NRW-Wahl: Die Linke vor den Trümmern ihrer Politik

Der Wahlkampf der Linkspartei in Nordrhein-Westfalen trägt absurde Züge. Obwohl sie die unsoziale Politik der rot-grünen Minderheitsregierung unter Hannelore Kraft überhaupt erst möglich gemacht hat, tut sie, als sei sie in den letzten 18 Monaten reine Oppositionspartei gewesen und fordert einen radikalen Kurswechsel der Landespolitik.

Die Linke hat der rot-grünen Minderheitsregierung zur Mehrheit verholfen, die dafür nur minimale Zugeständnisse machen musste, und die Landeshaushalte 2010 und 2011 unterstützt. Bei den Landtagswahlen am Sonntag wird die Linke dafür aller Voraussicht nach die verdiente Quittung bekommen und die Fünf-Prozent-Hürde verfehlen.

Dabei rühmt sich die Partei im Wahlkampf noch ihrer angeblichen Erfolge und führt die Abschaffung der Studiengebühren, das Tariftreue- und Vergabegesetz, den Kitaausbau und vor allem das Personalvertretungsgesetz an. Sie unterschlägt, dass sich hinter diesen Maßnahmen Angriffe auf die Arbeiterklasse verbergen.

Der Ausbau der Kitas ging nicht von einer Initiative der Linken aus, sondern war das Ergebnis einer Entscheidung des NRW-Verfassungsgerichtshofs. Die Münsteraner Richter urteilten im Oktober 2010, die Vorgängerregierung habe die Kommunen beim Ausbau der Krippenplätze für unter Dreijährige nicht ausreichend unterstützt. Bei der Betreuung von Kindern unter drei Jahren ist NRW bis heute bundesweites Schlusslicht.

Die Studiengebühren wurden zwar abgeschafft, aber nicht adäquat ersetzt, so dass die Universitäten und Fachhochschulen des Landes unter erheblichen Mitteleinbußen leiden. Das schlägt auf die Qualität der Lehre durch und führt zum Abbau von Stellen im wissenschaftlichen Mittelbau. Zudem wurde das Hochschulgesetz nicht zurückgenommen, das den Hochschulen einen Hochschulrat als oberstes Beschlussgremium an die Seite stellt, das vor allem aus externen Sponsoren aus der Wirtschaft besteht. Die Freiheit der Lehre und Selbstverwaltung der Unis wird damit sehr bald der Vergangenheit angehören.

Exemplarisch für die Rolle der Linken ist die Verabschiedung des Nachtragshaushaltes 2010 und des Haushalts 2011. Die Partei unterstützte die Kraft-Regierung in der Praxis, während sie in Worten gegen sie opponierte. Auf Parteitagen und in Parteiratsbeschlüssen betonte sie wiederholt, die Haushaltsentwürfe der rot-grünen Minderheitsregierung seien zwar nicht zustimmungsfähig, ihre Ablehnung sei aber „kontraproduktiv“.

So stimmte die Linke 2011 dem Landeshaushalt zu, obwohl ein Beschluss des eigenen Landesvorstandes eindringlich davor warnte, dass der Etatentwurf Sozialkürzungen, Privatisierungen öffentlicher Einrichtungen und Stellenabbau in den Kommunen nach sich ziehen werde.

Der Haushalt enthielt Kürzungen im Umfang von mehr als 600 Millionen Euro, die zudem als „globale Minderausgaben“ etikettiert wurden, was bedeutet, dass nicht das Parlament sondern die Ministerien über die einzelnen Kürzungen entscheiden. Der Landesvorstand der Linken gelangte zum Schluss, dass die „klare Absage der rot-grünen Minderheitsregierung an eine konstruktive Zusammenarbeit mit der Linken Konsequenzen haben muss“. Das hinderte die Fraktion der Linken jedoch nicht daran, sich bei der entscheidenden Abstimmung im Landtag zu enthalten und den Haushalt passieren zu lassen.

Der Linken-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Zimmermann kommentierte anschließend, der rot-grünen Haushalt sei „enttäuschend“ und bislang sei „ein echter Politikwechsel an Rhein und Ruhr ausgeblieben“.

Dieses Spiel wollte die Linke auch 2012 so weiterführen, wie aus einer Erklärung des Landesvorstandes zur Auflösung des Landtags hervorgeht. Demnach lehnte die Linke den Haushaltsentwurf zwar ab, der weitere Kürzungen in Höhe von 750 Millionen Euro vorsah, hätte sich aber einer weiteren Zusammenarbeit keineswegs verweigert.

Die „bescheidenen und umsetzbaren Forderungen an SPD und Grüne“ – wie die Einführung eines Sozialtickets, zusätzliches Personal in den Kitas zur Kinderbetreuung und eine geringfügige Aufstockung beim sozialen Wohnungsbau – „waren für die Linke verhandelbar. Dies haben wir in den Gesprächen mit der Landesregierung und den Fraktionen von SPD und Grünen immer betont“, heißt es in der Erklärung.

Die Linke hat auch dazu beigetragen, dass der Stellenabbau im öffentlichen Dienst möglichst geräuschlos von statten ging. Dazu diente das Personalvertretungsgesetz.

Mit diesem Gesetz, so rühmt sich die Linkspartei, sei die Mitbestimmung der Beschäftigten in den öffentlichen Betreiben und der Verwaltung gestärkt worden. Doch das ist mitnichten so. Gestärkt wurde nur die Stellung der vielerorts verhassten Gewerkschaften, allen voran Verdis, die nun die Angriffe auf die Arbeiter und Angestellten mit organisieren.

