings wurden die objektiven Bedingungen für eine solche Revolte inden letzten drei Jahren vorbereitet, in denen PASOK zusammen mit den Gewerkschaften die Führungsrolle bei der Durchsetzung der von den Banken geforderten Kürzungen spielte, die die griechische Arbeiterklasse in die Armut gestürzt haben.

Die Arbeitslosigkeit ist von 6,6 Prozent im Mai 2008 auf 18,8 Prozent im letzten Monat gestiegen. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt jetzt bei über vierzig Prozent. Im öffentlichen Dienst kam es zu Gehaltskürzungen von vierzig Prozent, während die Mehrwertsteuer auf 23 Prozent gestiegen ist.

Die gesellschaftlichen Verhältnisse in Griechenland verschlechtern sich auf schreckliche Weise. Die Zahl der Obdachlosen, die sich auf die beiden größten Städte Athen und Saloniki konzentriert, ist seit dem Ausbruch der Krise um mindestens 25 Prozent gestiegen. Es wird geschätzt, dass fast die Hälfte der griechischen Hausbesitzer nicht in der Lage sein wird, die neuen, erhöhten Grundsteuern für ihre Häuser zu zahlen. Immer mehr Menschen können sich Strom und andere Grundversorgungen nicht mehr leisten.

Die Auswirkungen aufs Gesundheitswesen waren besonders heftig. Die Zahl der Krankenhauseinweisungen stieg um 25 Prozent, allerdings wurden die Budgets der Krankenhäuser um 40 Prozent gesenkt. Das Ergebnis sind Engpässe bei Grundausstattung wie Verbänden und Spritzen. Der Prozentsatz von Griechen, die Straßenkliniken in Anspruch nehmen – die früher hauptsächlich Einwanderer behandelten – ist seit Ausbruch der Krise angeblich von drei auf dreißig Prozent gestiegen, weil sich die Menschen den Besuch in einer Privatklinik nicht mehr leisten können.

Die Zahl der HIV-Infektionen ist durch einen Anstieg des Drogenkonsums und der Prostitution um fünfzig Prozent gestiegen.

Nikitas Kanekis von der Wohltätigkeitsorganisation Ärzte der Welt sagte auf MSNBC, er befürchte in Athen eine „humanitäre Katastrophe“ und fügte hinzu: „Wir haben alle charakteristischen Merkmale der Dritten Welt: Menschen ohne Unterkunft, Hungernde, Kranke, die Ärzte und Medizin benötigen.“

Trotzdem drängen die Europäische Union und die Banken auf neue Angriffe auf die Arbeiterklasse. Die neuesten Maßnahmen würden den Kollaps der griechischen Wirtschaft beschleunigen, ohne ihre Schuldenlast stärker zu verringern, als die bisherigen Sparmaßnahmen.

Die Troika erwartet, dass die griechische Wirtschaft, die letztes Jahr um über fünf Prozent geschrumpft ist, dieses Jahr um weitere vier bis fünf Prozent sinken wird. Durch den Verkauf von Staatseigentum – darunter Versorgungsunternehmen, Häfen und Flughafenkonzessionen – konnten bisher nur 1,8 Milliarden Euro aufgebracht werden statt der erhofften 50 Milliarden.

In Paris soll heute die letzte Gesprächsrunde zwischen Athen und seinen privaten Gläubigern beginnen. Sie verhandeln darüber, einen wie großen Schuldenschnitt sie zu akzeptieren bereit sind. Berichten zufolge würden sie einen durchschnittlichen Zinssatz von 3,6 Prozent für Staatsanleihen mit 30 Jahren Laufzeit akzeptieren. Allerdings warnte die Ratingagentur Standard & Poor’s, selbst ein Schuldenschnitt von 70 Prozent sei nicht genug, damit das Land seine Verpflichtungen erfüllen könne.

Jedoch gibt es immer noch Widerstand der Europäischen Zentralbank gegen den Schuldenschnitt an ihren griechischen Staatsanleihen, der vor allem von Deutschland ausgeht. Finanzanalysten behaupten, ein vernünftiges Abkommen sei nicht möglich, wenn die EZB nicht auf einen Teil des Wertes ihrer griechischen Staatsanleihen verzichtet.

Reuters zitierte den Analysten Frank Gill von S&P: „Da nur ein kleiner Teil der Investoren an dem Schuldenschnitt beteiligt ist, der staatliche Sektor jedoch nicht oder nur teilweise, ist der Schnitt… vermutlich nicht ausreichend.“

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