TV-Debatte in Ägypten:

Präsidentschaftskandidaten legen ihr konterrevolutionäres Programm vor

Die beiden führenden ägyptischen Präsidentschaftskandidaten Amr Moussa und Abdel Moneim Aboul Fotouh legten am vergangenen Donnerstag in einer Fernsehdebatte, die zum Auftakt der ersten Runde der für den 23. und 24. Mai angesetzten Präsidentschaftswahl abgehalten wurde, ihre gegen die Arbeiterklasse gerichteten Programme dar.

Die beiden Kandidaten sind erfahrene bürgerliche Politiker. Moussa, ein liberaler weltlicher Kandidat, war von 2001 bis 2011 Chef der Arabischen Liga. Davor diente er zehn Jahre lang unter dem gestürzten Diktator Mubarak als ägyptischer Außenminister. Wegen seiner weltlichen Ansichten und seiner engen Verbindung zur Mubarak-Familie gilt Moussa als einer der bevorzugten Kandidaten der herrschenden Militärjunta.

Aboul Fotouh, ein langjähriger Führer der Moslembruderschaft (MB), wurde erst im vergangenen Jahr aus der Organisation ausgeschlossen, nachdem er seine Pläne für eine Präsidentschaftskandidatur bekannt gegeben hatte. Sie wird von den gemäßigten Islamisten unterstützt, die dem MB-Kandidaten Mohamed Mursi kritisch gegenüberstehen. Vor kurzem erhielt Fotouh auch die Rückendeckung der salafistischen El Nour (Licht) Partei und der weit rechts stehenden islamistischen Partei al-Gama’a al-Islamiyya.

Moussa and Fotouh, die beide als unabhängige Kandidaten antreten, stellten in ihren Wahlerklärungen klar, dass sie den revolutionären Kämpfen der arbeitenden Massen Ägypten feindlich gegenüberstehen.

Die zwei Kandidaten stimmten im Grunde in allen größeren Fragen der Wirtschaftspolitik und innnenpolitischen und außenpolitischen Problemen überein. Zum Konflikt kam es nur, als Fotouh Moussa vorwarf, Kandidat des „früheren Regimes“ zu sein und der letztere Fotouh als „gewaltsamen Islamisten“ bezeichnete.

Beide Kandidaten bejubelten die ägyptische Armee, die eine brutale Diktatur errichtete, nachdem ägyptische Arbeiter und Jugendliche Mubarak am 11. Februar 2011 gestürzt hatten. Sie deuteten auch an, dass sie die finanziellen Privilegien oder wirtschaftlichen Interessen des Militärs nach den Wahlen nicht antasten würden, während sie gleichzeitig versuchen würden, Streiks und Proteste zu unterdrücken.

Auf die Frage nach der Rolle des Militärs in den nächsten fünf Jahren forderte Moussa die Ägypter auf, „die Armee zu respektieren und nicht zu beleidigen“. Er betonte, der Verteidigungshaushalt sollte wegen der nationalen Sicherheit von einem nationalen Sicherheitsausschuss „hinter verschlossenen Türen“ beraten werden.

Fotouh kündigte an, dass er “in der gegenwärtigen instabilen Situation” plane, einen “Mann des Militärs” als Verteidigungsminister einzusetzen. Er fügte hinzu, es sei nicht möglich, „einen Staat ohne Verteidigung und ohne starke Armee aufzubauen“.

Dieses Beharren auf dem fortgesetzten politischen Einfluss des Militärs entlarvt den wahren Charakter der Wahlen. Ihr Ziel ist es nicht, wie die bürgerlichen Medien und die bürgerlichen politischen Parteien behaupten, die Macht an eine „zivile Regierung“ zu übergeben und eine demokratische und gerechte Gesellschaft zu gründen, sondern die Fortsetzung der Militärherrschaft in anderer Form sicherzustellen.

Das Militär ist das Rückgrat des kapitalistischen Staates Ägypten und große Teile der ägyptischen herrschenden Klasse spüren, dass sie sich auch in Zukunft darauf stützen müssen, um die ägyptischen Massen zu kontrollieren.

Am Tag der Präsidentschaftsdebatte erließ der Oberste Rat der Streitkräfte (SCAF) im Abbasseya-Distrikt von Kairo, in dem das Verteidigungsministerium liegt, eine Ausgangssperre. Am vergangenen Wochenende ging die Junta gewaltsam gegen Anti-SCAF-Demonstranten vor dem Ministerium vor.

Beide Kandidaten machten klar, dass sie die Unterdrückungsmaßnahmen der Junta unterstützen und notfalls sogar ausweiten wollen. Moussa beschrieb die Demonstrationen von Abbasseya als “sehr ernst” und sagte, er hätte nicht gezögert, “die Polizei herbeizurufen, um eine Verschlimmerung der Lage zu verhindern“.

