Ägyptische Präsidentschaftswahlen entlarven bürgerliche Ex-Linke

Die Positionen der bürgerlichen Ex-Linken Parteien in Ägypten vor der Präsidentschaftswahl vom 16. und 17. Juni entlarven wieder einmal ihren politischen Bankrott und ihre konterrevolutionäre Rolle.

Diese Gruppen – die staatskapitalistischen Revolutionären Sozialisten (RS), die Sozialistische Volksbündnispartei (SPAP), die stalinistische Kommunistische Partei Ägyptens (KPE) oder die nasseristische Tagammu – stehen einem revolutionären Kampf für die Mobilisierung der Arbeiterklasse zum Sturz der pro-amerikanischen Militärjunta und dem Kampf für den Sozialismus ablehnend gegenüber. Sie wollen die Arbeiterklasse entwaffnen, indem sie sie verschiedenen Teilen der ägyptischen Bourgeoisie unterordnen.

Die erste Runde der Wahlen war eine politische Travestie und von geringer Wahlbeteiligung geprägt. Sie fand unter der diktatorischen Aufsicht des Obersten Militärrates (SCAF) der herrschenden Militärjunta statt. Sie führte zu einer Stichwahl zwischen zwei rechten Kandidaten. Die ex-linken Gruppen haben einen zynischen Streit darüber begonnen, welcher Kandidat das „kleinere Übel“ sei und deshalb unterstützt werden sollte.

Sie verbünden sich entweder mit Mohammed Mursi, dem Kandidaten der Moslembrüder (MB), oder mit dem Verbündeten des derzeitigen Regimes, Ahmed Schafik, dem letzten Premierminister des abgesetzten Diktators Hosni Mubarak, oder mit dem angeblichen Vertreter eines „dritten Wegs“, dem Nasseristen Hamdien Sabbahi. Damit entlarven sich die Ex-Linken selbst als Werkzeuge der ägyptischen Bourgeoisie.

Am 28. Mai veröffentlichten die RS eine Stellungnahme, in der sie den Kandidaten der Moslembrüder, Mursi, unterstützten. Sie trug den Titel „Nieder mit Schafik... Nieder mit dem neuen Mubarak!“. Die RS behaupteten darin, wer für Mursi stimme, stimme gegen die „Konterrevolution“ und ihren Kandidaten Schafik. Die RS riefen die Moslembrüder dazu auf, eine Regierung der nationalen Einigkeit zu bilden, zu der auch der nasseristische Kandidat Hamdien Sabbahi und der liberale Islamist Abdel Monei Abul Futuh als Vizepräsidenten gehören sollen.

Als Rechtfertigung für die Unterstützung eines rechten bürgerlichen Kandidaten erklärten die RS: „Unsere Position bedeutet natürlich nicht, dass wir unsere Kritik an [seinem] sozialen und wirtschaftlichen Programm... an der politischen Bilanz der Führung der Bruderschaft... oder an dem Vertrauen dieser Führer in den Militärrat und ihre Angriffe auf Revolutionäre fallen lassen.“

Diese Stellungnahme enthüllt den betrügerischen Charakter der Politik der RS. Sie wissen um den reaktionären Charakter der Moslembrüder, sind aber trotzdem bereit, sie zu unterstützen.

Die RS kritisierten auch diejenigen, die keine Unterschiede machen „zwischen den Reformisten der Moslembrüder, die bei den Wahlen von Millionen von Menschen unterstützt werden... und dem Faschismus des Kandidaten des Militärs, Schafik.“

Um ihre Unterstützung für das „kleinere Übel“ Mursi zu rechtfertigen, verwenden die RS den Begriff „Faschist“ als Beleidigung gegen Schafik und die Junta. Damit versuchen sie, die Tatsache zu vertuschen, dass die Armee und die Moslembrüder beide rechte Organisationen der ägyptischen Bourgeoisie sind und der Arbeiterklasse feindselig gegenüber stehen. Schafik und Mursi lobten beide die Armee und die Polizei nach dem ersten Wahlgang und signalisierten, dass sie die Konterrevolution verschärfen würden, wenn sie an die Macht kämen.

Wenn die RS die ägyptische Junta als „faschistisch“ bezeichnen, sollten sie erklären, warum sie sie letztes Jahr unterstützt haben und den Eindruck erweckten, die Junta wolle „das politische und wirtschaftliche System reformieren, damit es demokratischer und weniger unterdrückerisch wird.“

Aber die Militärjunta weist nicht die klassischen Merkmale des Faschismus auf. Dieser ist ein Regime, das verzweifelte Schichten des Kleinbürgertums in Bewegung setzt, um die Arbeiterklasse zu zerschlagen, ihre Organisationen zu zerstören und sie politisch zu atomisieren. Die politische Situation in Ägypten ist immer noch gekennzeichnet durch Proteste der Arbeiterklasse und die Diskreditierung des Regimes der Armee in breiten Teilen der Bevölkerung. Die Linie dieser ex-linken Parteien ist es, den weiteren Widerstand der Bevölkerung abzuwürgen, indem sie entweder die Moslembrüder oder die Junta unterstützen.

