Spanische Bankenkrise droht Euro zu sprengen

Die europäischen Börsen haben letzte Woche einen starken Einbruch erlitten. Dahinter steht die Furcht, vor einer Verschärfung der Eurokrise in Verbindung mit einem wirtschaftlichen Abschwung in den USA und China. Der Euro ist in den letzten beiden Monaten gegenüber dem US-Dollar um 7,3 Prozentpunkte gefallen und nähert sich einem Zwei-Jahres-Tief.

Nach wochenlangen Spekulationen über das Schicksal der griechischen Wirtschaft, die sich nun im fünften Rezessionsjahr in Folge befindet, und einen schlimmen Einbruch erlitten hat, konzentriert sich die europäische Finanzpresse nun zunehmend auf die spanische Wirtschaft.

Aufgrund mehrerer Sparprogramme, die die spanische Regierung auf Verlangen der Europäischen Union umgesetzt hat, ist die Arbeitslosigkeit im April auf die Rekordmarke von 24,3 Prozent gestiegen und die Industrieproduktion auf den niedrigsten Stand seit drei Jahren gefallen. Beide Werte sind schlechter als die entsprechenden griechischen. Neben fallenden Steuereinnahmen und sinkendem BIP droht dem Bankensystem des Landes infolge des Platzens der Immobilienblase in Spanien der Zusammenbruch.

Die spanische Regierung gab letzte Woche zu, dass sie 19 Mrd. Euro benötige, um den Sparkassenkonzern Bankia vor dem Bankrott zu bewahren. Sie ist außerdem auf der Suche nach Geld, um die Ausgaben bankrotter Regionalregierungen zu finanzieren, von denen mehrere von den Ratingagenturen auf Schrottniveau heruntergestuft wurden. Das macht es ihnen unmöglich, sich selber Geld an den Finanzmärkten zu besorgen.

Abgesehen von den 19 Mrd. Euro, die Madrid braucht um Bankia im Geschäft zu halten, setzen führende Finanzinstitutionen die Summe, die benötigt wird, um das spanische Bankensystem vor dem Kollaps zu bewahren eher mit 100 Mrd. Euro an. Im vergangenen Monat zogen Einleger mehr als 60 Mrd. Euro aus den Banken des Landes ab und schafften das Geld ins Ausland. Das war sogar noch vor der panikartigen Verstaatlichung Bankias durch die spanische Regierung.

Das fehlende Vertrauen der Märkte in die Fähigkeit der Regierung, ihre Schulden zurückzuzahlen, spiegelt sich in dem Zinssatz von 6,5 Prozent für zehnjährige spanische Staatsanleihen wieder. Das ist ein Zinssatz, der als nicht dauerhaft tragbar angesehen wird, und dazu führen könnte, dass Spanien seine Schulden nicht mehr zurückzahlen kann.

Der spanische Finanzminister Lius de Guindos kommentierte die Situation folgendermaßen: “Ich weiß nicht, ob wir am Rande des Abgrunds stehen. Aber wir befinden uns in jedem Fall in einer sehr, sehr schwierigen Lage. Die Zukunft des Euro wird sich in den nächsten Wochen in Spanien und Italien entscheiden.“ Seine Einschätzung wird von dem ehemaligen spanischen Ministerpräsidenten Felipe Gonzalez geteilt, der sagte: „Wir befinden uns in einer totalen Ausnahmesituation. Das ist die schlimmste Krise, die wir je durchlebt haben.“

Spanien ist die viertgrößte Wirtschaft der Eurozone und ist wirtschaftlich und finanziell eng mit Italien verflochten, der drittgrößten Wirtschaft der Eurozone. Ein Sturm auf die spanischen Banken könnte sich auf Italien ausweiten. Das würde die Existenz der Eurozone gefährden.

Der europäische Wirtschaftskommissar Olli Rehn äußerte sich zu den Gefahren eines Sturms auf die spanischen Banken. Er warnte vergangene Woche, dass die Eurozone sich am Rande des „Zerfalls“ befinde.

Am Donnerstag letzter Woche führte die stellvertretende spanische Ministerpräsidentin Soraya Saenz de Santamaría Dringlichkeitsgespräche mit US-Finanzminister Timothy Geithner und IWF-Chefin Christine Lagarde. Im Zentrum der Gespräche stand die Frage, wie man die größte europäische Wirtschaftsmacht, Deutschland, dazu bringen könne, mehr Geld für die Rettung der spanischen Banken bereitzustellen.

