Deutschland beteiligt sich an Kriegsvorbereitungen gegen Syrien

Die deutsche Regierung beteiligt sich hinter den Kulissen seit langem aktiv am Bürgerkrieg in Syrien und an den Vorbereitungen für eine militärische Intervention.

Berlin ist eine wichtige Schaltstelle für die vom Westen finanzierte und ausgebildete Free Syrian Army (FSA) und den Syrian National Council (SNC), die hier abgeschirmt von der Öffentlichkeit an Plänen für die Ablösung des Regimes von Baschar al-Assad arbeiten.

Auch die 70 Staaten umfassende „Freundesgruppe des syrischen Volkes“, die den bewaffneten Aufstand gegen die syrische Regierung unterstützt, unterhält in Berlin ein Sekretariat und hat sich Ende Juni in der deutschen Hauptstadt getroffen.

Bisher fanden viele dieser Aktivitäten im Geheimen statt. Nach außen bemühte sich die deutsche Regierung, den Eindruck des Vermittlers zu erwecken und Russland und China für die Unterstützung einer Syrien-Resolution im UN-Sicherheitsrat zu gewinnen. Doch damit ist nun Schluss.

Anfang vergangener Woche kündigte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle gegenüber der Süddeutschen Zeitung einen „Wendepunkt“ in der Syrienpolitik an. Die deutsche Regierung setzt nicht länger auf ein Vorgehen mit Rückendeckung des UN-Sicherheitsrats, sondern auf einen Alleingang der „Freunde Syriens“, auch gegen den ausdrücklichen Willen von Russland und China.

In einem Papier des Auswärtigen Amtes für die europäischen Partnerstaaten heißt es, die Regierung Assad werde nicht mehr in der Lage sein, die volle Kontrolle über das Land zurückzugewinnen. Weil der Sicherheitsrat aufgrund der Ablehnung eines militärischen Eingreifens durch Russland und China blockiert sei, müssten andere Wege gefunden werden, die Gewalt einzudämmen und Vorkehrungen für einen Wiederaufbau nach dem Ende des Regimes zu treffen.

Das ist eine kaum verhüllte Aufforderung zur militärischen Intervention im Rahmen einer „Koalition der Willigen“.

Die Bundeswehr hat seit Beginn der Konflikte in Syrien eine wesentliche Rolle dabei gespielt, die Waffenlieferungen an die syrischen Rebellen abzusichern. Ein erheblicher Teil dieser Waffen wird auf dem Seeweg in die libanesische Hafenstadt Tripoli transportiert und von dort aus über die Grenze gebracht.

Die deutsche Marine ist seit 2006 im Rahmen der UNIFIL-Mission in dieser Region stationiert und soll dort offiziell den Waffenschmuggel unterbinden. Tatsächlich hat sie bisher keine Lieferung an die Rebellen aufgehalten. Am 28. Juni hat der Bundestag das Mandat der Mission mit der Begründung verlängert, dass die verschärfte Lage in Syrien dies erforderlich mache.

Außerdem hat sich die deutsche Regierung maßgeblich dafür eingesetzt, die EU-Sanktionen gegen Syrien in Kraft zu setzen und regelmäßig zu verschärfen. Das Embargo hat in Syrien zu einer katastrophalen sozialen Lage geführt. Die Inflation betrug im Mai 33 Prozent, und allein das Verbot von Ölimporten in die EU reduzierte die Einnahmen um drei Milliarden Dollar. 65 Prozent der kleinen Industriebetriebe mussten infolgedessen schließen.

Seit Ende Mai steht Deutschland zusammen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten der Arbeitsgruppe „Wirtschaftlicher Wiederaufbau und Entwicklung“ im Rahmen der „Freundesgruppe des syrischen Volkes“ vor. In dieser Freundesgruppe sind 70 Staaten organisiert, die die FSA unterstützen und am Sturz des Assad-Regimes arbeiten.

