Zweiter Streiktag bei Lufthansa

Am Dienstag haben die Flugbegleiter der Lufthansa zum zweiten Mal die Arbeit niedergelegt. Hatte die Gewerkschaft Ufo am vergangenen Freitag den Streik noch auf den Flughafen Frankfurt beschränkt, wurden diesmal auch Berlin Tegel und München mit einbezogen.

In Frankfurt und Tegel ruhte die Arbeit am Vormittag von 6 Uhr bis 14 Uhr, in München am Nachmittag ab 13 Uhr. Nach Einschätzung der Gewerkschaft beteiligten sich rund 1.800 Flugbegleiter, das sind 85 Prozent der betroffenen Kollegen, am Streik. Insgesamt beschäftigt die Lufthansa 19.400 Flugbegleiter, von denen etwa zwei Drittel bei Ufo organisiert sind.

Laut einer ersten Bilanz der Lufthansa fielen bis zum Nachmittag 350 Flüge aus. 43.000 Passagiere waren betroffen. Der Streik in München hatte zu diesem Zeitpunkt allerdings erst begonnen.

Wie schon am Freitag traten die Flugbegleiter, die sich zum ersten Mal im Arbeitskampf befinden, sehr selbstbewusst auf. In Frankfurt verteilten Streikende Flugblätter an wartende Passagiere, in denen sie ihre Ziele erklärten. „Unsere Arbeitsbedingungen verschlechtern sich, werden teilweise unmenschlich,“ sagte eine Flugbegleiterin der Frankfurter Rundschau, „deshalb müssen wir ein Zeichen setzen.“

flugbegleiterinnen Streikende Flugbegleiterinnen in Frankfurt

In München hatten die Streikenden teilweise ihre Kinder mitgebracht. Sie trugen Schilder, auf denen sie ihre Empörung über Vorstandschef Christoph Franz zum Ausdruck brachten. „Treu geflogen, angelogen“ und „Unseren treuen Gästen Dankeschön, unserem Sparvorstand Pfui“, war darauf zu lesen. Die Streikposten skandierten „Wir sind die Lufthansa“ und „Franz, jetzt langt’s“.

In Berlin Tegel hatten sich rund hundert Streikende abseits der Öffentlichkeit am Cargo-Terminal, etwa einen Kilometer vom Flughafen entfernt, versammelt. Auch hier war die Empörung über das Verhalten der Lufthansa mit Händen zu greifen. „Der Einsatz von Leiharbeitern und diese Erpressung sind einfach widerlich“, sagte eine junge Flugbegleiterin der WSWS.

Eine andere wies darauf hin, dass die Lufthansa entgegen ihren eigenen Aussagen im vergangenen Quartal Gewinne gemacht habe, und sagte: „Wenn’s gut läuft, sind wir nicht beteiligt, aber wenn’s schlecht läuft, sollen wir uns einschränken.“

Eine dritte beklagte sich über die Fehlinformationen in Presse und Fernsehen: „Die tun gerade so, als ob wir Großverdiener wären.“

Berlin-Tegel ist ein relativ kleiner Flughafen. Im Gegensatz zu Frankfurt und München bietet Lufthansa von hier keine Langstreckenflüge an. Vom Streik waren in Tegel nur 40 Flüge betroffen, von denen knapp die Hälfte ausfiel.

Berlin dient der Lufthansa aber als Einfallstor für den Einsatz von Leiharbeitern, die die festangestellten Flugbegleiter nach und nach ersetzen sollen. Seit dem 3. Juni fliegen einige Lufthansa-Maschinen ab Berlin mit Leih-Personal, das nicht bei der Lufthansa, sondern bei der Zeitarbeitsfirma Aviation-Power eingestellt ist, die wiederum zu 49 Prozent der Lufthansa gehört. Ein Antrag des Betriebsrats, den Einsatz der Leiharbeiter durch eine einstweilige Verfügung zu stoppen, hatte das Landesarbeitsgericht Hessen Anfang Juni abgewiesen.

Das Kabinenpersonal von Aviation-Power erhält zwar nach Angaben der Lufthansa dasselbe Einstiegsgehalt wie das der Lufthansa. Es muss dafür aber neun Prozent mehr arbeiten, und seine Verträge sind auf zwei Jahre befristet. Während die Beschäftigten der Lufthansa nach den derzeit geltenden Verträgen alle zwei Jahre in eine höhere Gehaltsstufe aufrücken, müssen die Leiharbeiter neu anheuern und erhalten wiederum nur das Einstiegsgehalt. Lufthansa beabsichtigt, allein in Berlin 240 Leih-Stewardessen über Aviation-Power zu beschäftigen.

