Pakistanische Elite beabsichtigt volle Kooperation mit USA im Afghanistankrieg wieder aufzunehmen

Das pakistanische Militär veröffentlichte am Montag vergangener Woche ein in aller Schärfe formuliertes Bulletin, in dem Washingtons Bericht über den tödlichen Angriff auf zwei pakistanische Grenzposten im letzten November im Stammesgebiet Mohmand zurückgewiesen wurde. Bei dem Nato-Angriff wurden 24 pakistanische Soldaten getötet. Die amerikanisch-pakistanischen Beziehungen wurden in eine tiefe Krise gestürzt.

Der Bericht des pakistanischen Militärs wurde einen Monat nach einem Bericht des Pentagon veröffentlicht. Der Pentagon-Bericht versuchte, die Luftschläge der Nato als “legitime Selbstverteidigung” zu rechtfertigen, räumte gleichzeitig aber Fehler des amerikanischen Personals ein, die zum Tod pakistanischer Soldaten führten. Einem pakistanischen Verbindungsoffizier waren zum Beispiel falsche Koordinaten zum bevorstehenden Angriff der Nato übermittelt worden.

In seiner Reaktion wies das pakistanische Militär nochmals die amerikanische Behauptung zurück, pakistanische Truppen hätten die Luftschläge der Nato dadurch provoziert, dass sie afghanische Soldaten und amerikanische Spezialeinheiten unter Beschuss genommen hätten, die eine geheime Antiaufstandsoperation an der afghanischen Grenze durchgeführt hätten. Nach Angaben der pakistanischen Armee eröffneten ihre Truppen zwar das Feuer, jedoch auf „mutmaßliche Kämpfer“, die sich überhaupt nicht in der Nähe der unter amerikanischem Kommando stehenden Soldaten befanden. Der Bericht hält es, ähnlich wie die pakistanischen Behörden bisher, für unvorstellbar, dass die Nato-Kräfte nicht über die Position des pakistanischen Doppelpostens informiert gewesen sein könnten.

Trotz des scharfen Tons des Militärberichts und der in den letzten Wochen barschen Sprache aus Islamabad und Rawalpini, weist vieles darauf hin, dass die herrschende pakistanische Elite an einer offenen und kompletten Wiederaufnahme der Zusammenarbeit mit Washington arbeitet, von dem sie auch nach mehr als sechs Jahrzehnten „Unabhängigkeit“ immer noch wirtschaftlich und geopolitisch abhängig ist.

Letzte Woche sagte ein Sprecher des pakistanischen Außenministeriums, die Überprüfung der Beziehungen seines Landes zu den USA durch den parlamentarischen Ausschuss für Nationale Sicherheit sei nun abgeschlossen und Islamabad „habe jetzt wieder vor, sich mit den USA für Themen gemeinsamen Interesses und gemeinsamer Bedeutung zu engagieren.“  

Unabhängig davon berichtete die Tageszeitung Dawn, nach Angaben aus “diplomatischen Quellen” werde Islamabad die Grenzübergänge Torkham und Chaman nach Afghanistan bald wieder öffnen, die während der letzten zehn Wochen als Vergeltungsmaßnahmen für den Nato-Angriff für Nachschubkonvois der Nato gesperrt waren.

Am Dienstag traf Pakistans Außenminister Hina Rabbani Khar mit dem amerikanischen Botschafter in Pakistan, Cameron Munter, zusammen, um die Verbesserung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu diskutieren.

Der pakistanischen Elite bereitet es große Schwierigkeiten, die Wiederaufnahme der engen Zusammenarbeit mit den USA vor der Bevölkerung zu begründen. Die Bevölkerung ist nicht nur über die systematische Verletzung der pakistanischen Souveränität durch die USA empört, sondern auch über deren Versuche, Pakistan einen noch größeren Teil der Lasten des amerikanischen Kriegs in Afghanistan aufzuzwingen.

