Ägyptische Junta verstärkt Gewalt gegen Proteste wegen Wahlfälschung

Im Gefolge eines brutalen Massakers in Kairo warnte die herrschende Militärjunta in Ägypten am Mittwoch öffentlich vor weiteren Protesten gegen den Ausschluss von Kandidaten für die am 23. Mai stattfindende Präsidentschaftswahl. Die Junta drohte mit weiterer Gewalt gegen geplante Demonstrationen vor dem Verteidigungsministerium.

In einer vom Obersten Rat der Streitkräfte (Supreme Council of the Armed Forces – SCAF) einberufenen Pressekonferenz warnte Generalmajor Mokhtar al-Mulla, dass jeder weitere Protest auf dem Abbasija-Platz, der sich vor dem Verteidigungsministerium befindet, mit Gewalt unterdrückt werde.

“Die Verantwortung, die Pflicht, das Gesetz und das Selbstverteidigungsrecht wie auch die Ehre des Militärs verpflichtet die Mitglieder der Militärkräfte dazu, das Verteidigungsministerium und seine militärischen Bauten zu schützen, denn sie sind ein Symbol militärischer Ehre und des Ranges der Nation,“ erklärte er.

“Wenn sich jemand nähert, dann ist er für sich selbst verantwortlich,” setzte er fort. „Die vor dem Verteidigungsministerium aufgestellten Kräfte werden jeden aufhalten, der versucht, das Ministerium zu erreichen.“

Ein weiterer Führer des Militärrats, Generalmajor Mohammed al-Assar, forderte alle politischen Parteien auf, Protestierende vom Abbasija-Platz fernzuhalten. Sie sollten die Jugendlichen veranlassen „zum Tahrir-Platz zu gehen“, und „vom Verteidigungsministerium wegzubleiben, denn wir wollen keine Gewalt gegen unsere Jugend anwenden“, erklärte er,

Solche Erklärungen machen deutlich, dass die Militärjunta hinter der Gewalt steht, die sich am Mittwoch gegen die Protestierenden auf dm Abbasija-Platz entlud, als bei Angriffen schwerbewaffneter Gangster über ein Dutzend Menschen getötet und mehrere Hundert verletzt wurden.

Die Demonstrationen begannen letztes Wochenende mit einer Sitzblockade von Unterstützern des Kandidaten des fundamentalistischen islamistischen Salafi Call, Hasim Salah Abu Ismail, dessen populistisches rechtes Programm hauptsächlich von den ärmsten Schichten der städtischen und ländlichen Bevölkerung unterstützt wird.

Die vom Militärrat sorgfältig ausgewählte Präsidentschaftswahlkommission disqualifizierte Abu Ismail, weil seine Mutter vor ihrem Tod die US-amerikanische Staatsbürgerschaft annahm. Damit habe er das antidemokratische Wahlgesetz gebrochen, das von allen Kandidaten verlangt, dass sie die Kinder ägyptischer Bürger sind.

Die Salafisten wurden bei ihrer Sitzblockade von Mitgliedern der Jugendbewegung 6. April und anderen liberalen Protestgruppen, die Widerstand gegen die Disqualifizierung von 10 der 23 Wahlkandidaten leisten, ergänzt. Unterstützer des liberalen Islamisten Abd al-Munim Abu al-Futuh, den die Salafisten anstelle von Abu Ismail befürworteten, schlossen sich ebenso dem Protest an wie die Unterstützer anderer Parteien.

Als die Gangster am Mittwochmorgen ihren Angriff eröffneten, richteten sie ein wahlloses Blutbad an, in dem Befürworter aller unterschiedlichen am Platz versammelten politischen Tendenzen Opfer zu beklagen hatten. Mindestens fünf Jugendliche wurden mit tödlichen Schussverletzungen am Kopf in die Notaufnahme gebracht, während andere niedergestochen und geschlagen, wieder andere mit Tränengasgranaten verletzt wurden. Diese Waffen konnten den Gangstern nur von Polizei oder Militär übergeben worden sein.

