Das Mubarak-Urteil

Die Urteile, die am vergangenen Samstag im Prozess gegen den gestürzten ägyptischen Präsidenten Mubarak und seine engsten Vertrauten ergingen, sind eine politische Farce.

Mubarak und der ehemalige Innenminister Habib El-Adly waren als Verantwortliche für die Ermordung von Demonstranten durch die Polizei in den ersten Wochen der ägyptischen Revolution im Januar / Februar 2011 angeklagt. Das Gericht stellte fest, dass ihnen keine Beteiligung an den Morden nachgewiesen werden konnte. Beide wurden zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt, jedoch nur, weil sie die Morde nicht verhindert haben. Mehr als eintausend Menschen starben beim damaligen Aufstand durch Polizeigewalt.

Das Gericht sprach El-Adlys Stellvertreter und die Chefs der verschiedenen Sicherheits- und Polizeikräfte frei, die die tödlichen Angriffe auf Demonstranten angeordnet hatten. Mit der Begründung, dass Mubarak keine aktive Beteiligung an den Verbrechen nachgewiesen werden konnte, hat das Gericht den Weg für einen zukünftigen Freispruch geebnet, falls Muburak Revision gegen das Urteil einlegen sollte.

Dias Urteil spricht sowohl die Staatsmaschine, auf die sich die führende Junta stützt, wie auch den amerikanischen und den europäischen Imperialismus von jeglicher Schuld frei. Nach jahrzehntelanger enger Zusammenarbeit mit Mubarak gaben Washington und seine Verbündeten ihm während des Aufstands vom Februar 2011 Rückendeckung. Inzwischen unterstützen sie die Junta. Anfang Februar 2011 erklärte der US-Gesandte Frank Wisner, nachdem ägyptische Sicherheitskräfte Hunderte von Demonstranten getötet hatten: „Präsident Mubaraks Rolle bleibt in den kommenden Tagen, in denen wir nach einem Weg in die Zukunft suchen, von entscheidender Bedeutung.“

Das Urteil macht klar, dass sich das gegenwärtige ägyptische Regime auf eine Lüge stützt, nämlich die Behauptung, dass die sozialen und demokratischen Hoffnungen, die die Arbeiterklasse vergangenes Jahr in einen revolutionären Kampf getrieben haben, durch die Beseitigung einiger Beamter an der Spitze des Staatsapparates beseitigt werden könne. Jede ernsthafte Untersuchung von Mubaraks Verbrechen würde den Charakter des gesamten Staatsapparates der ägyptischen herrschenden Klasse enthüllen. Die ägyptische Junta, die aus Mubaraks alten Generälen besteht, stützt sich auf dieselben Sicherheitskräfte wie Mubarak, wird von seinem Justizapparat geschützt und von seinen Verbündeten unter den imperialistischen Mächten bewaffnet.

Das Urteil offenbart auch den politischen Bankrott der kleinbürgerlichen ägyptischen „Linken“. Aus Feindschaft gegenüber einem revolutionären Kampf zur Mobilisierung der Arbeiterklasse zum Sturz des Regimes und zum Kampf für den Sozialismus haben sie die Illusion verbreitet, dass es möglich sei, die Demokratie unter der Diktatur der Junta aufzubauen. Das Urteil im Mubarak-Prozess bestätigt einmal mehr den verlogenen Charakter des sogenannten „demokratischen Übergangs“ unter der Junta – einschließlich der Präsidentschafts-Stichwahlen vom 16. und 17. Juni.

Beide Kandidaten, die es bis in die Stichwahl geschafft haben, Ahmed Schafik, der letzte Premierminister unter Mubarak, und Mohamed Mursi, der Kandidat der rechtsgerichteten Moslembruderschaft (MB), stehen der Revolution zutiefst feindselig gegenüber. Schafik hat Mubarak Berichten zufolge in einer Rede vor der amerikanischen Handelskammer in Ägypten als „Vorbild“ beschrieben und darauf gedrängt, Recht und Ordnung innerhalb eines Monats durch Hinrichtungen und Anwendung brutaler Gewalt wiederherzustellen.

Mursi, der mit der Junta zusammengearbeitet hat und enge Verbindungen zu den USA unterhält, machte ebenfalls deutlich, dass er beabsichtigt, sich auf Mubaraks politisches Establishment zu verlassen. Nachdem er die erste Runde der Wahlen gewonnen hatte, lobte er die Armee und die Polizei und versicherte beiden, dass „der Status der Polizisten und Offiziere derselbe bleiben wird“.

Trotz dieser Äußerungen verstärken die kleinbürgerlichen „Linken“ ihre Kampagne zur Unterstützung von Mursi und stützen dadurch die bestehende soziale Ordnung. Am Samstag erklärte Hisham Fouad, ein Führer der Revolutionary Socialists (RS) auf dem Tahrir-Platz: „Ich stehe bei den Präsidentschaftswahlen strategisch an der Seite von Mohamed Mursi. Wenn weiterhin viele Ägypter auf die Plätze und Straßen strömen, wird es in unseren Augen für Schafik schwerer, an die Regierung zu kommen.“ Der Aufruf der kleinbürgerlichen „Linken“ zu einer „strategischen“ Abstimmung für die islamistische Rechte, der einer Versöhnung mit dem ägyptischen Staat gleichkommt, ist nur der jüngste Verrat nach einer ganzen Serie politischer Betrügereien.

In den ersten Monaten der Revolution priesen die RS die Junta als eine progressive Kraft und behaupteten, die Generäle der Junta könnten zu Reformen und zur Säuberung der Einrichtungen des Mubarak-Regimes gedrängt werden. Nachdem diese Perspektive letztes Jahr durch die Forderungen nach einer „zweiten Revolution“ – der sich die RS widersetzten - zerbrach, unterstützen sie jetzt die islamistischen Moslembrüder als Alternative zu den ehemaligen Regimevertretern Mubaraks.

Nach den ersten Siegen hat die Erfahrung der Revolution gezeigt, dass Protestwellen, wie stark sie auch immer sein mögen, den Sieg der sozialen und demokratischen Forderungen der Revolution nicht sichern können. Die Arbeiterklasse wird nichts dafür bekommen, dass sie versucht, den Staatsapparat Mubaraks in irgendeine Richtung zu drängen oder zu reformieren. Der einzige Weg nach vorn führt über dessen Sturz.

Die schwierige Aufgabe, vor der die Arbeiterklasse steht, ist der Aufbau eigener Kampforgane. Die Arbeiter müssen die Grundlage für den Sturz des Regimes und seine Ersetzung durch einen Arbeiterstaat schaffen, der in Ägypten, im ganzen Nahen Osten und international für sozialistische Politik kämpft.

Einzig und allein ein solcher Arbeiterstaat wird in der Lage sein, die Verbrechen von Mubarak und seinen imperialistischen Hintermännern lückenlos aufzudecken.

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