Das Koordinierungsbüro der Arbeitsgruppe, das Kontakt zu den syrischen Rebellen halten soll, sitzt in Berlin und wird vom ehemaligen Chef des afghanischen Büros der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Gunnar Wälzholz geleitet. Finanziert wird die Einrichtung mit 600.000 Euro vom Auswärtigen Amt.

Die Gruppe soll in Zusammenarbeit mit der Exil-Oppositionsgruppe SNC den wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes nach einem Sturz Assads organisieren. Dabei stehen die Privatisierung von Staatsbetrieben und die Entwicklung einer Marktwirtschaft im Zentrum.

Wie die Wochenzeitung Die Zeit vergangene Woche berichtete, unterhält das Außenministerium seit Januar dieses Jahres zusätzlich zu dieser Einrichtung ein geheimes Projekt namens „Day After“, das von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Zusammenarbeit mit dem United States Institute of Peace (USIP) in Berlin-Wilmersdorf organisiert wird.

Für das Projekt wurden bis zu 50 Vertreter der syrischen Opposition eingeflogen, die gemeinsam mit den beiden Instituten an Plänen für die Zeit nach Assad arbeiten. Darunter befinden sich Ex-Generäle und Vertreter der Free Syrian Army ebenso wie Muslimbrüder und säkulare Nationalisten.

Laut Volker Perthes, dem Chef der SWP, hat die Gruppe in Berlin die Chance, „unbeobachtet und ohne Druck eine Diskurscommunity zu schaffen“. Bereits im August soll ein Dokument vorgelegt werden, das die aus Sicht der Beteiligten nötigen Reformen der Verfassung, der Armee, der Sicherheitsbehörden und der Wirtschaft Syriens umreißt.

Die SWP wurde 1962 gegründet und wird jährlich mit etwa zehn Millionen Euro aus Bundesmitteln gefördert. Als die größte Einrichtung dieser Art in Europa berät sie die Bundesregierung in außen- und sicherheitspolitischen Fragen. Mit „Day After“ ist sie in der Syrienfrage zu einem zentralen außenpolitischen Akteur geworden.

Die SWP veröffentlicht schon seit Monaten Analysen und Artikel, die auf ein militärisches Eingreifen der Westmächte in Syrien drängen und eine deutsche Beteiligung fordern. Die Chefin von „Day After“, Muriel Asseburgs, schrieb in einem Artikel vom 3. Juni, die Zeit der Kompromisse in Syrien sei vorbei. „Die Gewalt in Syrien wird nicht durch Verhandlungen, sondern nur durch den Sieg oder die Erschöpfung einer Seite beendet werden“, schrieb sie und fasste damit die neue Haltung der Bundesregierung zusammen.

Schon im Mai hatte der Forschungsgruppenleiter für Sicherheitspolitik der Stiftung, Markus Kaim, einen Text veröffentlicht, der einen NATO-Einsatz gegen Syrien für wahrscheinlich erklärt und fünf konkrete Szenarien für einen Militärschlag entwirft. Sein erster Vorschlag, die Rebellen zu bewaffnen und auszubilden sowie das Assad-Regime zu sabotieren, ist bereits in die Tat umgesetzt worden.

Eine bloß symbolische Beteiligung Deutschlands an einer militärischen Intervention würde laut Kaim nicht ausreichen. Die deutsche Rolle in der Euro-Krise habe die Frage nach „deutscher Führungsbereitschaft und -fähigkeit in Europa, aber auch darüber hinaus erneut aufgeworfen“, schreibt er. „Sich jetzt dafür zu entscheiden, das Vorgehen der Regierung Assad gegen die Opposition zwar zu verurteilen, es letztlich aber hinzunehmen, würde die deutsche Außenpolitik diskreditieren.“

Die massive Unterstützung der bewaffneten syrischen Opposition sowie die konkrete Vorbereitung auf die Zeit nach dem Sturz Assads zeigen, dass diese Sichtweise in der Bundesregierung die Oberhand gewonnen hat und Deutschland bereit ist, seine wirtschaftlichen und strategischen Interessen in Syrien mit Waffengewalt durchzusetzen.

