Türkischer Außenminister fordert Krieg im Namen der “Humanität”

Die türkische Regierung hat die Vereinigten Staaten und die europäischen Mächte erneut aufgefordert, direkt militärisch gegen Syrien vorzugehen.

In einem Gespräch mit dem Guardian am Freitag behauptete der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu, eine solche Intervention sei notwendig, um „das Blutvergießen zu stoppen“ und die Flüchtlingskrise in Syrien zu beenden.

“Wir [die Türkei] tun, was wir können, um diesen Menschen zu helfen und nutzen alle unsere diplomatischen Kapazitäten, um das Blutvergießen zu beenden”, sagte Davutoglu dem Kolumnisten und stellvertretenden Herausgeber des Guardion, Simon Tisdall. „Aber die internationale Gemeinschaft sollte viel koordinierter vorgehen. Der beste Weg, den wir jetzt erkennen können, ist eine direkte humanitäre Intervention.“

Diese Erklärung stellt die Wirklichkeit auf den Kopf, wie Davutoglu und der Guardian nur zu gut wissen. Es sind die Türkei, ihre Nato-Partner und die Golfmonarchien Saudi-Arabien und Katar, die unter der Schirmherrschaft der Regierung der Vereinigten Staaten die eigentlichen Antreiber des achtzehnmonatigen Konflikts in Syrien sind.

Unter Washingtons Führung unterstützen diese Mächte die „Rebellenmilizen“ im Kampf gegen die Regierung von Bashar al-Assad mit Hunderten Millionen Dollar, mit Waffen und mit anderem Material. Ein großer Teil dieser Militärhilfe wandert direkt in die Hände extremistischer Sunnitengruppen, von denen einige Verbindungen zu al-Qaida unterhalten.

Wie die New York Times letzte Woche berichtete, haben hohe amerikanische Geheimdienstvertreter eingeräumt, dass “die meisten Waffen, die von Saudi-Arabien und Katar an die syrischen Rebellengruppen geliefert werden, in die Hände von islamistischen Dschihadisten gelangen, die zum harten Kern gehören”.

Diese von den USA unterstützten islamistischen Gruppen haben den Konflikt in Syrien in einen konfessionell bestimmten Bürgerkrieg verwandelt. Sunnitische Rebellenkräfte richten ihre Angriffe gegen Mitglieder der alawitischen, schiitischen, drusischen und christlichen Minderheiten und gegen andere Zivilisten, die sich weigern, ihren Dschihad zu unterstützen oder sich ihm anzuschließen. Die regimefreundlichen Kräfte tun es ihnen gleich und führen Vergeltungsschläge gegen Dörfer und Stadtviertel, die von den Kämpfern der Opposition als Operationsbasis genutzt werden.

Auf die Frage nach der prominenten Rolle der islamistischen Extremistengruppen innerhalb der syrischen Opposition reagierte Davutoglu, indem er einen noch schnelleren Einsatz militärischer Gewalt forderte. Er antwortete: „Die Anwesenheit bestimmter Gruppen sollte nicht als Entschuldigung dienen, passiv zu sein. Eine Verlängerung der Krise wird diesen Gruppen ein noch viel günstigeres Umfeld bieten. Wir müssen eine Lösung finden und sobald wie möglich handeln, um ein Machtvakuum in Syrien zu verhindern.“

Davutoglu forderte ein direktes militärisches Vorgehen in Syrien. „Alle Methoden stehen zur Diskussion. (…) Ein humanitärer Zugang muss geschaffen werden, es muss eine humanitäre Mission in Syrien geben, und die internationale Gemeinschaft muss bereit sein, sie zu verteidigen. Das steht im Raum. Ob es eine Pufferzone oder ein humanitärer Zugang sein wird, die Frage lautet, wie wird dies innerhalb Syriens geschützt werden können. Wir fordern eine internationale humanitäre Mission in Syrien, die geschützt werden muss, um den Flüchtlingsstrom zu stoppen.“

Die Einrichtung “humanitärer Korridore” oder von “Flugverbotszonen” in Syrien durch die Türkei und ihre Verbündeten wären eine Kriegserklärung an das Assad-Regime. Dazu wären massive Luftangriffe auf Syrien erforderlich, um seine Luftverteidigung auszuschalten. Vermutlich würde eine Invasion mit Bodentruppen folgen.

“Die internationale Gemeinschaft muss eine Entscheidung treffen. Humanitärer Zugang muss mit allen akzeptablen Mitteln garantiert werden“ sagte der türkische Außenminister.

Davutoglu forderte von den Verbündeten der Türkei in Washington und Europa, im syrischen Konflikt eine direktere militärische Rolle zu spielen: “Die führenden Mächte der internationalen Gemeinschaft müssen in ihrer Politik gegen die Unterdrückung in Syrien fester, entschiedener und klarer auftreten.“

Dass Davutoglu den Guardian für seine Kriegstreiberei auswählte, ist kein Zufall. Die Zeitung ist ein Sprachrohr der liberalen und „linken“ bürgerlichen öffentlichen Meinung, deren Spezialität darin besteht, imperialistische Gewalt mit der Sprache der „Humanität“ zu bemänteln.

An solche Schichten wandte sich Davutoglu, indem er die Kämpfe in Syrien mit dem Krieg in Bosnien-Herzegowina in den 1990er Jahren verglich. Die internationale Gemeinschaft dürfe „nicht zuschauen“.

Die zehnjährigen Bruderkämpfe auf dem Balkan folgten auf das vom Westen betriebene Auseinanderbrechen Jugoslawiens ab 1991. Bosnien versank im offenen Konflikt, und die USA führten 1999 einen Luftkrieg gegen Serbien. Diese Entwicklung bot einer ganzen Schicht pseudolinker Politiker, Akademiker und Medienkommentatoren die Gelegenheit zu einer scharfen Rechtswende.

Das sind Leute, die früher als Kriegsgegner und Mitglieder des radikalen Milieus bekannt waren, seither jedoch eine lukrative Karriere gemacht haben und heute fest im bürgerlichen Establishment integriert sind. Aus Sorge um ihre Aktiendepots, ihre Positionen in den Thinktanks, ihre Zeitungskolumnen usw. nutzen sie den Vorwand von „Menschenrechten“, um imperialistische Interventionen in Libyen und jetzt in Syrien zu unterstützen und die Einsetzung von fügsamen Regimes zu fordern, welche die Kontrolle der USA und der westlichen Konzerne über die Ölreichtümer des Nahen Ostens und Nordafrikas stärken.

Der Imperialismus im Namen der “Menschenrechte” findet besonders enthusiastische Befürworter unter pseudolinken Gruppierungen wie der Socialist Workers Party in Großbritannien, der International Socialist Organisation in den USA und der Neuen Antikapitalistischen Partei in Frankreich. Sie alle versuchen, die wahren Motive, Interessen und Manöver der Großmächte im syrischen Konflikt zu verschleiern. Deshalb stellen sie den von den USA unterstützten Stellvertreterkrieg in Syrien als „Revolution“ dar.

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