Spanien:

Freispruch für Richter Baltasar Garzon

Er deckte Verbrechen des Franco-Regimes auf

Die Entscheidung des spanischen Obersten Gerichts, Baltasar Garzon freizusprechen, ist ein taktischer Rückzug der herrschenden Elite. Der Widerstand der Bevölkerung gegen dieses Verfahren war ihr zu stark. Garzon wurde Rechtsbeugung bei seiner Untersuchung über die Verbrechen des faschistischen Franco-Regimes vorgeworfen.

Justizminister Alberto Ruiz-Gallardon Jimenez sagte, die Entscheidung des Gerichtes sei ein Beweis dafür, dass es in Spanien eine „starke und unabhängige Rechtsprechung“ gebe. „Trotz aller Kritik am Obersten Gericht hat sie meiner Meinung nach nichts von ihrem Prestige bei der spanischen Bevölkerung verloren.“

Diese Behauptung ist mit Verachtung zurückzuweisen, denn nichts ist weiter von der Wahrheit entfernt. Die Volkspartei (PP) hofft, durch die Entscheidung des Obersten Gerichts das verlorene Prestige des Rechtsystems wiederherzustellen und ein politisch schädliches Verfahren verhindern zu können. Ihr Ziel ist, die Verbrechen des Faschismus zu vertuschen und eine politische Abrechnung mit den damaligen Kriminellen und ihren heutigen Erben zu verhindern.

Im Jahr 2008 begann Garzon die erste Untersuchung gegen die Verantwortlichen für den Militärputsch vom 17. Juli 1936. Er untersuchte das Verschwinden von 114.266 Menschen und belastete Franco, 44 ehemalige Generäle und Minister und zehn Mitglieder der Partei Falange. Danach ordnete er die Aushebung von neunzehn anonymen Massengräbern an.

Dafür warf man ihm Rechtsbeugung und einen Bruch des Amnestiegesetzes vor. Dieses Gesetz von 1977 schützt all jene, die bis zu diesem Datum politische Verbrechen begangen hatten.

Der Oberste Gerichtshof tat von Anfang an alles in seiner Macht Stehende, um Garzon zu stoppen. Am 17. November 2008 erklärte er sich bereit, das Verfahren einzustellen, nachdem Staatsanwälte Zweifel an seiner Zuständigkeit geäußert hatten.

Dies stellte seine Gegner jedoch nicht zufrieden. Die Rechten verlangten seinen Kopf. Im Jahr 2010 eröffnete der Oberste Gerichtshof drei Verfahren gegen ihn. In einem davon, das später fallengelassen wurde, wurde ihm vorgeworfen, Bestechungsgeld angenommen zu haben. Ein weiteres galt dem Bruch des Amnestiegesetzes, das die Falange und die rechte Gewerkschaft Manos Limpias (saubere Hände) eingeführt hatten. Im dritten wurde er des illegalen Abhörens von Telefonen im „Gürtel-Skandal“ beschuldigt, in dem es um Korruption ging und in den mehrere Mitglieder der PP verwickelt waren.

Aber da Tausende für Garzon demonstrierten, wurde schnell deutlich, dass die spanische Bourgeoisie einen „Pakt des Vergessens“ brauchte und immer noch braucht.

Es ist klar, dass der Oberste Gerichtshof zum Ergebnis gekommen ist, dass ein Prozess gegen einen spanischen Richter zur Wahrung bestimmter verfassungsrechtlichen Arrangements wenig dienlich wäre, wenn er damit begönne, die Massenmorde des früheren Regimes allzu deutlich zur Sprache zu bringen. Deshalb wurde beschlossen, die potenziell gefährliche Situation zu entschärfen.

Am 9. Februar wurde Garzon wegen seines Verhaltens in der Gürtel-Affäre ein elfjähriges Berufsverbot erteilt. Am Montag wurde entschieden, ihn vom Vorwurf, gegen das Amnestiegesetz verstoßen zu haben, freizusprechen. Aber die Richter, die dies in einem Urteil mit sechs zu einer Stimme entschieden, taten es nur aus technischen Gründen und verteidigten bei derselben Gelegenheit einstimmig das Gesetz.

