Ägyptische Junta putscht gegen Parlament

Die ägyptische Militärjunta hat am Donnerstag das von den Islamisten dominierte Parlament aufgelöst. Zwei Tage vor der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen kommt das einem Militärputsch gleich. Die Wahl ist die erste seit dem Sturz des Diktators Hosni Mubarak aufgrund von Massenprotesten der Arbeiterklasse im vergangenen Jahr.

Die Entscheidung des Obersten Militärrats (SCAF) der Junta, das Parlament aufzulösen, ging auf eine Entscheidung des Obersten Verfassungsgerichts (SCC) zurück. Es erklärte plötzlich das Wahlgesetz für verfassungswidrig, aufgrund dessen die Parlamentswahlen im November 2011 und Januar 2012 durchgeführt worden waren.

Das Verfassungsgericht setzt sich aus Richtern zusammen, die noch von Mubarak ernannt wurden. Es urteilte, dass die Wahl eines Drittels der Abgeordneten ungültig gewesen sei, weil Parteikandidaten für Sitze nominiert wurden, die ausschließlich für Unabhängige reserviert waren.

Die Vorbereitungen der Junta auf das Urteil machen klar, dass ihr eigentliches politisches Ziel die ägyptische Arbeiterklasse ist und dass sie vor allem ein erneutes Aufleben der Kämpfe der Arbeiterklasse fürchtet, die Mubarak letztes Jahr zu Fall brachten. Noch vor der Urteilsverkündung verstärkte die Junta die Sicherheitsvorkehrungen in Kairo. Vor dem schwer bewachten Gerichtsgebäude fuhren Panzer auf.

Die Straßen entlang des Nils auf Höhe des Gerichtsgebäudes wurden mit Stacheldraht abgesperrt. Soldaten, mehrere Reihen tief gestaffelt, hielten Demonstranten fern, die Parolen gegen die SCAF-Junta riefen und die Säuberung der Justiz forderten. Zornige Jugendliche steckten Schafik-Plakate in Brand, andere reckten ihre Schuhe als Zeichen der Verachtung in die Höhe.

In der gleichen Sitzung bestätigte das Verfassungsgericht die Präsidentschaftskandidatur Ahmed Schafiks, des letzten Ministerpräsidenten unter Mubarak. Das Ergebnis der ersten Runde der Wahlen führte zu einer Stichwahl zwischen Mohammed Mursi, dem Kandidaten der Moslembrüder, und Schafik, dem bevorzugten Kandidaten des Militärs.

Schafiks Kandidatur stand wegen dem sogenannten politischen Ausschluss-Gesetz in Frage, das Anfang des Jahres vom Parlament verabschiedet worden war. Es verbietet hohen Vertretern des Mubarak-Regimes zehn Jahre lang die Kandidatur für politische Ämter.

Um Schafiks Position in der Stichwahl nicht zu gefährden, erklärte der SCC gleich auch noch das politische Ausschluss-Gesetz für verfassungswidrig. Es erklärte, das politische Ausschluss-Gesetz, das sich gegen Vertreter der alten Mubarak-Diktatur richtet, verletze den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz.

Eine im Egyptian Independent zitierte militärische Quelle erklärte, die Junta werde am Dienstag auch die vom Parlament gewählte Verfassungsgebende Versammlung auflösen, deren Aufgabe die Ausarbeitung einer neuen Verfassung ist. Stattdessen sei „eine Verfassungserklärung des Obersten Militärrats geplant, die auch die Bildung einer neuen Verfassungsgebenden Versammlung umfasse“, sagte die Quelle.

Die Gerichtsurteile und die Entscheidungen der Junta entlarven den von der herrschenden Elite Ägyptens und ihren imperialistischen Verbündeten in den USA und Europa propagierten „demokratischen Übergang“ als reinen Betrug.

Mit der Auflösung des Parlaments und der verfassunggebenden Versammlung eignet sich der SCAF alle gesetzgebenden Kompetenzen an, die er im Januar an das Parlament übergeben hatte und übernimmt wieder die Kontrolle über die Ausarbeitung einer Verfassung. 

Die Zusammensetzung der verfassungsgebenden Versammlung war in den letzten Monaten einer der Hauptstreitpunkte zwischen dem SCAF und dem von den Islamisten beherrschten Parlament. Durch die Übernahme der Kontrolle über die Ausarbeitung der Verfassung macht der Militärrat klar, dass er beabsichtigt, die politische Zukunft Ägyptens völlig zu kontrollieren. Vor allem kann er entscheiden, welche Macht der Präsident haben soll und welche nicht. Unter diesen Umständen haben die Präsidentschaftswahlen selbst kaum noch wirkliche Bedeutung.

