Die reaktionäre Politik der australischen Grenzsicherung

Die Socialist Equality Party, Australien, hat für die Nachwahl am 21. Juli im Bundesstaat Viktoria das Vorstandsmitglied der SEP, Patrick O’Connor, für einen Sitz in Melbourne aufgestellt.

In einer Wahlerklärung schrieb die SEP, dass sie für die unabhängigen Interessen der Arbeiterklasse gegen Labor, die Liberalen und Grünen kämpfe. „Wir kämpfen gegen die Zerstörung von Arbeitsplätzen, den Angriff auf Löhne und Arbeitsbedingungen und die Abschaffung von Sozialleistungen“, schrieb die SEP. Und weiter: „Unser Wahlkampf bietet Arbeitern und Jugendlichen die einzig gangbare Alternative zu dem politischen Programm und den Parteien der Wirtschaft und des Finanzkapitals. Unsere Perspektive ist die Mobilisierung der Arbeiterklasse für die Schaffung einer sozialistischen Gesellschaft auf der Grundlage von sozialer Gleichheit und Freiheit und einer demokratisch geplanten Wirtschaft, die den Interessen der Mehrheit dient und nicht den Profitinteressen einer winzigen privilegierten Elite.“

Heute dokumentieren wir die Stellungnahme von Patrick O’Connor zu der reaktionären und inhumanen Flüchtlingspolitik der herrschenden Klasse Australiens, die von allen offiziellen Parteien getragen wird.

In den vergangenen Tagen ereigneten sich vor australischen Gewässern zwei Flüchtlingsbootskatastrophen, die über 100 Menschenleben kosteten. Im Parlament von Canberra spielten sich ungewöhnliche Szenen ab. Am Donnerstag wurde die laufende Sitzung im Abgeordnetenhaus unterbrochen, einen Tag später ebenso die Senatssitzung. Die Parlamentarier versuchen, Einigung über ein neues Gesetz zu erreichen, mit dem die internationalen Gesetze zum Schutz von Asylsuchenden noch weiter verhöhnt werden, und das neue Sanktionen für diejenigen vorsieht, die vor Verfolgung fliehen und über den Seeweg Zuflucht in Australien finden wollen.

Diese Scheindebatte wurde unter der Flagge der “Humanität” abgehalten. Mehrere Parlamentarier weinten, als vom tragischen Schicksal der Asylsuchenden berichtet wurde, die im Meer oder an der felsigen Küste der Weihnachtsinsel ertranken…Doch ihre Erschütterung führte lediglich dazu, dass sie nach neuen Gesetzen verlangten, die es erlauben, Flüchtlinge – Männer, Frauen und Kinder – loszuwerden, indem sie in armselige Sammellager in südostasiatischen oder südpazifischen Ländern deportiert werden, wo sie völlig rechtlos sind. Die großen Parteien beteuern, dies sei der einzige Weg, um andere Asylsuchende davon abzuschrecken, die gefährliche Reise über den Ozean nach Australien aufzunehmen und damit weitere Katastrophen durch Ertrinken zu verhindern.

Was für eine widerwärtige Verlogenheit! Diese Klageweiberposse in Canberra unterstreicht die reaktionäre Politik des gesamten Systems der „Grenzsicherung“. Im Rahmen meines Wahlkampfes in den Nachwahlen von Melbourne rufe ich die arbeitenden Menschen und Jugendlichen auf, die verlogene Debatte zurückzuweisen, die die Labor Party, die Liberalen und die Grünen führen und das uneingeschränkte Recht jedes Menschen zu verteidigen, überall in der Welt leben und arbeiten zu können, wo er möchte und dort volle und gleiche Bürgerrechte zu genießen. Die Arbeiterklasse kann ihre Interessen nur verteidigen, wenn sie auch die Interessen aller unterdrückten Menschen verteidigt. Vor allem gilt dies für verfolgte Flüchtlinge, die ihr gesetzliches und demokratisches Recht wahrnehmen wollen, in Australien um Asyl zu ersuchen.