Gestern setzte Lufthansa in Berlin Leiharbeiter von Aviation-Power als Streikbrecher ein und war so in der Lage, allein zwischen 10 und 13 Uhr elf Flüge durchzuführen. Ufo beabsichtigt offenbar nicht, die Leiharbeiter in den Streik einzubeziehen. Gewerkschaftssprecher Behrens sagte, man müsse für diese jungen Kollegen „doch auch Verständnis“ zeigen.

Dabei steht der Kampf gegen die Leiharbeit im Zentrum der Tarifauseinandersetzung zwischen Lufthansa und Ufo, die sich seit 13 Monaten hinzieht. Die Gewerkschaft spricht in diesem Zusammenhang von einer „Schleckerisierung“ der Fluggesellschaft. Die mittlerweile insolvente Drogeriemarktkette Schlecker war über viele Jahre für ihre niedrigen Löhne und harten Arbeitsbedingungen bekannt.

Die Fluggesellschaft will im Rahmen des Sparprogramms „Score“ ihren Gewinn bis 2014 um 1,5 Milliarden Euro steigern, vorwiegend auf Kosten des Personals. Das ist nur möglich, wenn die Gehälter radikal gesenkt und die bisherigen Tarifbedingungen zerschlagen werden.

Schon das Tarifangebot an die Flugbegleiter ist eine Provokation. Nach drei Jahren ohne Tariferhöhung ist Ufo dem Unternehmen mit der Forderung von fünf Prozent mehr Lohn über 15 Monate bereits weit entgegengekommen. Trotzdem bietet die Lufthansa lediglich ein Gehaltsplus von 3,5 Prozent über eine Laufzeit von drei Jahren an. Das deckt noch nicht einmal die Inflationsrate und bedeutet eine Reallohnsenkung. Und dafür sollen die Flugbegleiter auch noch länger arbeiten!

Weit schwerwiegender ist aber der Versuch, durch die Einführung von Leiharbeit das bisherige Tarifgefüge völlig auszuhebeln. Die Lufthansa droht zudem, alle innerdeutschen und innereuropäischen Flüge in eine eigene, neu zu gründende Billig-Airline auszugliedern, in der weit niedrigere Gehälter bezahlt werden.

Vieles deutet darauf hin, dass es Lufthansa darauf abgesehen hat, den Flugbegleitern eine Lektion zu erteilen. Der Aufsichtsratsvorsitzende und frühere Lufthansa-Chef Jürgen Weber hatte am 22. August in der Wochenzeitung Die Zeit gesagt: „Besser man lässt es zum großen Knall kommen, bevor sich das Unternehmen aus dem Wettbewerb katapultiert.“

Nach dem gestrigen Streik haben sich die Fronten verhärtet. Lufthansa-Sprecher Klaus Walther versuchte die Stimmung gegen die Flugbegleiter anzuheizen, indem er die Streikaktionen als „Nackenschläge oder Faustschläge ins Gesicht unserer Kunden“ bezeichnete.

Der Ufo-Vorsitzende Nicoley Baublies drohte mit einer flächendeckenden Ausweitung des Streiks, falls die Lufthansa nicht zu Zugeständnissen bereit sei. Dem Fernsehsender N24 sagte er: „Sollte diese Arroganz beibehalten werden, dann wird es jetzt aufhören mit diesen zeitlich und vor allem örtlich begrenzten Streiks. Dann werden wir in den nächsten Tagen irgendwann sagen: Deutschland steht still von null bis vierundzwanzig Uhr.“

Am Dienstagabend kündigte Ufo dann einen bundesweiten, vierundzwanzigstündigen Streik für den Freitag an. Betroffen seien die Flughäfen Frankfurt am Main, Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Stuttgart und München. Grund für die Ausweitung der Streiks sei die starre Haltung der Lufthansa, sagte Ufo-Chef Baublies. Die Lufthansa könne den Ausstand aber noch abwenden, wenn sie ein Schlichtungsverfahren einleite.

Das lehnte das Unternehmen zunächst ab. „Wir sehen keinen Grund für eine Schlichtung“, sagte ein Lufthansa-Sprecher.

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