Ägypten:

Pseudolinke bilden neues Bündnis gegen die Arbeiterklasse

In Ägypten haben verschiedene pseudolinke Parteien und Gruppen ein neues Wahlbündnis gegründet, die „Demokratische Revolutionäre Koalition“ (DRC). Ihre Gründung wurde am 19. September auf einer Pressekonferenz in der Zentrale der Sozialistischen Partei Ägyptens (ESP) in Kairo bekannt gegeben.

Zu der Koalition gehören die ESP, das Sozialistische Volksbündnis (SPA), die Nationale Progressive Gewerkschaftspartei (Tagammu), die Kommunistische Partei Ägyptens (KPÄ), die Arbeiter- und Bauernpartei (WPP, vormals Demokratische Arbeiterpartei), die Revolutionäre Sozialistische Bewegung (Januar), die Ägyptische Koalition zum Kampf gegen Korruption, die Mina Daniel-Bewegung und die Sozialistische Jugendunion.

Die Gründung der DRC ist das neueste Manöver, mit dem die ägyptischen pseudolinken Parteien versuchen, die ägyptische Arbeiterklasse an die Bourgeoisie zu binden. Ihr Ziel ist es nicht, einen Kampf um die politische Macht und für Sozialismus in der Arbeiterklasse zu führen. Die Arbeiterklasse war die stärkste Kraft in den revolutionären Kämpfen, durch die der ehemalige Diktator Hosni Mubarak am 11. Februar letzten Jahres gestürzt wurde. Der DRC geht es darum, engere Beziehungen zwischen der ägyptischen kleinbürgerlichen Linken und den Vertretern der Vereinten Nationen und dem Mursi-Regime zu entwickeln.

Bei der Konferenz erklärte der Führer der Arbeiter- und Bauernpartei Kamal Khalil, die DRC wolle sich mit der Volksströmung des ehemaligen Präsidentschaftskandidaten und Nasseristen Hamdin Sabahi und der Verfassungspartei des liberalen Politikers und ehemaligen UN-Funktionärs Mohamed ElBaradei vereinen. Er erklärte: „Von jetzt an gibt es kein ‚ich‘, sondern nur noch ‚uns‘“, und fügte hinzu: „Wir befinden uns in einer gefährlichen Phase, die die Einigkeit aller nationalen Kräfte fordert, nicht nur der linken.“

Bei der Pressekonferenz zu ihrer Gründung stellte die DRC auch ein pro-kapitalistisches und rein nationalistisches Programm vor. Um einen „demokratischen zivilen Staat“ aufzubauen und Ägyptens „nationale Souveränität“ zu schützen, will sie ein „progressives demokratisches revolutionäres Bündnis als Grundlage einer breiten, vereinigten nationalen demokratischen Front“ aufbauen. Das bedeutet, wie Khalil andeutet, die Führer der DRC streben von Anfang an ein Bündnis mit bürgerlichen Kräften an, die nicht einmal versuchen sich als Revolutionäre darzustellen.

Letzte Woche kündigte der Vorsitzende der DRC und ESP-Generalsekretär Abdel Ghaffar Shokr an, dass die DRC dem sogenannten Ägyptischen Patriotismus-Bündnis (EPA) beitreten werde, das von säkularen liberalen und „linken“ bürgerlichen Parteien als Gegengewicht gegen die herrschenden Islamisten gegründet wurde. Zur EPA gehören die Wafd, die traditionelle Partei der ägyptischen Bourgeoisie, die liberale Partei Freier Ägypter, die von dem milliardenschweren Tycoon Naguib Sawiris geleitet wird, die Verfassungspartei des ehemaligen Mubarak-Funktionärs und Chefs der Arabischen Liga, Amr Mussa, und Hamdin Sabahis Volksströmung.

Die Orientierung der DRC zu rechten bürgerlichen Parteien, die offen die Privilegien und den Reichtum der ägyptischen Bourgeoisie verteidigen, hängt mit der sozialen Perspektive der Kräfte zusammen, die in der Koalition versammelt sind. Die Parteien in der DRC repräsentieren nicht die Interessen der ägyptischen Arbeiter, sondern die von bessergestellten Schichten des Kleinbürgertums, die der Arbeiterklasse und dem Kampf für den Sozialismus feindselig gegenüberstehen.

Die verkommenste und opportunistischste dieser Organisationen, die in betrügerischer Absicht das Banner von Revolution und Sozialismus schwingt, sind die fehlbenannten Revolutionären Sozialisten (RS). Sie haben mehrfach ihre Orientierung auf einen Teil der ägyptischen Bourgeoisie geändert, um einen unabhängigen Kampf der Arbeiterklasse für den Sozialismus zu verhindern.

