Ein entlarvender Blick auf Murdochs Macht über die britische Politik

Eine Besprechung von Dave Hyland

Dial M for Murdoch: News Corporation and the corruption of Britain, von Tom Watson und Martin Hickman, Allen Lane, 384 Seiten.

 

Der Labour-Abgeordnete Tom Watson und Martin Hickman, Journalist der Zeitung Independent, enthüllen in einem neuen Buch, wie die Politik in Großbritannien vor Rupert Murdochs Reichtum und Macht in die Knie gegangen ist, außerdem beschreiben sie die inzestuöse Beziehung zwischen seinen Zeitungen und korrupten Polizisten.

Dial M for Murdoch beschreibt, wie Watson in seiner Funktion als Mitglied des Ausschusses für Kultur, Medien und Sport versuchte, den schädlichen Einfluss zu enthüllen, den der Medienmogul auf die britische Politik hat, und die News Corporation daran zu hindern, die Aktienmehrheit an dem Satellitensender BSkyB zu erlangen.

Die Zahlen, mit denen er die Größe und den Einfluss von News Corp beschreibt, rauben einem den Atem: „Anfang 2011 konsumierten eine Milliarde Menschen täglich die Produkte des Konzerns: Bücher, Zeitungen, Magazine, Fernsehsendungen und Filme. Seine Holdinggesellschaft, die News Corporation, macht jährlich 33 Milliarden Dollar Umsatz... In Großbritannien kontrolliert er vierzig Prozent der erscheinenden Zeitungen... In seinem Heimatland Australien sind es sogar siebzig Prozent des Zeitungsmarktes; in seiner Wahlheimat, den Vereinigten Staaten, hat er durch die New York Post, das Wall Street Journal und den meistgesehenen Kabelfernsehsender Fox News einen großen Einfluss auf die Politik.“

Die Autoren beschreiben, wie sich die Labour-Führung unter Tony Blair und Gordon Brown vor der Wahl 1997 dem Oligarchen angebiedert hatte: „1995 machte Tony Blair eine transkontinentale Wallfahrt zu einer News Corp-Konferenz auf Hayman Island vor der Küste Australiens, wo er vor Vorstandsmitgliedern der News Corporation sprach und dann mit dem Königsmacher verhandelte... Laut den Tagebüchern von Piers Morgan, einem ehemaligen Redakteur von News of the World, sagte Blair: ‚Piers, ich musste ihn umwerben. Es ist besser, auf einem Tiger zu reiten, als sich von ihm die Kehle durchbeißen zu lassen. Sehen Sie nur, was Murdoch mit [dem ehemaligen Labour Chef] Kinnock gemacht hat.“

Aufgrund von äußerem Druck wegen des Weißbuches „What Price Privacy“ von 2006 musste die Blair-Regierung ihre Pläne aufgeben, für Verstöße gegen das Datenschutzgesetz eine Freiheitsstrafe in den Gesetzentwurf Criminal Justice and Immigration Bill einzufügen.

Die Polizei wusste, dass Telefone abgehört wurden: „Die News of the World spielte der Polizei von Surrey sogar eine Tonaufzeichnung von dem Telefon [der ermordeten Schülerin Milly Dowler] vor. Obwohl sie wussten, dass die Zeitung sich Zugang zu ihrem Anrufbeantworter verschafft hatte – wodurch möglicherweise Beweise vernichtet wurden (Mörder lassen manchmal hämische Nachrichten auf den Telefonen ihrer Opfer zurück) – unternahm Surrey nichts.“

Murdochs Organisation nutzte die Dienste von Telefonhackern, Kriminellen und korrupten Polizisten, um Informationen zu sammeln und Personen unter Druck zu setzen. Einiges davon wurde für Geschichten über Prominente verwendet, aber News of the World versuchte auch, mittels politischer Informationen vermeintliche Gegner unter Druck zu setzen.

Dial M zitiert aus den Dokumenten von News of the World: „Unter der Überschrift ‚Strategie von News of the World‘ ging es weiter: ‚News of the World weiß um diese Fakten und plant, Druck auf die Anwälte auszuüben, indem sie diese Tatsachen enthüllt und mit ihren politischen Beziehungen und Karrierevorteilen durch die Fälle in Verbindung bringt. Dies soll öffentlich und durch diskrete Lobbyarbeit geschehen‘“.

Abgehört wurden hauptsächlich die Telefone führender Labour-Politiker und Gewerkschaftsbürokraten wie John Prescott, dem stellvertretenden Chef der Labour Party und dem Chef der Feuerwehrgewerkschaft Andy Gilchrist.