Verschiedene andere pseudolinke und liberale Parteien, darunter Tagammu, die Sozialdemokratische Partei Ägyptens, die Kommunistische Partei Ägyptens, das Sozialistische Volksbündnis, die Sozialistische Partei Ägyptens, die Jugendbewegung des 6. April, Mohamed El-Baradeis Nationale Vereinigung für Wandel und Sabbahis nasseristische Partei Karama, stellten schnell klar, dass sie bereit sind, mit einem rechten Kandidaten zu kooperieren.

Sie alle haben am 1. Juni ein „Versprechen “ unterzeichnet, das beiden Kandidaten vorgelegt wurde. Zu den Prinzipien, die in dem Dokument gesetzt werden, gehört die Verteidigung von „Artikel zwei der Verfassung von 1971 und der Verfassungserklärung, die besagt, dass der Islam Staatsreligion ist und die Prinzipien der islamischen Scharia die oberste Quelle der Rechtssprechung sind.“

Das Dokument betont, es sei „wichtig, die Rolle der Streitkräfte und ihre heilige Funktion zum Schutz der nationalen Sicherheit Ägyptens zu respektieren.“ Es verspricht auch, „die wichtigsten Institutionen des Staates vor Einmischung und Unterwanderung durch politische Veränderungen zu schützen“, vor allem „die Rechtsprechung, das Militär, die Polizei, die ehrenwerte [Moschee] Al-Azhar und das Bildungswesen.“

Das „Versprechen“ entlarvt die Ex-Linken als Verteidiger des ägyptischen Staates und als Werkzeuge der Militärjunta. Durch ihre Unterschrift haben sie sich zur Verteidigung der Militärdiktatur und des Staatsapparates des Mubarak-Regimes verpflichtet. Das Dokument verteidigt nicht nur die Verfassung von 1971 – die rechtliche Grundlage für Mubaraks Diktatur – sondern auch den Unterdrückungsapparat inklusive der Polizei und der Armee.

Nur zwei Tage nach Veröffentlichung des Dokumentes erklärte Schafik, er „akzeptiere das gesamte Dokument.“ Tagammu schrieb in einer Stellungnahme vom 3. Juni, es unterstütze Schafik, wenn er das Dokument unterzeichnet. Sie behauptete, nur die Unterstützung von Schafik könne verhindern, dass Ägypten zu einem islamischen Staat wird und warnte, ein Boykott würde zum Sieg Mursis und der Moslembrüder führen, was „eine Bedrohung für den demokratischen und säkularen Staat darstellt.“

Die Ex-Linken reagierten schockiert auf die neuen Massenproteste, die nach dem ersten Wahlgang ausbrachen und nach dem betrügerischen Urteil gegen Mubarak zunahmen. Demonstranten rissen auch Poster von Schafik und Mursi herunter und riefen zum Sturz der Junta auf. Die Angst vor dem Verlust der Kontrolle über die Proteste, die sich vermutlich nach der Stichwahl noch verschärfen werden, führte unter den Mitgliedern zu Diskussionen, ob man weiterhin offen rechte Kandidaten unterstützen und mit ihnen kollaborieren solle.

Am 31. Mai griff die International Socialist Organisation (ISO), ein internationaler Verbündeter der RS, mit einem Artikel mit dem Titel „Wahlen in Ägypten in der Sackgasse“ ein, der auf socialistworker.org veröffentlicht wurde. Der Autor, Alan Maass, kritisierte die Position der RS und lehnte ihre Forderung nach einer Stimme für das kleinere Übel, nämlich den Kandidaten der Moslembrüder, ab, d.h. einer erklärt pro-kapitalistischen Organisation, die islamistische Politik verfolgt.

Die RS antworteten mit einem Artikel mit dem Titel „Eine Antwort zu den Wahlen in Ägypten“ von Mostafa Ali, der am 3. Juni ebenfalls auf Socialistworker.org veröffentlicht wurde. In dem Artikel verteidigte Ali die Unterstützung der RS für Mursi und erklärte, das wichtigste sei es, zuerst den Kandidaten der Konterrevolution zu schlagen. Er behauptete, Mursis Wahlsieg wäre ein „bedeutender Sieg in einer erbitterten Verteidigungsschlacht gegen die Konterrevolution.“

Am 4. Juni signalisierten die RS jedoch ihre Bereitschaft zu einem Richtungswechsel. Sie veröffentlichten eine Stellungnahme „An die Genossen“, in der sie ihre Unterstützung für Mursi als „unreif“ bezeichneten und sich für das „Chaos und die Verwirrung“ entschuldigten, die der Fehler unter den Mitgliedern der Bewegung verursacht habe.