Überladene und unsichere Kähne versuchen nur darum von Indonesien und anderen Ländern aus nach Australien zu schippern, weil es für Flüchtlinge praktisch unmöglich ist, erfolgreich über die offiziellen Wege einzureisen und Asyl zu beantragen. Die Menschen werden erst dann nicht mehr im Meer ertrinken, wenn diese Hindernisse nicht mehr existieren und alle Flüchtlinge, die nach Australien kommen wollen, eine sichere Überfahrt von Südostasien und anderen Regionen haben. Doch das gesamte politische und Medienestablishment lehnt dies rundheraus ab.

Wenn man die Krokodilstränen und emotionalen Zurschaustellungen, die vor ein paar Tagen im Parlament geboten wurden, als heuchlerisch bezeichnet, dann untertreibt man.

Solche Zurschaustellungen gibt es in Canberra nicht angesichts zahlloser Selbstmorde, Selbstverstümmelungen und epidemischer mentaler Zusammenbrüche in den Flüchtlingsinternierungslagern. Es wurde auch von keinem Parlamentsmitglied ein einziges Wort darüber verloren, warum und wie es möglich war, dass so viele Flüchtlinge im Meer zwischen Indonesien und Australien sterben mussten, obwohl das Radar der australischen Aufklärung neben Satellitenüberwachung das Gebiet extensiv überwacht. Darüber hinaus ist jetzt durch Beweise dokumentiert, dass viele, wenn nicht alle, der sogenannten Menschenschmugglernetzwerke in Indonesien von Informanten und Spionen der australischen Bundespolizei (Australian Federal Police) durchsetzt sind. Keiner der Parlamentarier hinterfragte, was als offizielle Position des australischen Grenzschutzführungsstabs (Border Protection Command) gilt: dass keine der Polizei-, Marine- oder Zolleinrichtungen, die von ihm betrieben werden, irgendwelche Verantwortung dafür trägt, Flüchtlingen zu helfen, deren Kähne in Seenot geraten.

Tatsächlich wurde jede Katastrophe seit dem SIEV-X-Unglück im Jahr 2001 von den nachfolgenden australischen Regierungen als nützliche Abschreckung für potenzielle Asylsuchende, die nach Australien zu kommen versuchen, begrüßt.

Nach stundenlangem Diskutieren und eitlem Geschwätz im Abgeordnetenhaus segneten die versammelten Politiker „Kompromiss“-Gesetze ab, die der parteilose Unterstützer der Regierung, Rob Oakeshott, abgefasst hat und die eine kürzliche Entscheidung des High Court umstoßen, nach der die von der Regierung geplante Deportation von Asylsuchenden nach Malaysia nicht verfassungskonform sei. Gleichzeitig werden den oppositionellen Liberalen die Türen geöffnet, die Nauru als Abladeplatz bevorzugen.

Unmittelbar nach der Abstimmung versammelten sich die Abgeordneten Labors, der Liberalen und Grünen in gemütlicher Plauschstimmung zum jährlichen Midwinter Ball in der Parlamentspressegalerie und führen damit den unaufrichtigen Charakter der Parlamentsdebatte vor Augen. Über diese verschwenderische Veranstaltung prahlen ihre Organisatoren, sie bringe „die führenden Journalisten, Politiker und Konzernchefs Australiens zu einer unvergesslichen Nacht der Unterhaltung und Vernetzung zusammen.“