Tommy Sheridan, ehemaliger Chef der Scottish Socialist Party, geriet ebenfalls in ihr Visier. Watson informierte Sheridan, bevor er Andy Coulson, den ehemaligen Kommunikationsdirektor des Premierministers drei Stunden lang befragte. Er fürchtete, dass Sheridan wegen irreführender Beweise im Gefängnis sitzt. Angesichts dessen, was heute über die Telefonabhöraktionen von News of the World bekannt ist, steht seine Verurteilung wegen Meineids in Frage.

Clive Goodman, der News of the World-Reporter für das Königshaus, und der Privatdetektiv Glenn Mulcaire wurden wegen Telefon-Abhörens zu Haftstrafen verurteilt, aber die Autoren weisen darauf hin, dass die Justiz zusammen mit der Polizei Beweise manipuliert habe, um die Interessen höherrangiger Beteiligter zu schützen:

„In der Akte des Crown Prosecution Service vom 14. Juli 2006 hieß es: ‚die Polizei hat anfangs um Rat betreffend der Daten gebeten, und es sieht danach aus, als sei der Fall so manipuliert worden, um sicherzustellen, dass irrelevante Angelegenheiten nicht der Staatsanwaltschaft vorgelegt wurden‘.“

Bis zum 25. Juli hatte sich der CPS mit der Polizei im Stillen darauf verständigt, dass der Fall „vorsätzlich“ auf „weniger kritische Zeugen“ beschränkt werden solle. Ein wichtiger Anwalt des Crown Prosecution Service schrieb: „In diesem Fall erkannte man früh, dass eine ganze Reihe von Verstößen ans Licht kommen würde. Aber der CPS und die Polizei kamen zu dem Schluss, dass sich die Ermittlungen auf harmlosere Verstöße konzentrieren könnten, nämlich auf JLP und HA [die königlichen Berater] und die Verdächtigen Goodman und Mulcaire.“

Der Ermordung des Detektivs Daniel Morgan im Jahr 1987 ist ein ganzes Kapitel gewidmet. Scheinbar benutzten Verdächtige in dem Mordfall ihre Beziehungen zu News of the World, um die Ermittlungen zu behindern.

Morgans Familie hat ganze fünf Mal versucht, die Regierung zu einer öffentlichen Untersuchung seiner Ermordung zu bringen. Watson unterstützt die Forderung nach einer öffentlichen Untersuchung und schreibt: „Nach vierundzwanzig Jahren, fünf Untersuchungen, 750.000 Dokumenten und Ausgaben in Höhe von fünfzehn Millionen Pfund konnte Scotland Yard wieder niemanden für den Mord an Daniel Morgan hinter Gitter bringen.“

Die zentrale Behauptung von Watson und Hickman ist, dass Murdoch und seine Firmen die Institutionen von Politik und Polizei korrumpiert haben.

Es gibt dafür ausreichend Beweise. Doch Watson möchte dem Leser weismachen, dass die Institutionen des britischen Kapitalismus die letzten dreißig Jahre über nur die Opfer von Murdochs Imperium waren und wieder gesund würden, wenn Murdochs bösartiger Einfluss verschwinde.

Das stimmt allerdings nicht. Die politische Korruption der Labour Party, beispielsweise, erstreckt sich über Jahrzehnte. Sie hat als die wichtigste politische Stütze des britischen Imperialismus fungiert. Als Blair 1995 sagte, es sei besser „den Tiger zu reiten“, war die materielle Grundlager für nationale reformistische Parteien und Programme durch die objektiven Entwicklungen der Weltwirtschaft zerstört worden. Die Labour Party wurde zu einer leeren Hülle, aus der alle wirklich sozialistisch gesinnten Arbeiter und Jugendlichen vertrieben wurden. Sie waren entweder ausgeschlossen worden oder aus Ekel über ihren stetigen Rechtsruck freiwillig ausgetreten. Das Vakuum, das sie in „New Labour“ hinterlassen hatten, wurde von Angehörigen der Mittelschicht ausgefüllt, die sich von ihrem rechten Programm angezogen fühlten.

Watson, ehemaliger Präsident der nationalen Studentenvereinigung an der Hull University und nationaler Funktionär der politischen Abteilung der Gewerkschaft AEEU, wurde in Blairs zweiter Amtszeit Abgeordneter. Als Anhänger von Finanzminister Gordon Brown stieg er auf eine Position im Cabinet Office (entspricht dem deutschen Kanzleramt) auf. Durch seine Parteinahme für Brown gegen Blair in einem Fraktionskampf wurde er jedoch zum Ziel von Murdochs Verlagsimperium.