Augenzeugen berichteten der Presse, dass Demonstranten in einigen Fällen angegriffen und getötet wurden, als sie die Sitzblockade verlassen wollten, um zur Arbeit zu fahren oder in die Untergrundbahn zu steigen. Einer der Protestierenden erklärte: „Ich sah, wie sieben Menschen vor mir durch Maschinengewehrfeuer erschossen wurden.“

Ein anderer Demonstrant beschrieb die Szene folgendermaßen: “Dutzende Militärangehörige, die Zivilkleidung trugen, begannen Steine und Zementblöcke zu werfen und Tränengas aus Gewehren abzuschießen. Sie waren offensichtlich verdeckte Sicherheitskräfte.”

Protestierende sagten dem McClatchy News Service, dass der Übergriff an den letztjährigen Sturmangriff auf die Anti-Mubarak-Demonstranten auf dem Tahrir-Platz erinnerte, als die Schläger auf Kamelen ritten. Dies war ein weiterer Fall, bei dem die Sicherheitskräfte die Gewalt schürten und dann tatenlos abseits standen.

Die Jugendbewegung 6. April verurteilte die Gewalt und erklärte, dass die Militärführung zur Verantwortung gezogen werden müsse für „Verbrechen, die an der Revolution und an den Revolutionären begangen wurden. (…) Diese Praktiken sind eine Fortsetzung der Säuberungs- und Mordmethoden, mit denen der Militärrat die Revolution unterdrückt.“

Das Gemetzel erregte breite Entrüstung in ganz Ägypten. Die meisten der Präsidentschaftskandidaten kündigten an, ihren Wahlkampf zwischenzeitlich zu unterbrechen und die Toten in gemeinsamen Protestdemonstrationen gegen die Übergriffe zu ehren, die am Freitag auf dem Tahrir-Platz stattfinden sollen. Einer der Kandidaten wies darauf hin, dass weitere Zusammenstöße vor dem Verteidigungsministerium dazu führen könnten, dass die Armee „einen Militärputsch durchführt, um sich selbst und ihre Position zu schützen.“

Auf ihrer Pressekonferenz vom Donnerstag bestritten die Generale, dass die Gewalt provoziert wurde, um einen Vorwand für einen Militärputsch oder eine Vertagung der Wahlen zu erhalten. Sie behaupteten, die Wahlen würden am 23.-24. Mai mit der ersten Runde beginnen, der Stichwahl am 16.-17. Juni weitergehen sowie am 30. Juni mit der vorgesehenen Übergabe der Macht vom Militärrat an den neugewählten Präsidenten, enden.

Gleichzeitig schlossen sie jegliche Zugeständnisse an die Proteste aus, die sich gegen den Ausschluss von Wahlkandidaten richten. Generalmajor Mulla erklärte, dass Artikel 28 der Verfassungserklärung, den der Militärrat als Grundlage für den Ausschluss der Kandidaten anführt, „Gesetzeskraft hat und nicht durch die Macht des Mobs umgestürzt werden kann.“

Die Präsidentschaftswahlkommission fällte am Donnerstag eine weitere Entscheidung, die die Krise noch einmal verschärfen wird. Sie erklärte, gegen drei Kandidaten (Abu al-Futuh, Mohammed Morsy von der Muslimbruderschaft und den früheren Außenminister Amr Mussa) wegen Verletzung des Wahlgesetzes, die Staatsanwaltschaft ermitteln zu lassen. Sie hätten „illegal“ an den Universitäten Wahlkampf betrieben.

Dies lässt Befürchtungen wachsen, dass die Militärjunta weitere antidemokratische Maßnahmen folgen lassen wird, um die Wahlen zu manipulieren. Al-Futuh, Mussa und Morsy liegen bei Umfragen momentan vorn. Die Wahlen versprechen einen höchst ungewissen Ausgang zu nehmen. Keiner der dreizehn Kandidaten erhielt in den letzten Wahlumfragen mehr als elf Prozent Unterstützung; 44 Prozent der Befragten erklärten, sie seien noch unentschlossen.

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