Das markiert einen deutlichen Wendepunkt in der deutschen Nahostpolitik. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatte die Bundesrepublik intensive Wirtschaftsbeziehungen nicht nur zu Israel und den übrigen US-dominierten Staaten, sondern auch zu allen Ländern der Region aufgebaut. 2009 war der Nahe Osten nach den USA der zweitwichtigste Importeur deutscher Waren außerhalb der EU.

Diese Interessen wurden im wachsenden Maße durch die Bemühungen der USA durchkreuzt, die Region mithilfe von Kriegseinsätzen vollständig zu dominieren. Deshalb wandte sich die Bundesregierung gegen den Irak-Krieg und die Bombardierung Libyens. Deutsche Firmen weigern sich bis heute, das von der Regierung unterstützte Wirtschaftsembargo gegen den Iran einzuhalten, weil die Aufträge allzu lukrativ sind.

Doch diese Haltung kam an ihre Grenzen, weil sich die deutsche Regierung nicht in der Lage sah, den USA auch militärisch ernsthaft entgegenzutreten. Eine zentrale Erfahrung war in dieser Hinsicht Libyen. Als Frankreich, die USA und Großbritannien im letzten Jahr Krieg gegen das von Muammar al-Gaddafi regierte Land führten, um einen Regimewechsel zu erzwingen, hatte sich Deutschland zusammen mit den BRIC-Staaten im UN-Sicherheitsrat enthalten und eine militärische Beteiligung abgelehnt. Neben den eigenen wirtschaftlichen Interessen in Libyen hatte die deutsche Regierung dabei auch die ökonomische wie strategische Zusammenarbeit mit Russland und China im Blick.

Während die deutsche Wirtschaft mit Gaddafi blendende Geschäfte gemacht hatte, wurde ihr nach dem Sieg der Rebellen und der Installation eines Marionettenregimes der kriegführenden Parteien der Zugang deutlich erschwert. 2011 sind der deutsche Export nach Libyen gegenüber dem Vorjahr um 67 Prozent und der Import aus Libyen um 36 Prozent eingebrochen.

Dieses Szenario soll sich aus Sicht des deutschen Imperialismus in Syrien nicht wiederholen. Deshalb hat Deutschland insbesondere die Schaltstellen für den wirtschaftlichen Wiederaufbau übernommen und sich intensiv an den Kriegsvorbereitungen beteiligt. Auch in Syrien verfolgt die deutsche Wirtschaft strategische Interessen. Deutschland war 2009 Syriens größter Abnehmer im Mineralölbereich und Syrien umgekehrt der achtgrößte Öllieferant Deutschlands.

Aus Rücksicht auf China und Russland hat Deutschland seine Bemühungen, die syrische Opposition zu stützen, teilweise im Verborgenen vollzogen und offiziell erklärt, einem militärischen Eingreifen nur unter UN-Mandat zuzustimmen. Beide Länder haben für Deutschland sowohl als Absatzmärkte als auch als Rohstofflieferanten große Bedeutung.

Die Geheimhaltung hat aber noch einen zweiten Grund: die tief verwurzelte Ablehnung des Kriegs durch die deutsche Bevölkerung. Laut einer Forsa-Umfrage stimmen nur 12 Prozent der Deutschen einer Militärintervention in Syrien zu. 13 Prozent befürworten militärische und finanzielle Unterstützung für die Opposition. Die überwiegende Mehrheit lehnt beide Szenarien ab. Um seine aggressive Außenpolitik umzusetzen, muss der deutsche Imperialismus an zwei Fronten kämpfen: gegen Syrien und gegen die deutsche Arbeiterklasse.

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