Perspektive

Das JP-Morgan-Debakel

JP Morgans Eingeständnis vom vergangenen Donnerstag, mehr als zwei Milliarden Dollar durch spekulative Wetten auf Kreditderivate verloren zu haben, schlug am Montag wirtschaftlich und politisch weiter hohe Wellen. Die größte US-Bank kündigte die erzwungene Pensionierung von Ina Drew an. Sie hatte das in London ansässige Chief Investment Office der Bank geleitet, das riesige Summen auf die Kreditwürdigkeit einer Reihe von US-Konzernen gesetzt hatte. Es wird erwartet, dass weitere Top-Angestellte und Händler entlassen oder versetzt werden.

Der Aktienkurs der Bank fiel um weitere 3,2 Prozent, womit sich der Verlust der Marktkapitalisierung auf fast neunzehn Milliarden Dollar erhöhte. Das Wall Street Journal berichtete, dass JP Morgan sich für das kommende Jahr auf einen Gesamtverlust von mehr als vier Milliarden Dollar im Bereich der Kreditausfallversicherungen vorbereite. Dabei handelt es sich um dasselbe Finanzinstrument, das bei dem Zusammenbruch von Lehmann Brothers und dem Bailout des Versicherungsgiganten AIG (American International Group) im Jahr 2008 die entscheidende Rolle spielte.

In einem Interview der Sendung “Meet the Press” des TV-Senders NBC versuchte der Chef von JP Morgan, Jamie Dimon, den Verlust als einen harmlosen Fehler darzustellen, als Folge von “Irrtümern, Schlamperei und Fehleinschätzungen”. Vor nur einem Monat hatte Dimon, der die öffentliche Kampagne der Wall Street gegen auch nur die geringste Einschränkung spekulativer Bankpraktiken angeführt hatte, die Warnungen wegen der horrenden Wetten seines Chief Investment Office noch als „Sturm im Wasserglas“ abgetan.

Das Ausmaß des Verlustes und die ihm vorangegangenen Dementis erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Bankregeln und Gesetze gegen Investoren-Betrug und -Täuschung gebrochen wurden.

Präsident Obama eilte Dimon und JP Morgan jedoch zu Hilfe und erklärte im Fernsehen, JP Morgan sei „eine der am besten gemanagten Banken, die es gibt“ und Dimon „einer der klügsten Banker, die wir haben“. Gleichzeitig führte er die Verluste der Bank als Rechtfertigung für das Frank-Dodd-Gesetz an, das er im Juli 2010 unterzeichnet hatte. „Das war der Grund für unsere Reform der Wall Street“, sagte er.

Tatsächlich zeigt das JP Morgan-Debakel, dass sich fast vier Jahre nach dem Wall-Street-Crash für die Finanzaristokratie nichts geändert hat. Es ist nichts unternommen worden, um die Banken in die Schranken zu weisen, die Billionen von Dollar an Rettungsgeldern, Garantien und billigen Krediten erhalten haben. Dieselben Formen der Spekulation und dreisten Schwindels, die zur finanziellen Kernschmelze und zur schlimmsten Wirtschaftskrise seit der Großen Depression führten, gehen unvermindert weiter.

Die Großbanken wie JP Morgan haben die amerikanische Wirtschaft heute noch stärker im Griff. Sie haben Rekordprofite erzielt, indem sie Konsumenten und kleinen Geschäften Kredite vorenthalten und die Arbeitslosigkeit hoch gehalten haben, während sie auf Kreditausfallversicherungen und andere exotische Finanzinstrumente spekuliert haben, die der realen Wirtschaft die notwendigen Ressourcen entziehen.

Auf dieser Grundlage streichen leitende Bankangestellte und Händler, einschließlich derer, die in mit Staatsgeldern geretteten Instituten arbeiten, weiterhin achtstellige Vergütungspakete ein. Ina Drew verdiente im vergangenen Jahr 14 Millionen Dollar, Jamie Dimon nahm 26 Millionen Dollar ein.

Das von Obama herumposaunte Dodd-Frank-Gesetz ist reiner Betrug. Es handelt sich um den Versuch, den Anschein einer Finanzreform zu erwecken, während den Banken in Wirklichkeit ermöglicht wird, ihre parasitären und kriminellen Aktivitäten fortzusetzen. Ein typisches Beispiel ist die sogenannte Volcker-Regel, die nach dem ehemaligen Vorsitzenden der amerikanischen Zentralbank Federal Reserve und Wirtschaftsberater des Weißen Hauses unter Obama, Paul Volcker, benannt wurde.