Dieses Problem wird durch die erbitterten Machtkämpfe in der pakistanischen Elite noch erschwert. Keine Fraktion der Elite möchte als diejenige dastehen, die die Initiative zur Wiederaufnahme der Zusammenarbeit mit Washington ergriffen hat.

Schon vor dem tödlichen Angriff der Nato Ende November kochten in Pakistan anti-amerikanische Stimmungen und die Ablehnung des AfPak-Krieges hoch. Für breite Schichten der pakistanischen Arbeiterklasse unterstrich das Blutbad an pakistanischen Soldaten nur den neokolonialen Charakter der amerikanisch-pakistanischen Beziehungen. Wie schon wiederholt in den letzten Jahren reagierte die einfache pakistanische Bevölkerung auf den Nato-Angriff vom 26. November mit massenhaften Straßenprotesten gegen die amerikanische Aggression in Pakistan und Afghanistan.

Im letzten Jahrzehnt hat Islamabad sowohl unter dem amerikanisch protegierten Diktator General Pervez Musharraf als auch unter der Regierung der PPP (Pakistanische Volkspartei) der Besetzung Afghanistans entscheidende logistische Unterstützung gewährt. Überdies führt das pakistanische Militär seit 2004 auf Washingtons Kommando einen gnadenlosen Krieg gegen die Aufständischen in den Stammesgebieten im Nordwesten des Landes, mit verheerenden Folgen für die Bevölkerung.

Während der vergangenen sieben Jahre sind über fünf Millionen Menschen in den zentral verwalteten pakistanischen Stammesgebieten und den angrenzenden Distrikten durch den Krieg vertrieben worden, so ein Bericht, den das Inlandszentrum für die Beobachtung von Vertreibungen kürzlich veröffentlichte. Auch heute noch gibt es fast eine Million Flüchtlinge im Land. Die Vertriebenen haben zahlreiche Demonstrationen organisiert, bei denen sie die Beendigung des Krieges und eine angemessene Versorgung mit Nahrungsmitteln und Unterkunft forderten.

Der Krieg hat die Kluft zwischen der Masse der Bevölkerung und der bürgerlichen Elite vertieft und – was die Militärführung sehr beunruhigt - unter den einfachen Soldaten zu Opposition und sogar Meutereien geführt. Doch die USA bestehen darauf, dass Islamabad mehr dafür tut, sie aus dem Morast zu ziehen, in dem sie in Afghanistan inzwischen stecken. Auch die Verweigerung von Hilfe bei der großen Flut und die Ablehnung, Pakistans Antrag auf einen neuen Kredit beim Internationalen Währungsfons zu unterstützen, haben dazu beigetragen.

Obwohl die USA Pakistan tyrannisieren und demütigen, ist die pakistanische Bourgeoisie durch millionenfache Fäden an den amerikanischen und den Weltimperialismus gebunden. Sie hat panische Angst vor politischer Destabilisierung – vor allem der Klassenverhältnisse – und einem großen Konflikt, geschweige denn einem völligen Bruch mit den USA.

Es wird erwartet, dass der Bericht des Parlamentarischen Ausschusses zur Nationalen Sicherheit einer nicht öffentlichen Sitzung des Parlaments zur Zustimmung vorgelegt wird. Die Genehmigung durch das Parlament wird dann genutzt werden, um den Vorfall vom 26. November ad acta zu legen und die offene Zusammenarbeit mit den USA unter angeblich neuen Rahmenbedingungen wieder aufzunehmen.

Fox News zufolge “werden die wichtigsten Forderungen“ Pakistans sein: „Keine verdeckten Operationen von CIA und Militär auf pakistanischen Boden und kein unautorisiertes Eindringen in seinen Luftraum.“

Pakistan wird seine Aufgabe als wichtigste Nachschubroute für den Krieg in Afghanistan wieder aufnehmen, allerdings unter dem Vorbehalt, dass Washington und seine Koalitionspartner höhere Transitgebühren entrichten.

