Druck auf Griechenland wächst

Nach einem Treffen des griechischen Außenministers Dimitris Avramopoulos mit seinem deutschen Amtskollegen Guido Westerwelle am Montag besucht Griechenlands Regierungschef Andonis Samaras am Freitag Kanzlerin Angela Merkel und einen Tag darauf den französischen Präsidenten Francois Hollande. Merkel und Hollande werden bereits am Donnerstag zusammenkommen, um sich zuvor zu koordinieren.

Bei den Treffen wird es darum gehen, Griechenland auf weitere Sozialkürzungen zu verpflichten und den Druck auf Athen zu erhöhen, die bereits beschlossenen Einsparungen rasch und rücksichtslos umzusetzen. Gemäß den Kreditvereinbarungen Griechenlands mit der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) muss Athen in den nächsten zwei Jahren mindestens weitere 11,5 Milliarden Euro kürzen.

Nach dem Treffen mit Avramopoulos machte Westerwelle bereits klar, dass die Bundesregierung einer „substantielle Aufweichung der Vereinbarungen“ nicht zustimmen werde und es höchstens minimale Verschiebungen geben könne. Über die Zukunft des Landes lasse sich aber erst nach Veröffentlichung des Berichts der sogenannten Troika aus IWF, EU-Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB) entscheiden, die den Stand der Sparpolitik Athens ermitteln soll.

Der Bericht wird wahrscheinlich auf einem Euro-Finanzministertreffen am 14. September in Nicosia präsentiert. Dann soll darüber entschieden werden, ob die nächste Tranche an Hilfskrediten in Höhe von 31,5 Milliarden Euro ausgezahlt wird. Ohne diese Tranche, die eigentlich für Juni dieses Jahres geplant war, wäre Griechenland binnen Wochen zahlungsunfähig und müsste wohl aus der Eurozone ausscheiden.

Der Termin wurde bewusst gewählt, da das deutsche Bundesverfassungsgericht zwei Tage zuvor über die Rechtmäßigkeit des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) entscheiden will. Die Errichtung des ESM, der eine dauerhafte Versorgung angeschlagener Staaten mit frischen Krediten gewährleisten soll, gilt als notwendige Voraussetzung, um einen Flächenbrand nach einem möglichen Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone zu verhindern.

Im Vorfeld der Treffen der Regierungschefs wird das Szenario eines griechischen Bankrotts in wachsendem Maße diskutiert. Rechte Scharfmacher haben einen Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone bereits seit Wochen zu einer Notwendigkeit erklärt. So forderte etwa der bayrische Finanzminister Markus Söder (CSU), an Athen müsse „ein Exempel statuiert werden, dass diese Euro-Zone auch Zähne zeigen kann“. So sollen Länder wie Spanien und Italien zu weiteren Kürzungsmaßnahmen gedrängt werden.

Nun hat erstmals der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Peter Keitel, einen Austritt Griechenlands erwogen. In einem Interview mit der Wirtschaftswoche betonte er, dass im Falle einer Nichteinhaltung der Kreditvereinbarungen „für Griechenland kein Platz mehr in der Euro-Zone“ wäre. Dies stelle keine Bedrohung für die deutsche Wirtschaft mehr dar, erklärte der Unternehmer-Vertreter. Damit ist der BDI deutlich von seiner bisherigen Position abgewichen, Griechenland unter allen Umständen in der Währungsunion zu halten, um deutsche Exporte nicht zu gefährden.

Unterstützung erhält er dabei von der Bundestagsfraktion der Unionsparteien. „Wir wollen die volle Erfüllung der Vereinbarungen haben“, sagte Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU) am Freitag in Berlin. Wenn die Troika zu dem Schluss komme, dass die Umsetzung nicht in Ordnung sei, könne Athen keine weiteren Hilfen bekommen. „Dann wird nicht gezahlt, und alles andere ist in griechischer Hand.“

Der finnische Außenminister Erkki Tuomioja erklärte, dass sich sein Land nicht nur auf einen griechischen Austritt, sondern auf den Zusammenbruch der gesamten Währungsunion vorbereite. „Das ist etwas, das jeder prüft, aber das nicht öffentlich diskutiert werden kann oder sollte“, sagte er der BBC. Sein österreichischer Amtskollege Michael Spindelegger (ÖVP) sucht nach Möglichkeiten, Länder wie Griechenland aus der Union „rausschmeißen“ zu können.

Selbst EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen, der bisher für einen Verbleib Griechenlands in der Eurozone eintrat, erklärte am Montag gegenüber der Frankfurter Rundschau, dass er dies zwar weiter präferiere, es aber in der Hand der griechischen Regierung liege. Ein Ausscheiden wäre „beherrschbar“. Seine gleichzeitige Ankündigung, in großem Stil Staatsanleihen verschuldeter Euroländer am Markt aufkaufen zu wollen, um deren Zinslast zu senken, kann in diesem Sinne als Maßnahme zur Eindämmung der Auswirkung eines griechischen Exits auf Länder wie Spanien und Italien gewertet werden.