Nach Mubaraks Sturz orientierten sich die RS auf die Militärjunta und erklärten, Mubaraks Generäle könnten zu demokratischen und sozialen Reformen gezwungen werden. Als Arbeiter im letzten November vor den Parlamentswahlen Massenproteste gegen die Militärherrschaft begannen, wandten sich die RS den Islamisten zu, mit denen sie bereits unter Mubarak eng zusammengearbeitet hatten. In den Präsidentschaftswahlen Anfang dieses Jahres riefen sie zur Unterstützung des Kandidaten der Moslembrüder, Mohammed Mursi, auf.

In ihren Wahlkampfstatements bezeichneten sie die Islamisten als revolutionäre Kraft, die durch Druck dazu gezwungen werden könnten, „die Ziele der Revolution zu erfüllen.“

Jetzt wo die ägyptischen Massen mit dem Mursi-Regime in Konflikt geraten, wendet sich ein Teil der RS – die WPP, zu der diverse RS-Mitglieder gehören, darunter Kamal Khalil – wieder Teilen der säkularen Bourgeoisie zu.

Die RS haben sich nicht offiziell der DRC angeschlossen. Hisham Fouad, ein führendes Mitglied der RS, begrüßte das Bündnis, betonte aber: „Bevor wir über Einheit reden, müssen wir wissen, zu welchen Bedingungen und mit wem. Wir können uns keine weitere Blase leisten, die schnell platzt.“

Fouads Kommentare zeigen die opportunistischen Erwägungen, die die Politik der Pseudolinken anleiten. Die RS sind nicht prinzipiell gegen eine weitere Koalition gegen die Arbeiterklasse; tatsächlich hatten sie sich im letzten Frühling der sogenannten Sozialistischen Front angeschlossen, einer Koalition aus einem Großteil der Parteien, die jetzt in der DRC vertreten sind. Die Front brach jedoch aufgrund von starken inneren Konflikten schnell auseinander.

Die Teile der RS, die den übrigen nicht in die DRC gefolgt sind, arbeiten an einer ähnlichen pro-kapitalistischen Koalition, von der sie hoffen, dass sie stabiler sein wird. Im August erklärte Ahmed Ezzat, ein weiteres Führungsmitglied der RS in Ahram Online, die RS verhandelten mit Sabahi über eine „revolutionäre Front“ als Vorbereitung auf die „nächste revolutionäre Welle.“

Die Manöver der Pseudolinken kommen zu einer Zeit, in der neue Streiks und Proteste das Mursi-Regime untergraben. Laut einem kürzlich erschienen Bericht des Ägyptischen Zentrums für Wirtschaftliche und Soziale Rechte kam es alleine in der ersten Septemberhälfte zu etwa 300 Streiks und Protesten von fast allen Teilen der ägyptischen Arbeiterklasse.

Streiks wurden von Fabrikarbeitern begonnen, von Angestellten, Lehrern, Staatsdienern, Fakultätspersonal und Angestellten von Universitäten, Fahrern, Arbeitern im Gesundheitswesen, Studenten, Unternehmern, Beamten, Verkäufern, Fremdenführern, Polizisten, Fischern, Anwälten und Apothekern. Derzeit befinden sich die Ärzte in einem landesweiten Streik.

In den Streiks und Protesten drückt sich die wachsende Opposition der ägyptischen Massen gegen die pro-imperialistische und arbeiterfeindliche Politik von Mursi und den Moslembrüdern aus. Außenpolitisch kooperiert das Mursi-Regime weiter eng mit den imperialistischen Mächten und Israel. Es hält die Blockade gegen die Palästinenser im Gaza-Streifen aufrecht und beteiligt sich an der imperialistischen Kriegstreiberei gegen Syrien zum Sturz des Regimes von Bashar al-Assad.

Innenpolitisch reagiert Mursi auf Proteste und Streiks so hart wie das Mubarak-Regime und die Militärjunta vor ihm. Erst vor drei Wochen unterdrückten Mursis Sicherheitskräfte im Auftrag von US-Präsident Barack Obama gewaltsam Proteste vor der amerikanischen Botschaft.

Jetzt dehnt Mursi sein Vorgehen gegen Streiks aus, die vor kurzem von einem Führungsmitglied der Moslembrüder als „Landesverrat“ bezeichnet wurden. Vor zwei Wochen verurteilte ein Gericht in Alexandria fünf Dockarbeiter der Alexandria Container & Cargo Handling Company zu drei Jahren Gefängnis, weil sie einen Streik begonnen hatten.

Letzte Woche führten Truppen des Innenministeriums Razzien in den Häusern von Arbeitern der Universität von Zagazig im Nildelta durch und verhafteten die Arbeiter, weil sie an einem Streik teilgenommen hatten.

Am Mittwoch wurden vier Mikrobus-Arbeiter nach Zusammenstößen zwischen streikenden Mikrobus-Arbeitern und Sicherheitskräften vor dem Hauptquartier der Kairoer Verkehrspolizei verhaftet.

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