Proteste in Russland: Liberale, Pseudo-Linke demonstrieren mit der extremen Rechten

Am vergangenen Dienstag nahmen zehntausende Menschen in Moskau an der regierungsfeindlichen Demonstration „Marsch der Millionen“ teil, die von liberalen und pseudo-linken Organisationen geführt wurde. Die Proteste umfassten nach unterschiedlichen Angaben 20 000 bis 100 000 Menschen und waren damit die größten seit Ende letzten Jahres. Besonders bemerkenswert war dabei die starke Präsenz von Ultrarechten und Neofaschisten. Obwohl rund 12.000 Polizisten im Einsatz waren, verlief die Demonstration vollkommen friedlich.

Der reaktionäre Charakter der Proteste wurde dadurch unterstrichen, dass die Opposition sich entschieden hatte, sie am „Russland-Tag“ abzuhalten, einem nationalen Feiertag in Russland, der die „Unabhängigkeit“ Russlands von der Sowjetunion im Jahr 1990 feiern soll. Die darauffolgende kapitalistische Restauration hat zu einer der größten wirtschaftlichen und sozialen Katastrophen der jüngeren Geschichte geführt.

An den Protesten nahmen sehr viele Leute teil, obwohl der Kreml zuvor die Repressionen gegen Demonstranten und Oppositionsführer massiv verstärkt hatte. Am 9. Juni trat ein neues Anti-Demonstrationsgesetz in Kraft, das Strafgelder von bis zu 300.000 Rubel (rund 9000 US-Dollar) für das „Tragen von Masken“ oder „Verkehrsstörungen“ von Demonstranten vorsieht. Am Wochenende vor der Protestaktion wurden die Wohnungen und Büros der führenden Oppositionellen Alexei Navalni, Xenia Sobchak, Sergei Udlatsow und Ilja Jaschin durchsucht. Die Oppositionsführer wurden für Dienstag zu Verhören bestellt, damit sie nicht an den Protesten teilnehmen konnten. Sergei Udlatsow von der „Linken Front“ erschien trotzdem auf der Demo.

Bei der Demonstration waren Studenten und Pensionäre ebenso zu sehen wie berühmte Schriftsteller, Schauspielerinnen und Unternehmer. Ein Kommentar auf der bekannten Internetzeitung Gazeta.Ru bemerkte, das einzige, was die Protestierenden vereinte, sei „das Gefühl, dass sie die Regierung satt haben“. Am Ende der Demonstration wurde eine Erklärung verabschiedet, in der noch einmal die früheren Forderungen der Bewegung wiederholt wurden: der Rücktritt Putins, neue Parlamentswahlen und das Verbot einer möglichen dritten Amtszeit als Präsident.

Die meisten Medienkommentare verwiesen dabei auf eine starke Präsenz extrem rechter Kräfte. Nazi-Grüße und Losungen wie „Russland den Russen“ trugen ihren Teil zu der Atmosphäre bei der Demonstration bei. Zwar waren zaristische Flaggen und faschistische Slogans auch schon bei den Demonstrationen im Dezember zu sehen gewesen, doch dieses Mal schienen sie in einem weit höheren Maße präsent zu sein. Ein Kommentator auf Gazeta.Ru schrieb, dass die Demonstration „eher dem „Russischen Marsch“ ähnelte als vorangegangenen Protesten „Für ehrliche Wahlen.“ Der „Russische Marsch“ wird jährlich von Ultranationalisten abgehalten.

Boris Nemtsow, ein bekannter liberaler Oppositioneller und früheres Regierungsmitglied unter Jelzin, wurde bei seiner Rede von Nationalisten wegen seiner jüdischen Herkunft als „Judas“ beschimpft und ausgebuht.

Während demokratische Demonstranten zweifellos über solche rechte Tendenzen empört waren, wurden die Faschisten von keinem der Organisatoren kritisiert. Im Gegenteil – die Liberalen und Pseudo-Linken arbeiten im Nahmen „der Einheit der Opposition“ mit diesen extrem rechten Tendenzen zusammen.