Die Regel, die im Dodd-Frank-Gesetz enthalten ist und als eine ihrer mutigsten Vorkehrungen gilt, verbietet scheinbar den Eigenhandel – die Spekulation einer Bank zu eigenen Gunsten –kommerzieller Banken, deren Kundeneinlagen durch die Bundesregierung abgesichert sind. Dahinter steht die Idee, von der Regierung versicherte Banken daran zu hindern, mit den Einlagen ihrer Kunden zu spekulieren.

Aber das von den US-Behörden entworfene Regelwerk, das unter dem Druck der Federal Reserve, von Obamas Finanzminister Timothy Geithner wie auch der Banken entstanden ist, erlaubt tatsächlich die Art spekulativer Wette, die JP Morgan gemacht hat, unter dem Deckmantel eines „hedge“, mit dem das Risiko der Bank einfach ausgelagert wird.

Die Volcker-Regel, deren genaue Form noch verkündet werden muss, wird nichts dagegen tun, dass die Banken weiter mit Rückendeckung der Regierung mit dem Geld von Kleinanlegern spekulieren.

Der JP Morgan-Skandal verdeutlicht auch die Weigerung der Regierung, diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die für die finanzielle Kernschmelze von 2008 verantwortlich sind. Obwohl zwei staatliche Untersuchungskommissionen erdrückende Beweise für kriminelle Vergehen zutage förderten, sind die Verantwortlichen vor gerichtlicher Verfolgung geschützt worden.

Der Senator von Iowa, Charles Grassley, fragte zu Beginn des Jahres beim US-Justizministerium an, wie viele Bankangestellte nach der Finanzkrise gerichtlich verfolgt worden seien. Die Antwort hieß, man wisse das nicht, da man darüber keine Liste führe.

Einer Studie der Universität von Syracuse zufolge ist die gerichtliche Verfolgung von Betrügereien unter der Obama-Regierung auf ein Zwanzig-Jahres-Tief gefallen und hat seit 2003 um 39 Prozent abgenommen. Unter Obama ist die Anzahl verfolgter Finanzbetrügereien auf ein Drittel des Wertes zu Zeiten der Clinton-Regierung gefallen.

Diese Tatsachen belegen die de-facto-Diktatur, die die Finanzaristokratie über das gesamte politische System und die beiden großen Parteien ausübt. Insbesondere die Obama-Regierung ist ein Instrument der mächtigsten Finanzinstitutionen. Sie konzentriert ihre Bemühungen darauf, den Wohlstand der privilegierten Elite zu schützen und zu mehren, während sie die Krise benutzt, um die Löhne und den Lebensstandard der Arbeiterklasse ständig zu senken.

Lange Zeit war Jamie Dimon als der “Lieblingsbanker” Obamas bekannt. Dessen Unterlagen zufolge besuchte Dimon das Weiße Haus mindestens achtzehn Mal. Dabei sprach er häufig mit seinem ehemaligen Untergebenen bei JP Morgan, William Daley, der von Obama nach der demokratischen Wahlschlappe von 2010 zum Stabschef des Weißen Hauses ernannt worden war.

Die inzestuösen und korrupten Beziehungen zwischen Wall Street, der Obama-Regierung und dem gesamten politischen System unterstreichen, wie notwendig es für die Arbeiterklasse ist, eine eigene sozialistische Massenbewegung aufzubauen, um gegen die herrschende Elite für die eigenen Interessen zu kämpfen.

Die Banker, die die Verantwortung für die Finanzkrise tragen, einschließlich Dimon und seine Mitverschwörer, müssen für ihre Gesetzlosigkeit und das soziale Leid, das ihr Handeln erzeugt hat, zur Rechenschaft gezogen werden. Die unrechtmäßig erworbenen Billionen, die die Banken angehäuft haben, müssen enteignet werden. Kleinanleger und kleinere Geschäfte müssen dabei geschützt und die Mittel dazu genutzt werden, alle mit vernünftigen Arbeitsplätzen, Unterkünften, einem funktionierenden Gesundheits- und Bildungswesen zu versorgen.

Es besteht keine Möglichkeit, die Banken in ihre Schranken zu weisen und ihre sozial schädlichen Aktivitäten im Rahmen des kapitalistischen Systems zu unterbinden. Der einzige Weg, den alltäglichen Betrug und das Parasitentum der Wall Street zu beenden, ist die Verstaatlichung der Banken und ihre Überführung in demokratisch kontrollierte öffentliche Einrichtungen.

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