Fotouh erklärte, die Demonstrationen wären unter seiner Präsidentschaft undenkbar gewesen. Beide Kandidaten versprachen, dem Land wieder zu mehr „Sicherheit“ zu verhelfen und das Innenministerium und die Polizei zu restrukturieren.

Moussa und Fotouh stellten klar, dass ihre Wirtschaftspolitik sich gegen die Arbeiterklasse richten wird. Moussa betonte, dass ein neues Steuersystem „Investoren ermutigen“ solle und beide Kandidaten schlugen vor, im Fall ihrer Wahl Subventionen zu streichen. Derartige Kürzungen werden die ägyptischen Massen tiefer in die Armut treiben, von denen viele insbesondere auf subventioniertes Brot angewiesen sind.

Was die Außenpolitik angeht, so signalisierten die Kandidaten dem Westen, dass sie die strategischen Beziehungen zum US-Imperialismus beibehalten würden. Beide stimmten darin überein, dass der Friedensvertrag mit Israel beibehalten werden müsse. Moussa betonte „die Verpflichtung des Präsidenten, mit solchen Dingen verantwortungsvoll umzugehen.“ Fotouh bezeichnete sich als Feind Israels“ und schlug vor, „das Übereinkommen zu überarbeiten“, aber die Teile beizubehalten, die in Ägyptens Interesse seien.

Fotouhs Haltung, die darauf abzielt, Glaubwürdigkeit unter den ägyptischen Massen zu erzielen, die dem Vertrag zutiefst feindselig gegenüber stehen, ist reiner Betrug. Seine Forderung nach einer „Revision“ und nicht der Aufkündigung des Vertrages macht klar, dass er genau wie Moussa bereit ist, die mit dem Vertrag verbundene grundlegende pro-imperialistische und gegen die Arbeiterklasse gerichtete Politik zu akzeptieren. Der Friedensvertrag wurde 1979 von Israel und Ägypten unter der Schirmherrschaft der USA unterzeichnet, um die arabische und jüdische Bevölkerung unter das direkte Joch des Imperialismus zu stellen und die Palästinenser zu unterdrücken.

Die Debatte wurde von zwei privaten Sendeanstalten ausgestrahlt, die die Wahl als eine Errungenschaft der Revolution und einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Demokratie und zu gesellschaftlicher Gerechtigkeit in Ägypten präsentierten. Die Fernsehmoderatoren behaupteten, die Ägypter würden nun an der Urne wählen und über die Zukunft des Landes entscheiden.“

Das ist eine Lüge. Die Fernsehdebatte machte klar, dass die ägyptischen Arbeiter und Jugendlichen, die Mubarak gestürzt haben, bei der Wahl keine Stimme haben werden. Die Wahl findet unter einer brutalen Militärdiktatur statt und alle zugelassenen Kandidaten – ob liberal, islamistisch oder kleinbürgerlich „links“ – verteidigen die grundlegenden Interessen der ägyptischen herrschenden Elite.

Die Wahl ist kein Mittel, mit dem die Massen ihre sozialen und demokratischen Hoffnungen erfüllen können, sondern ein Mittel, mit dem verschiedene Teile der Bourgeoisie um Einfluss ringen. Der manipulierte Charakter der Wahl wird durch die Tatsache unterstrichen, dass der ultra-konservative Salafist Hazem Salah Abu Ismail und der ursprüngliche Kandidat der Moslembrüder, der Milliardär und Geschäftsmann Kheirat al-Shater, nicht zugelassen wurden.

Die Armee sieht in der Moslembruderschaft eine Bedrohung ihrer Wirtschaftsinteressen. Sowohl die Armee, als auch die MB kontrollieren weite Bereiche der Wirtschaft und die Politik der MB favorisiert ausländische Investitionen und Privatisierung. Das Militär ist nicht bereit, seine Geschäftsinteressen aufzugeben und hat kürzlich geschworen, für die „Verteidigung“ seiner Projekte zu „kämpfen“. Bezeichnenderweise wurde MB-Kandidat Mohamed Mursi nicht zu der Debatte eingeladen.

Der Kampf zwischen dem Militär und bestimmten Teilen der Bourgeoisie wird sich nach den Wahlen sehr wahrscheinlich verschärfen. Dies muss allen ägyptischen Arbeitern und Jugendlichen eine Warnung sein. Eine gewaltsame Konfrontation zwischen dem Militär und den Islamisten würde vom Militär benutzt, um weiter gegen die ägyptischen Massen vorzugehen und ihren sozialen und politischen Kampf noch brutaler zu unterdrücken.

Die ägyptischen Arbeiter dürfen sich angesichts der Wahlen keine Illusionen machen, sondern müssen sich auf einen Kampf vorbereiten, um die Junta und den nächsten Präsidenten zu stürzen und eine Arbeiterregierung zu errichten, die in Ägypten und in der gesamten Region für sozialistische Politik kämpft.

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