Das unmittelbare Ziel des Militärputsches ist die islamistische Moslembruderschaft (MB). Nach der ursprünglichen engen Zusammenarbeit des SCAF und der Moslembrüder bei der Unterdrückung der Arbeiterklasse in den ersten Monaten der Revolution nahmen die Differenzen zwischen ihnen nach dem Wahlsieg der Islamisten bei der Parlamentswahl zu. Sowohl Militär, wie auch Moslembrüder kontrollieren große Teile der ägyptischen Wirtschaft und vertreten die wirtschaftlichen und politischen Interessen konkurrierender Fraktionen der herrschenden Elite Ägyptens.

Unmittelbar nachdem Mubaraks Richter Schafik grünes Licht für seine Kandidatur gegeben hatten, gab er eine vom Fernsehen übertragene Pressekonferenz, die Züge einer Siegesrede hatte. Er lobte den SCAF und die Polizei und erklärte, er werde „sich dem Chaos entgegenstemmen und die Stabilität im Land wiederherstellen.“

Er drohte seinen politischen Rivalen unverblümt und sagte: “Die Ära der Abrechnung, der Gesetze, die sich gegen bestimmte Leute richten und der Nutzung staatlicher Institutionen zur Verfolgung eigennütziger Ziele ist vorbei.”

Nach den Entscheidungen des Gerichts traten die MB und ihr politischer Arm, die Freiheits- und Gerechtigkeitspartei, zu Dringlichkeitstreffen zusammen. Mursi erklärte, er werde den Spruch des SCC akzeptieren und im Rennen bleiben. Er sagte: „Wir gehen so weit, wie wir können, und wenn das frühere Regime den Kopf wieder zu erheben versucht, dann wird die Revolution dieses Mal gründlicher sein.“

Mursi ließ keinen Zweifel daran, dass das Ziel der MB eine Übereinkunft mit der Junta ist. Er betonte, dass es keine Alternative zur „Revolution an der Wahlurne gebe“. Er forderte „die Übergabe der Macht und ein Ende der Übergangsperiode“.

Die Sprecherin des amerikanischen Außenministeriums, Victoria Nuland machte klar, dass Washington den Putsch stillschweigend billigt. Sie erklärte, die USA wollten, dass „das ägyptische Volk seine Ziele erreicht, für die es gekämpft hat, nämlich eine freie, faire, demokratische, transparente Regierung, eine Regierung, die den Willen des Volkes repräsentiert, ein gewähltes Parlament, einen gewählten Präsidenten“.

Nulands Bemerkungen sind eine zynische Ausflucht. Wenn die USA keine Einwände gegen den Putsch erheben, dann unterstützen sie die konterrevolutionären Maßnahmen des SCAF genauso rückhaltlos, wie sie Mubarak letztes Jahr unterstützten, als er mit tödlicher Gewalt gegen Massenproteste der Arbeiterklasse vorging.

Mit ihrer konterrevolutionären Offensive signalisieren Mubaraks Generäle, dass sie nicht nur bereit sind, das Mubarak-Regime wiederherzustellen, sondern sich darauf vorbereiten, alle potentiellen Widerstandszentren im Staatsapparat und der offiziellen Politik auszuschalten.

Ultimatives Ziel dieser Unterdrückung ist jedoch die Arbeiterklasse, die die revolutionären Kämpfe angeführt hat, die das Mubarak-Regime gestürzt und das SCAF-Regime wiederholt erschüttert haben. Der Putsch bereitet die Bühne für eine gewaltsame Konfrontation zwischen der Junta und den arbeitenden Massen.

Einen Tag vor den Entscheidungen des Gerichts gab das Justizministerium einen Erlass heraus, der es Polizisten, Militärpolizisten und Geheimdienstmitarbeitern erlaubt, Zivilisten festzunehmen. Das Dekret ist in Wirklichkeit eine Verschärfung der Notstandsgesetze, die erst vor zwei Wochen offiziell ausgelaufen waren.

Der Erlass erlaubt der Junta, jeden einzusperren, der “der Regierung schadet”, “Eigentum zerstört”, “Befehlen Widerstand leistet” oder “den Verkehr behindert”.

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