Noch einen Tag später veröffentlichten die RS eine weitere Stellungnahme, in der sie Präsidentschaftswahlen ablehnten „bevor nicht das politische Ausschlussgesetz umgesetzt ist“. Sie forderten die Massen auf, die Wahl „zu boykottieren, wenn das Gesetz nicht umgesetzt wird.“ Am 14. Juni wird das Oberste Verfassungsgericht entscheiden, ob das politische Ausschlussgesetz, das vom Parlament verabschiedet wurde und ehemalige Regierungsmitglieder daran hindert, zur Wahl anzutreten, gegen Schafik angewandt wird.

Inzwischen erklärten einige der Unterzeichner des „Versprechens“, darunter die KPE, die SPAP und die Demokratische Front aus der Bewegung des 6. April, dass sie die Stichwahl ebenfalls boykottieren werden. Am 6. Juni behauptete Nabil Zaki, der Sprecher von Tagammu, die Unterstützung der Partei für Schafik habe auf einem Missverständnis beruht. Er erklärte, Tagammus Ablehnung von Mursi und den Moslembrüdern bedeute nicht, dass sie zur Wahl von Schafik aufriefe.

Die Verwirrung der Ex-Linken ergibt sich aus ihrer Angst vor neuen sozialen Explosionen gegen die Militärjunta, die Moslembrüder und das ganze betrügerische Gerüst des „demokratischen Übergangs.“ Wer soll die Arbeiterklasse verwirren und demoralisieren, wenn die Ex-Linken bereits in einem offenen Bündnis mit einem der rechten Kandidaten sind, die beide bei den Massen diskreditiert sind?

In einem Artikel vom 12. Juni fordert auch Anne Alexander, ein führendes Mitglied der britischen Socialist Workers Party, für die Moslembrüder zu stimmen. Die SWP ist ebenfalls ein internationaler Verbündeter der RS. Gleichzeitig warnt sie, dass „Millionen von Wählern, vor allem in den großen städtischen Zentren und den Gebieten der Arbeiterklasse, von der Bruderschaft desillusioniert sind.“ Sie fügt hinzu: „Das Ausmaß der Proteste letzte Woche zeigt die Notwendigkeit und das Potenzial, eine revolutionäre Bewegung aufzubauen, die den Widerstand nach der Wahl fortführt.“

Damit bleibt eine offensichtliche Frage unbeantwortet: Wenn Millionen von Arbeitern desillusioniert und wütend auf die rechte Moslembruderschaft sind, warum sollen sie sie dann wählen?

Alexanders Gerede vom Aufbau einer „revolutionären Bewegung“ der Ex-Linken ist nichts als Phrasendrescherei, um ihre Pläne für eine weitere rechte Koalition zur Unterdrückung der Arbeiter zu verbergen. Alexander schreibt, eine solche Bewegung müsse auch „die wütenden Straßenkämpfer, die jungen Aktivisten und die Fußball-Ultras einbeziehen.“

Da die Militärjunta und die Moslembrüder unter den Massen diskreditiert sind, hoffen die Ex-Linken, dass Sabbahi und Futuh in der Lage sein werden, die Arbeiter über einen „dritten Weg“ zu kontrollieren. Alexandra lobt beide in ihrem Artikel als „die beiden wichtigsten revolutionären Kandidaten.“ Das ist eine Lüge. In Wirklichkeit sind Futuh und Sabbahi, genau wie Schafik und Mursi, Vertreter der herrschenden Klasse Ägyptens, und bereit dazu, die Macht und den Reichtum der Elite gegen jede unabhängige Bewegung von unten zu verteidigen.

Futuh, der im ersten Wahlgang von der rechten salafistischen Nur-Partei und al-Gama’a al-Islamiya unterstützt wurde, rief vor kurzem dazu auf, in der Stichwahl für Mursi zu stimmen. Sabbahis Karama-Partei hat in den letzten Monaten eng mit den Moslembrüdern und der Militärjunta zusammengearbeitet. Sie ist Teil der Demokratischen Allianz im ägyptischen Parlament, die von der Bruderschaft angeführt wird, und gehörte zu den Parteien, die im letzten November eine Vereinbarung mit der Junta unterzeichneten, in der sie ihre Unterstützung und Anerkennung der Rolle der Junta als „Beschützer der Revolution“ und Organisatorin des „demokratischen Übergangs“ anerkannten.

Loading