Angeblich soll in dem Plan auch verlangt werden, amerikanische militärische Ausbilder möglicherweise schon im April wieder nach Pakistan einzuladen.

In Wahrheit wird das pakistanische Volk wie schon früher über das wirkliche Ausmaß und das Wesen der Verbindungen zwischen Washington und Islamabad im Dunkeln gelassen.

Ungeachtet der in den vergangenen zehn Wochen bekundeten Verärgerung pakistanischer Zivilisten und Militärführer funktionierte die amerikanisch-pakistanische Partnerschaft bei den Geheimdiensten reibungslos weiter, wie ein kürzlich erschienener Bericht von Reuters illustriert. Nach einer Quelle Reuters’ im pakistanischen Sicherheitsapparat waren die Drohnenangriffe der USA vom 10. und 12. Januar in Nord-Waziristan eine gemeinschaftliche Operation, die auf die Hilfe pakistanischer „Koordinatengeber“ am Boden rekurierte.

Jahrelang haben pakistanische Beamte die amerikanischen Drohnenangriffe öffentlich kritisiert, sie jedoch gleichzeitig unterstützt und in einigen Fällen sogar darum ersucht. Tatsächlich ordnete Pakistan als eine der Vergeltungsmaßnahmen auf den Angriff vom November an, dass die CIA ihre jahrzehntelange Nutzung eines Luftwaffenstützpunkts in Belutschistan als Abschussrampe für ihre Drohnenangriffe aufgibt.

Die gewaltige Opposition gegen den AfPak-Krieg spiegelt sich in der angeblichen Linken des politischen Spektrums Pakistans nicht wider. Die PPP wird wegen der Eskalation des Krieges und ökonomischer „Reformen“ im Interesse der Wirtschaftselite weithin verachtet. Pseudo-sozialistische Gruppen, wie „Der Kampf“ und die „Arbeiterpartei Pakistan“ weigern sich, überhaupt einen Kampf gegen den Krieg aufzunehmen. Das ist ein Element ihrer umfassenden Politik der Unterordnung der Arbeiterklasse unter die pro-imperialistische PPP und ihrer Beschränkung auf gewerkschaftliche Kämpfe.

Kürzlich organisierte die Partei des ehemaligen Kricket-Spielers Imran Khan, die konservativ-nationalistische „Pakistan Thereek-e-Insaf“, massenhafte Proteste der Bevölkerung gegen die Drohnenangriffe. Khan, der lange mit dem pakistanischen Militär identifiziert wurde, versucht die Entwicklung einer unabhängigen Bewegung der Arbeiterklasse gegen den Krieg zu blockieren.

Es gibt jetzt ein riesiges politisches Vakuum in Pakistan, das einige der reaktionärsten Elemente auszunützen versuchen. Am Dienstag versammelten sich 50.000 von Islamisten und anderen Kräften der extremen Rechten angeführte Menschen in Rawalpindi, um gegen das enge Bündnis mit den USA und für die Einleitung besserer Beziehungen zu Indien zu protestieren.

Arbeiter dürfen nicht zulassen, dass islamistische Fundamentalisten, Rechte wie Khan und ihre Förderer in der militärisch-geheimdienstlichen Führungsriege die Opposition gegen den Krieg an sich reißen und wirkungslos machen. Der Kampf gegen den Krieg muss mit dem Kampf um dringend notwendige demokratische und sozialistische Maßnahmen verbunden werden. Das Auftreten einer von der Arbeiterklasse geführten Bewegung gegen den AfPak-Krieg würde nicht nur die Anziehungskraft der Islamisten untergraben, sie würde auch als starker Auslöser für die Entwicklung einer Opposition gegen Krieg und Imperialismus unter den Arbeitern in den USA und der ganzen Welt wirken.

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