Das Perfide daran ist, dass der von der Linken mitgetragene Landeshaushalt den Kommunen ein Spardiktat auferlegt, das sie geradezu zum Stellenabbau zwingt. Und dieser wird dann mithilfe der Gewerkschaftsbürokratie, die auf Sachzwänge und die viel zitierte Sozialverträglichkeit verweist, in den Belegschaften durchgeboxt.

Das Personalvertretungsgesetz diente der Linken darüber hinaus dazu, die eigene Klientel zu bedienen. Es sichert Gewerkschaftsfunktionären Posten in den Kommunen und im Land. Nicht zufällig sind nahezu alle Landtagsabgeordneten und Kandidaten der linken Landesliste aktive Gewerkschaftsmitglieder bei Verdi und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).

Die Nähe zur Gewerkschaftsbürokratie schlägt sich auch in einer Resolution zum Opel-Werk in Bochum nieder, das von der Schließung bedroht ist. Nach dem üblichen Muster wird darin erst einmal viel Wind gemacht und das kapitalistische System angeprangert: „Opel ist kein Einzelfall, sondern das Resultat einer Wirtschaftsordnung, die allein für den Profit und nicht für den Bedarf produziert. Das hat katastrophale Folgen für Mensch und Umwelt.“

Als Konsequenz daraus fordert die Linke Bundes- und Landesregierung auf, bei Opel einzusteigen und gemeinsam mit der Arbeitnehmervertretung die Schließung zu verhindern. Warum der Staat, der massive Kürzungen im Sozialbereich durchsetzt, weniger auf Profitmaximierung achten wird, erklärt sie nicht.

Wie wenig die Linke mit ihrer parlamentarischen Arbeit erreicht hat, macht eine Broschüre deutlich, die unter dem Titel „Links wirkt“ für die Errungenschaften der Fraktion werben soll. Die Fraktionsvorsitzende Beuermann betrachtet als wichtigstes Ereignis ihrer Zeit im Landtag die Umbenennung des Fraktionsvorstandsraumes nach Jupp Angenfort, einem ehemaligen KPD-Abgeordneten im Düsseldorfer Landtag. Für Wolfgang Zimmermann war eine Rede auf einer Gewerkschaftskundgebung zum Thema „Politikwechsel jetzt umsetzen“ das wichtigste Ereignis.

Mit ihren Forderungen an die rot-grüne Landesregierung konnte sich die Linke dagegen nicht durchsetzen. Bei den Haushaltsdebatten 2011 etwa brachte die Linke 87 Änderungsanträge ein, von denen kein einziger eine Mehrheit fand.

Nun steht die Linkspartei in Nordrhein-Westfalen vor den Trümmern ihrer anbiedernden Politik. Sie hatte fest damit gerechnet, dass die Regierung Kraft bei den Haushaltsberatungen 2012 noch einmal auf die Linken zugehen und einige wenige Zugeständnisse machen werde. Die Auflösung des Landtags hat die Partei völlig überrascht.

Der Landesverband ist zudem tief zerrüttet. Die Landessprecherin und Spitzenkandidatin Katharina Schwabedissen sagte der Online Zeitung Der Westen, die Kreisverbände seien nicht aktiv genug, die Fraktion würde sich über Parteistrukturen hinwegsetzen und es sei versäumt worden, „kontinuierlich Parteiaufbau vor Ort zu machen“.

Die Mitgliederzahl ist um 1.100 auf 7.900 geschrumpft. Im Kreis Soest ist ein Ortsverband komplett zur Piratenpartei übergelaufen. Hinzu kommen bis zu 30 Stadtratsfraktionen, die der Partei den Rücken gekehrt haben. Im Rhein-Sieg-Kreis schwelt seit Monaten ein heftiger Führungsstreit. Doch wie in anderen Fällen geht es dabei nicht um politische Differenzen, sondern um persönliche Animositäten und Intrigen. Die gab es auch bei der Aufstellung der Kandidatenliste, bei der sich verschiedene Parteiflügel bekämpften.

Obwohl Ministerpräsidentin Hannelore Kraft die Linke mit der Entscheidung für Neuwahlen fallen gelassen hat wie eine heiße Kartoffel, behauptet diese weiterhin, sie könne die SPD wieder auf einen sozialeren Kurs bringen. So erklärte die Spitzenkandidatin Katharina Schwabedissen dem Westfalen-Blatt, sie könne sich eine Koalition mit der SPD vorstellen, „wenn die Inhalte stimmen“. Die Aufgabe der Linkspartei sieht sie darin, „Druck auf die vermutlich wieder rot-grüne Landesregierung“ auszuüben.

In das gleiche Horn stieß die Fraktionsvorsitzende Beuermann, die sich in einem Interview mit der Onlinezeitung DerWesten „eine Minderheitsregierung aus SPD und Grüne“ wünschte, „weil wir dann Druck auf die Regierung machen können“. Und das, obwohl SPD und Grüne bereits angekündigt haben, im Haushalt 2013 noch einmal Kürzungen in Höhe von einer Milliarde Euro vorzunehmen.

Was die Partei eint, ist ihre Furcht vor einer unabhängigen Bewegung der Arbeiterklasse. Dabei bringen die Spitzenkandidaten der Landesliste ein hohes Maß an Erfahrung bei der Unterdrückung von sozialen Protesten und dem Ausverkauf von Arbeitskämpfen mit. Dies gilt insbesondere für Wolfgang Zimmermann als ehemaligem Vorsitzenden des Verdi-Bezirks Rhein-Wupper sowie für Gunhild Boeth als Mitglied im Landesvorstand der GEW.

Ihre Rolle als linkes Feigenblatt der Landesregierung und Steigbügelhalter für die nächste Runde von Angriffen auf die Arbeiterklasse hat die Linke so gut gespielt, dass sie jetzt erst einmal ausgedient hat.

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