Der Rettungsmechanismus, der vom amerikanischen Finanzministerium und dem IWF favorisiert wird, beinhaltet, den bestehenden europäischen Rettungsfond ESM aufzustocken und ihm zu erlauben, die Banken direkt zu finanzieren. Die jetzige Regelung ist, dass der ESM Kredite an Regierungen vergibt, was aber mit strikten Auflagen für drastische Sparmaßnahmen verbunden ist, die weitgehend von Deutschland diktiert und von Brüssel übernommen werden. Das eröffnet die Option, Privatinvestoren an Verlusten ihrer Investments zu beteiligen.

Das Zögern der deutschen Regierung bei dem Vorschlag neuer Finanzierungsmöglichkeiten für den ESM liegt nicht in einer grundlegenden Ablehnung der Rettung von Banken begründet. Die Merkel-Regierung hat schon riesige Summen aufgewendet, um nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers 2008 bankrotte deutsche Finanzinstitute zu retten. Die Hauptsorge in Berlin besteht darin, dass Deutschland als Hauptbeitragszahler zum ESM und der Europäischen Zentralbank irgendwann zur Kasse gebeten werden könnte, und gezwungen sein könnte, Hunderte Milliarden Euro auf den Tisch zu legen, wenn die Banken in Südeuropa tatsächlich zusammenbrechen.

Deswegen besteht Merkel konsequent darauf, dass eine Ausweitung der Vollmachten des ESM von Schritten zu einer Fiskalunion begleitet sein müsse, d.h. von der Schaffung von Strukturen, die es Deutschland ermöglichen, die Wirtschaftspolitik in ganz Europa zu diktieren. Der wesentliche Inhalt dieser Politik ist jetzt schon in Griechenland und Spanien zu sehen: Es werden Sparmaßnahmen durchgesetzt, die zu einem beispiellosen wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch führen.

Die deutsche Regierung profitiert sogar von der Krise. Während die Zinsen für spanische und italienische Staatsanleihen durch die Decke schießen, waren Investoren quasi bereit, sogar ein wenig draufzuzahlen, um ihr Geld in sicheren deutschen Staatsanleihen anlegen zu dürfen.

Als Hauptfinancier profitiert Deutschland auch von der lukrativen Kreditpolitik der EZB. Die inzestuöse Art und Weise, wie EZB und IWF ihre eigenen Interessen verfolgen wurde in einem Artikel der New York Times unter der Überschrift „Der größte Teil der Hilfen für Athen findet seinen Weg zurück nach Europa“ deutlich.

Der Artikel beschreibt, wie die “Troika” (EZB, Europäische Kommission und IWF) ungefähr Dreiviertel der griechischen Schulden erworben hat. Dann erklärt der Artikel, wie Milliarden Euro, die die Troika dieses Jahr nach Griechenland vergeben hat, auf ein Sonderkonto geflossen sind, das nach den griechischen Wahlen am 6. Mai eingerichtet wurde. Die Mittel werden dann zwei oder drei Tage auf dem Sonderkonto geparkt und fließen dann als Zinsen für die Kredite an die Troika zurück.

Dieses Arrangement raubt der griechischen Übergangsregierung jede Möglichkeit vor der nächsten Wahl in diesem Monat Ausgaben zu tätigen. Gleichzeitig kassiert die EZB zehn Prozent Zinsen für die griechischen Anleihen, die sie erworben hat.

Der Artikel zitiert dann einen Analysten der Deutschen Bank mit den Worten: “Griechenland wird gegenüber der Troika nicht zahlungsunfähig, weil die Troika sich selbst bezahlt.“

Die Rücksichtslosigkeit der Zentralbanken wie der Privatbanken hat die Krise enorm verschärft. Die wachsenden Gegensätze zwischen den Staaten drohen die EU und den Euro zu zerstören.

Diese Entwicklungen wirken sich unvermeidlich auch auf das Bewusstsein breiter Schichten der europäischen Bevölkerung aus und untergraben das Vertrauen in die EU. Eine Untersuchung des Pew Forschungszentrums in acht europäischen Staaten hat ergeben, dass nur ein Drittel der Europäer glaubt, dass die wirtschaftliche Integration ein positiver Prozess ist. Das berichtet die spanische Tageszeitung El País.

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