Die politischen Fragen bei den Wahlen in Griechenland

Die Wahlen, die am Sonntag in Griechenland stattfinden, werden allgemein als der entscheidende Moment dargestellt, in dem die griechische Bevölkerung die Chance hat, nicht nur die Zukunft ihres eigenen Landes zu entscheiden, sondern auch den Kurs Europas. Aber für die herrschende Elite Europas ist Griechenlands Schicksal bereits entschieden.

Egal wer die Wahl gewinnt, die Arbeiterklasse wird gezwungen sein, für das Rettungspaket in Höhe von 200 Milliarden Euro in Form von Sparmaßnahmen zu bezahlen, die die Troika aus Europäischer Union (EU), Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) in ihrem Memorandum als Bedingung gestellt hat. Danach wird es unweigerlich Forderungen nach weiteren Opfern geben, egal ob Griechenland in der Eurozone bleiben darf oder nicht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte vor der Wahl noch einmal kurz und knapp, Deutschlands Mittel seien „nicht unbegrenzt“ und lehnte alle Vorschläge ab, dass Frankfurt für Eurobonds und EZB-Schuldengarantien zahlen solle. Ihre Statements richteten sich gegen Frankreich, Großbritannien und die USA. Aber trotz aller Streitpunkte sind sich bei Griechenland alle einig.

Es gibt zahlreiche Berichte, laut denen die EU und die Zentralbanken der Welt detaillierte Pläne für einen Austritt Griechenlands aus dem Euro entworfen haben. Das Rettungspaket für Spanien in Höhe von 100 Milliarden Euro vom letzten Wochenende wurde allgemein als Versuch gewertet, eine Brandschutzmauer aufzubauen, um die Folgen eines Zusammenbruchs der griechischen Wirtschaft für andere Länder geringer zu halten.

Der britische Finanzminister George Osborne sagte am Wochenende, ein Austritt Griechenlands wäre möglicherweise der Preis dafür, Deutschland davon zu überzeugen, den Euro „zu retten.“ Bekräftigt wird Osbornes Behauptung durch den Sturm auf Griechenlands Banken, der zu einem Rückgang der Einlagen in Höhe von 50 Prozent und einem täglichen Kapitalabfluss von 500 Millionen Euro geführt hat. Der ehemalige Lehman Brothers-Banker Michael Tory drückte sich noch offener aus als Osborne. Er erklärte, ein Austritt Griechenlands würde Europa ähnlich zum Handeln zwingen wie die Pleite von Lehman Brothers.

Die Anspielung auf Lehman Brothers zeigt, dass dies eine Forderung der internationalen Hochfinanz nach noch mehr Geld für die Banken ist, das mit noch tieferen und brutaleren Kürzungen eingetrieben werden wird.

Kurzzeitig Zugeständnisse anzubieten, ist als Teil des Krisenmanagements nicht ausgeschlossen. Aber die Abwärtsspirale Griechenlands wird weitergehen.

Die Krise in ganz Europa eskaliert mit jedem Tag und alle Gegenmaßnahmen erweisen sich als ineffektiv. Die Spekulanten haben sich schon von Griechenland abgewandt. Die Auswirkung der Rettung von Spanien war nur kurzlebig. Seine Zinsen sind jetzt oberhalb der Marke von sieben Prozent, was als „nicht nachhaltig“ gilt. Italien gilt allgemein als der nächste Kandidat für eine Rettungsaktion der Troika.

Die Schneise der Verwüstung, die die räuberischen Forderungen der Banken und Spekulanten hinterlassen, ist nirgendwo so deutlich wie in Griechenland. Nach fünf Jahren Sparkurs ist sein Bruttoinlandsprodukt um schätzungsweise 27 Prozent gesunken – ein für Friedenszeiten beispielloses Ergebnis.

Ein Viertel der Arbeiter, und die Hälfte der Jugendlichen sind offiziell arbeitslos. Weitere Millionen sind in Kurzarbeit beschäftigt und verdienen dabei weniger als 300 Euro im Monat. Die Löhne wurden um bis zu 50 Prozent gesenkt, das Sozialsystem steht vor dem Zusammenbruch. Hunger, Obdachlosigkeit und Selbstmorde sind in zahllosen herzerweichenden Meldungen zum Thema geworden.

Trotz diesem schrecklichen Zustand spricht keine Partei in Griechenland für die Interessen der arbeitenden Bevölkerung.