Trotz ihrer formalen Opposition gegen die Gesetze sind die Grünen voll eingebunden in alle Schritte, welche die Labor-Regierung einleitet, um internationale Gesetze zum Schutz von Flüchtlingen und Asylsuchenden noch weiter zu unterlaufen. Sie akzeptieren das komplette System des „Grenzschutzes“, das auf dem „Recht“ des kapitalistischen australischen Staates gründet, die Einreise von Flüchtlingen und Einwanderern zu kontrollieren. Die Grünen stehen unerschütterlich loyal zu ihrem Abkommen, die Minderheitsregierung von Premierministerin Julia Gillard im Parlament zu unterstützen. Sie tun dies unbeschadet ihrer höflich vorgetragenen Differenzen über den sogenannten Umgang mit küstennahen Flüchtlingen, und sie setzen ihre bedingungslose Unterstützung für den jährlichen Haushalt der Regierung fort, der auch die Finanzierung für das verbindliche Internierungssystem beinhaltet, das die Grünen zu bekämpfen vorgeben.

Adam Bandt, der Grünen-Abgeordnete für Melbourne, klang in der Debatte beinahe entschuldigend, als er erklärte, dass er das „Kompromiss“-Gesetz nicht unterstützen könne, da es den Umgang mit küstennahen Flüchtlingen involviere. Zuvor hatte er an einem parlamentarischen Allparteientreffen teilgenommen, das Einigung über die neuen Gesetze erzielen sollte. Bandt drängte auf eine „wirkliche regionale Lösung“, die, wie die Grünen erklärten, Maßnahmen beinhalten müsste, „Anreize für bessere Aufklärungsarbeit und Kooperationen zu geben, die als allererstes diese Menschen abhalten würden, Boote zu besteigen. Beispielsweise könnte man mit indonesischen Flughäfen, indonesischer Polizei Polizei und indonesischem Militär zusammenarbeiten.“

Die Anstachelung von Fremdenhass gegenüber Einwanderern und die Entfachung von nationalistischem Chauvinismus sind Bestandteil des historischen Handwerkszeugs der australischen herrschenden Klasse, besonders ihrer Agenten in der Labor Party und den Gewerkschaften. Es ist kein Zufall, dass beides jetzt inmitten der umfassendsten globalen Wirtschaftskrise seit den 1930er Jahren sowie wachsender sozialer Antagonismen innerhalb Australiens wieder auftaucht. Die „Ausländer“ sollen als Sündenböcke herhalten für die Ablenkung vom wahren Grund für den Verfall des Lebensstandards und der wachsenden Arbeitslosigkeit: dem Profitsystem selbst sowie den Sparmaßnahmen, die von den Landes- und Staatsregierungen beschlossen wurden, um die unersättlichen Forderungen des Finanzmarktes zu befriedigen.

Das politische Establishment hält das „Recht“ des Kapitals, den Planeten auf der Suche nach Profit abzugrasen, für selbstverständlich. Überdies stellt sich den Superreichen kein Hindernis in den Weg, wenn sie ihr Leben oder ihre Geschäfte dort verbringen, wo sie es wünschen. Erst letzten Monat verkündete die Gillard-Regierung neue Maßnahmen, die vorsehen, die Visa- und Einwanderungsformalitäten für alle zu beschleunigen, die nachweisen können, dass sie über die bescheidene Investitionssumme von fünf Millionen Dollar verfügen.

Die Arbeiterklasse in Australien hat die Verantwortung, für das unveräußerliche demokratische Recht der arbeitenden Menschen und unterdrückten Massen der Welt zu kämpfen, in jedem Teil der Welt zu arbeiten und zu leben in dem sie dies möchten. Eine entscheidende Bedingung, um einen gemeinsamen revolutionären Kampf der australischen Arbeiterklasse und ihrer Klassenbrüder in ganz Asien und weltweit vorzubereiten und ihr gemeinsames Klasseninteresse durch Abschaffung des Kapitalismus zu verteidigen, besteht in der Zurückweisung des „Grenzschutzes“. Dies kann nur auf Grundlage einer sozialistischen und internationalistischen Perspektive erreicht werden, die auf einen Umbau des wirtschaftlichen Lebens unter sozialistischen Bedingungen hinzielt, um allen Menschen der Welt einen angemessenen Lebensstandard und soziale Gleichheit zu gewährleisten.

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