Eine der führenden liberalen Oppositionsfiguren ist Alexei Navalni, bekanntermaßen ein Rassist, der am letzten „Russischen Marsch“ im Herbst 2011 teilgenommen hat.

Der bekannte Nationalist Ivan Mironow, der eines versuchten Attentats auf den liberalen Politiker und Unternehmer Anatolij Tschubais verdächtigt wird, durfte bei der Demonstration auftreten. Er verlas den Brief eines inhaftierten rechten Aktivisten und zitierte: „Es gibt keinen Menschen, der keine Angst vor Repressionen hätte (…) aber erst im Gefängnis versteht man, dass die Freiheit es [den Kampf gegen Repressionen] wert ist.“

Die Stellungnahme von Sergei Udaltsow von der „Linken Front“, in der er betonte, wie fantastisch es sei, dass sich so viele Menschen versammelt hätten, um „gegen Repressionen zu protestieren“, kann da nur als Einladung zu einer weiteren Zusammenarbeit mit der extremen Rechten verstanden werden.

Die „Linke Front“ ist ein politischer Block der Stalinistischen KPRF und der pablistischen Russischen Sozialistischen Bewegung (RSB) mit anderen „linken“ Kräften. Sie ist darüber hinaus in einer Allianz mit der „Anderes Russland“-Koalition, die unter anderem die rechte Nationalbolschewistische Partei von Eduard Limonow, die Vanguarde der Roten Jugend und die Vereinigte Bürgerfront des liberalen Garri Kasparow umfasst.

Udaltsow und der Nationalbolschewik Eduard Limonow haben erst vor kurzem einen medienwirksamen Streit ausgetragen, in dem Udaltsows Hauptvorwurf gegenüber Limonow war, dass dieser versuche, „die Opposition zu spalten“.

Die pablistische RSB, die international unter anderem mit der französischen NPA verbunden ist, unterstützt Udaltsows Linie vollkommen und veröffentlichte auf ihrer Website das „Manifest linker Kräfte“ der Linken Front. Darin wird argumentiert, dass die kleinbürgerlichen Proteste der Ausgangspunkt einer breiten Bewegung der Arbeiterklasse werden müssten, und Referenden „zu den wichtigsten Fragen, die die Entwicklung der Nation betreffen“ verabschiedet werden müssten. Dazu stellt es einige populistische Minimalforderungen wie die Erhöhung der Renten oder eine Senkung der Kosten für den Nahverkehr auf.

In einem Kommentar zu den Protesten am Dienstag beklagte die RSB, dass die Demonstration „unartikuliert“ gewesen sei, aber mit keinem Wort verwies sie auf die Präsenz von ultrarechten Tendenzen. Ihre größte Sorge war vielmehr, dass die Liberalen die „Linken“ ausschließen würden.

Gruppen wie die Linke Front oder die RSB sind nicht links, geschweige denn sozialistisch, sondern nationalistische Kritiker des Kremls. Ungeachtet ihrer linken Rhetorik, sind sie erbitterte Feinde der Prinzipien des internationalen Sozialismus. Durch ihre Kollaboration mit den Liberalen und Ultrarechten stärken sie solche Kräfte und desorientieren die Arbeiterklasse. Die Suche von Arbeitern nach einer linken Alternative zu der rechten Kremlpolitik findet in diesen Organisationen keinen Ausdruck.

Der Kreml hat rechte und nationalistische Tendenzen über Jahrzehnte hinweg bewusst gefördert, um die multi-ethnische Arbeiterklasse in Russland zu spalten, sie von ihren internationalen Klassenbrüdern und –schwestern zu isolieren und soziale Frustration in rechte Kanäle zu lenken. Die Opposition unterstützt diese Politik und den russischen Kapitalismus, indem sie der extremen Rechten eine prominente Plattform bietet.

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