Nea Dimokratia und Pasok sind direkt am Ruin ihres eigenen Volkes beteiligt. Ihr Wahlkampf übersetzt die Forderungen der Troika in die Formel: Tut, was man euch sagt, oder es gibt eine soziale Katastrophe!

Die Koalition der Radikalen Linken (Syriza) stellt keine Alternative dar. Die Koalition und ihr Chef Alexis Tsipras wettern zwar gegen die Ungerechtigkeiten, die die Bevölkerung durch das Memorandum erleidet, aber ihr erklärtes Ziel ist es, alles Notwendige zu tun, um Griechenland in der EU und der Eurozone zu halten. Dafür schlägt Syriza nur eine langsamere Begleichung der Schulden vor, gebunden an Bestrebungen, das Steueraufkommen durch effektiveres Steuereintreiben zu erhöhen. Sie hofft, Europas führende Mächte davon zu überzeugen, dass dies attraktiver ist als Griechenland in den Staatsbankrott zu treiben.

Auf diesem Weg gibt es keine Lösung.

Alle Parteien sind sich darin einig, dass Arbeiter und Jugendliche darauf hoffen sollen, mit einem Teil der Bourgeoisie einen Kompromiss zu schließen. Dabei erhalten sie Unterstützung von den Gewerkschaften, die alle Kämpfe gegen die von der Troika diktierten Sparmaßnahmen sabotiert haben.

Jetzt hängt alles davon ab, dass sich die Arbeiterklasse unabhängig ins politische Geschehen einmischt.

Griechenlands Arbeiter und Jugendliche erleben die vollen Auswirkungen des weltweiten Versagens des Kapitalismus. Trotz der besonderen Merkmale der Krise in Griechenland, der EU und des Euro ist das eigentliche Problem das Profitsystem selbst, das unvereinbar ist mit den grundlegenden Bedürfnissen der breiten Masse der Menschheit. Das trifft genauso auf die USA, Russland, Japan, Indien und China zu wie auf Europa.

Griechenland ist das Opfer einer sozialen Konterrevolution, die von der herrschenden Elite durchgeführt wird, und die sie auf ganz Europa ausdehnen will. Auf dem ganzen Kontinent wurden bereits Kürzungen in Höhe von hunderten Milliarden Euro durchgeführt. In Griechenland testet die herrschende Klasse aus, wie weit sie gehen kann.

Auf diesem Kurs ist ein Entscheidungskampf zwischen der herrschenden Elite und der Arbeiterklasse unvermeidlich. Es wird offen darüber diskutiert, ob die soziale Unruhe in Griechenland so weit eskaliert, dass das Militär zu Hilfe gerufen werden muss. Pläne für einen Austritt Griechenlands beinhalten eine Schließung der Grenzen, und es finden bereits Militärmanöver als Vorbereitung für soziale Unruhen statt.

Die Frankfurter Allgemeine (FAZ) fasste die Stimmung in den herrschenden Kreisen zusammen, als sie erklärte, Europa müsse Truppen schicken, sollte Griechenland zum gescheiterten Staat werden. „Wenn Athen nicht mehr in der Lage sein sollte, seine Staatsdiener zu bezahlen, oder nur in Drachmen“, würde die Situation „chaotisch“ werden, Griechenland würde „von Rebellionen erschüttert“ schrieb sie letzten Monat.

Über die Ausweitung der Stationierung von EU-Truppen an der griechisch-türkischen Grenze schrieb sie: „Hoffentlich wird eine internationale Schutztruppe, wie sie in den im Norden angrenzenden krisengeplagten Ländern eingesetzt ist, nicht notwendig sein.“

Die griechische Arbeiterklasse darf ihr politisches Handeln nicht auf falschen Hoffnungen aufbauen, wie sie von Syriza propagiert werden, oder auf den Ängsten, die Nea Dimokratia und Pasok schüren. Sie muss der Realität ins Gesicht blicken.

Das gleiche gilt für alle Arbeiter Europas, die genauso entschlossen ihre griechischen Brüder und Schwestern gegen die herrschende Elite verteidigen müssen, die sie in die Armut treiben will.

Die Solidarität mit den griechischen Arbeitern muss der Kern einer politischen Bewegung der ganzen europäischen Arbeiterklasse gegen die räuberischen Regierungen in Berlin, Paris, London, etc. sein. Die EU der Unternehmer muss gestürzt und durch Arbeiterregierungen und die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa ersetzt werden.

Dazu müssen unabhängige Kampforganisationen in allen Betrieben und allen Stadtvierteln aufgebaut werden. Vor allem erfordert es eine wirklich sozialistische Führung und den Aufbau von Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale.

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