Sie erklärten, Garzon habe zwar „spanisches Recht fehlinterpretiert, aber nicht vorsätzlich die Grenzen seiner Zuständigkeit überschritten.“

Die Verbrechen während der faschistischen Herrschaft – Morde, Entführungen, Vergewaltigung, Folter, Sklaverei – seien „seit langem verjährt“, betonte das Oberste Gericht. Das „Recht, die historische Wahrheit zu kennen, ist nicht Teil der Strafverfolgung.“

In der Entscheidung des Gerichtes heißt es: „Man sollte sich vor Augen halten, dass das Amnestiegesetz mit Zustimmung aller politischen Kräfte in der Zeit nach den demokratischen Wahlen von 1977 eingeführt wurde.“ Das Gesetz war „das Ergebnis klarer und schlüssiger Bestrebungen, die sich ideologisch gegen den Faschismus richteten“, darunter „andere Ansichten, linke, zentristische und sogar rechte.“

Es galt als „notwendig und unumgänglich für die Abschaffung des Grundgerüstes des Franco-Regimes… Kein Richter und kein Gericht kann die Rechtmäßigkeit dieses Prozesses in Zweifel ziehen.“ Die „nationale Versöhnung“ wurde zum Teil durch das Amnestiegesetz erreicht. Es habe verhindert, dass „sich zwei spanische Nationen gegenüberstehen.“ Es war „der Wille des spanischen Volkes.“

Das Amnestiegesetz hat nichts mit dem Willen des Volkes zu tun. Dessen Wille war es, die Faschisten für ihre Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. Es drückte den Wille der Vertreter der spanischen Bourgeoisie aus, der linken wie der rechten, die entschlossen waren, im Aufruhr nach dem Tod Francos und dem Zusammenbruch seines Regimes die kapitalistische Herrschaft wiederherzustellen.

Maßgeblich dafür verantwortlich waren die Kommunistische Partei Spaniens, die (sozialdemokratische) Sozialistische Partei (PSOE) und ihre Gewerkschaften. Ihre Aufgabe bestand darin, die Entwicklung einer revolutionären Konfrontation um jeden Preis zu verhindern und sogar den Mördern ihrer Genossen zu verzeihen.

Dem Wall Street Journal geht das Urteil jedoch nicht weit genug. Seiner Meinung nach hätte Garzon bestraft werden sollen. Die Entscheidung, dies nicht zu tun, sei „ein schwerer Schlag für das Amnestiegesetz von 1977, das die blutigen Missetaten in der autokratischen Periode Spaniens zudeckte. Die Vergangenheit, der das heutige Spanien so viel verdankt, wird bewusst ‚vergessen’“.

Das Wall Street Journal kritisiert Garzon, weil er „das Urteil der Gründer des demokratischen Spaniens, wie es mit seiner Vergangenheit umgehen sollte, infrage stellt.“ Das Amnestiegesetz stelle sicher, dass „die Sünden der Schuldigen keinen neuen Streit unter Unschuldigen hervorrufen, und dass diese Sünden nicht zu politischen Zwecken missbraucht werden“.

Das Gegenteil ist der Fall: Die herrschende Elite ist es, die der Amnestie, die von Stalinisten und Sozialdemokraten unterstützt wurde, „viel verdankt“. Sie hält es für unbedingt notwendig und richtig, dass die „Sünden der Vergangenheit“ nicht „zu neuem Streit führen“ und nicht von den Opfern dieser Verbrechen „für politische Zwecke ausgenutzt werden“. Das Amnestiegesetz schützt nur die Schuldigen und erlaubt es ihren Kindern und Enkeln, als Demokraten aufzutreten und gleichzeitig die unrechtmäßig erworbenen Privilegien aus der damaligen Zeit in vollem Umfang zu genießen.

Weil die revolutionären Kämpfe der Arbeiterklasse verraten wurden, konnten die Faschisten ihre Machtposition wiedergewinnen. Ehemalige Minister und Berater Francos gründeten die PP, die heute das Land regiert und Millionen Menschen durch Sparmaßnahmen in Verzweiflung und Armut treibt.

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