Im Jahr 2006 gewann Watson einen Prozess gegen die Zeitung Sun, die zugab, ihn diffamiert zu haben, und ihm später eine beträchtliche Entschädigung zahlte. News International musste sich dafür entschuldigen, ihn überwacht zu haben. Im gleichen Jahr unterzeichnete Watson einen Brief an Blair, in dem er ihn aufforderte, zurückzutreten und die Spekulationen über seine Nachfolge zu beenden, d.h. Platz für Brown zu machen. Er musste aus dem Kabinett zurücktreten, weil er sich weigerte, seine Unterschrift zurückzuziehen.

Watsons Widerstand gegen Murdoch erklärt sich aus seiner Loyalität zu Brown und dem Unrecht, das er selbst erlitten hat, sowie aus der Sorge, die in herrschenden Kreisen auch von anderen geteilt wird, dass die wirtschaftliche und politische Macht des Oligarchen dem britischen Imperialismus gefährlich wird. In seiner Funktion im Ausschuss für Kultur, Medien und Sport wurde Watson zum entschiedenen Gegner der Übernahme von BSkyB durch Murdoch. Mit der Übernahme von BSkyB hätte das reichste Medienunternehmen des Landes die Möglichkeit, seine zehn Millionen Abonnenten mit mehreren Medien zu erreichen; „seine Zeitungen hätten damit einen bedeutenden Vorteil gegenüber anderen Fleet Street-Zeitungen, während der Gesamtumsatz von BSkyB und News International mit 7,9 Milliarden Pfund den der BBC (3,6 Milliarden) und von ITV (1,9 Milliarden) in den Schatten stellen würde.“

Dial M zitiert zustimmend die Warnung der Medienanalystin Claire Enders, dass Murdoch die britischen Medien noch mehr dominieren könnte als Silvio Berlusconi die italienischen. In seltener Einigkeit stellten sich die BBC, BT und die Besitzer des Guardian, des Telegraph, des Mirror und der Mail geben Murdochs Plan.

Anhand dieser Frage traten die tiefen Spannungen in der herrschenden Klasse Großbritanniens zutage und sie stärkte Watsons Position gegen Murdoch in der herrschenden Klasse. Es geht um riesige Geldsummen. Deshalb wurde bereits Wirtschaftsminister Vince Cable entlassen und vielleicht muss mit Jeremy Hunt ein weiterer Minister deshalb zurücktreten. Die ehemalige Redakteurin von News of the World und Vorstandschefin von NI, Rebekah Brooks und einige andere wurden bereits angeklagt, sich zu Rechtsbeugung verschworen zu haben.

In einer Zeit beispielloser sozialer Polarisierung in Großbritannien fällt es der bestehenden staatlichen und politischen Ordnung immer schwerer, die wachsenden Antagonismen zwischen den zerstrittenen Fraktionen zu beherrschen.

Die Leveson-Untersuchung ist ein quasi juristischer politischer Mechanismus, mit dem sich die Kapitalistenklasse Zeit verschaffen will, während ihre zerstrittenen Fraktionen ihre erbitterten ideologischen und politischen Streitigkeiten austragen und sich der Staat auf eine neue Strategie verständigt. Aber für die Bourgeoisie ist dieses Manöver sehr gefährlich, da sie gezwungen ist, eine kurze zeitlang Licht auf eine der düstersten Ecken ihres repressiven Staatsapparates zu werfen.

Seit Margaret Thatcher ihren Teufelspakt mit Murdoch geschlossen hat, haben sich die folgenden Regierungen auf das Medienimperium verlassen, um die öffentliche Meinung zu manipulieren und das ideologische Klima zu schaffen, in dem sich die Superreichen ungehemmt bereichern können. Aber in den letzten zehn Jahren sind die illegalen Methoden von Murdoch-Angestellten – die letztendlich das Produkt der gleichen fehlenden politischen Hemmungen sind – so weit gegangen, dass sie jetzt den ganzen Herrschaftsapparat gefährden.

Watson schreibt im Vorwort:

„Wie dieses Buch hoffentlich zweifelsfrei zeigt, haben Premierminister, Minister, das Parlament, die Polizei, das Justizsystem und die ‚freie‘ Presse kollektiv versagt, als es darum ging, die Aktivitäten von NewsCorp. zu kontrollieren. Jetzt, wo Murdochs korrupter Griff über unsere nationalen Institutionen lockerer wird, und auch dank scharfen Ausleuchtung der Affäre durch Lord Justice Leveson, der die öffentliche Untersuchung führt, beginnen diese Personen und Institutionen, wenn auch mit Verspätung, ihren Stall auszumisten.“

Mit verschleiernden Worten wie „kollektiv versagt“ und Lob für „die scharfe Ausleuchtung durch Lord Justice Leveson“ versucht Watson, die Verantwortung der Labour Party für die heutige katastrophale Lage der Arbeiter zu vertuschen und neue Illusionen in die Institutionen des kapitalistischen Staates zu schüren.

Loading