Zweifelsohne bereiten sich die Regierungen in den europäischen Ländern und die EU-Institutionen auf einen Bankrott Griechenlands und mögliche Ausstiegsszenarien vor. Die Drohung, Griechenland in den Bankrott zu treiben, wird aber vorerst dazu genutzt, die Samaras-Regierung zu weiteren Kürzungsmaßnahmen zu drängen. Das Land wird wie eine Zitrone ausgepresst, bevor es weggeworfen wird. Die griechischen Arbeiter werden ausgeplündert, ruiniert und ins Elend getrieben, damit die griechischen und europäischen Banken ihre Kredite samt horrenden Zinsen zurück bekommen.

Erst am vergangenen Montag hat die griechische Regierung 3,2 Milliarden Euro an die EZB überwiesen, um fällige Staatsanleihen zu begleichen. Die EZB hatte die Staatsanleihen auf dem freien Markt zu 70 Prozent des Nominalwertes erworben, wie die Süddeutsche Zeitung schätzt. Nun streicht sie nicht nur 100 Prozent des Wertes, sondern auch sämtliche angefallenen Zinsen ein. Schätzungen zufolge hält die EZB griechische Staatsanleihen im Gesamtwert von über 50 Milliarden Euro.

Die brutalen Sozialkürzungen zeigen inzwischen Wirkung. Die griechische Regierung hat in den ersten sieben Monaten des Jahres das Haushaltsdefizit ohne Berücksichtigung des Schuldendienstes auf 3,07 Milliarden Euro gesenkt. Das sind deutlich weniger als die in der Kreditvereinbarung mit der Troika vorgesehenen 4,53 Milliarden. Trotzdem steigen die Schulden des Landes aufgrund der wachsenden Zinsbelastungen unvermindert an. Allein von März bis Juni sind sie um 23,2 Milliarden auf über 300 Milliarden Euro angewachsen.

Wegen der steigenden Zinsbelastung und dem rezessionsbedingten Ausfall von Steuereinnahmen, muss Griechenland in den nächsten zwei Jahren mindestens weitere 11,5 Milliarden Euro einsparen, um die ursprünglichen Vereinbarungen mit der Troika zu erfüllen,. Laut dem Magazin Der Spiegel geht die Troika davon aus, dass es mittlerweile sogar 14 Milliarden Euro sind. Jeder Cent dieser Einsparungen fließt direkt an die griechischen und europäischen Banken.

Samaras hatte ursprünglich angekündigt, Merkel und Hollande zu bitten, die Vereinbarungen dahingehend zu lockern, dass die Kürzungsziele von zwei auf vier Jahre gedehnt werden. Davon hat er angesichts der ständigen Drohungen allerdings längst wieder Abstand genommen. Stattdessen arbeitet sein Kabinett emsig an weiteren brutalen Sparmaßnahmen.

Der griechischen Tageszeitung Kathimerini zufolge sollen die Pläne des Kabinetts über die bisher angekündigten 11,5 Milliarden hinausgehen und bis zu 13,5 Milliarden Euro umfassen. Allein ein Drittel der Summe soll bei Renten und Löhnen eingespart werden. Zudem wird es Kürzungen im ohnehin katastrophalen Gesundheitsbereich und bei der Bildung geben. Wohlhabende Schichten werden hingegen nicht von den Kürzungen tangiert.

Diese Maßnahmen steigern nicht nur das Massenelend, sie vertiefen auch die Rezession. Seit Beginn der Kürzungspolitik vor drei Jahren ist die Wirtschaftsleistung Griechenlands bereits um über 20 Prozent eingebrochen. Die Einsparungen verhindern einen griechischen Bankrott nicht, sondern machen ihn wahrscheinlicher – nur dass die Banken und Spekulanten zuvor noch davon profitieren können.

Staatsbankrott und Ausschluss aus der Eurozone sind also keine leeren Drohungen. Ob dies tatsächlich schon im September geschieht, ist derweil noch nicht entschieden. Nach wie vor fürchten gerade Vertreter der italienischen, spanischen oder französischen Regierung, dass ein griechisches Ausscheiden aus der Eurozone unkalkulierbare Folgen für die Zinssätze der eigenen Staatsanleihen haben könnte. Zudem halten zahlreiche europäische Banken und insbesondere die EZB weiterhin viele griechische Staatsanleihen, die sie bei einem Bankrott zumindest zu großen Teilen abschreiben müssten.

Unter Umständen, unter denen das Land hoch verschuldet und völlig ausgeblutet ist, hätten ein Staatsbankrott und die Rückkehr Griechenlands zur Drachme Hyperinflation und damit eine Schmelzung aller Löhne, Renten und Sozialleistungen zur Folge. Die EU würde dies als Hebel nutzen, weitere Sozialkürzungen in den übrigen Ländern durchzusetzen.

Für die griechischen Arbeiter bietet also weder der Verbleib in der Eurozone noch die Rückkehr zur nationalen Währung eine Alternative. Sie müssen sich einer eigenen, unabhängigen Perspektive zuwenden. Sie können sich nur gemeinsam mit den Arbeitern ganz Europas gegen die Angriffe der EU und der hinter ihr stehenden Interessen der Finanzelite zur Wehr setzen. Das erfordert eine internationale, sozialistische Perspektive. Sie müssen für den Sturz der Regierung Samaras, den Aufbau einer Arbeiterregierung und für Vereinigte Sozialistische Staaten von Europa kämpfen.

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