Perspektive

Weltrezession überschattet Jahrestagung von IWF und Weltbank

Das heute beginnende Jahrestreffen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank wird von wachsenden Anzeichen begleitet, dass die Weltwirtschaft sich auf einen starken Abschwung zubewegt.

Einem durchgesickerten Bericht zufolge hat der IWF seine Schätzung der Wachstumserwartung der Weltwirtschaft für 2012 von 3,4 Prozent im Juli auf 3,3 Prozent abgesenkt. Die Erwartung für nächstes Jahr wurde von 3,9 Prozent auf 3,6 Prozent abgesenkt. Dem Bericht zufolge wird erwartet, dass die Eurozone dieses Jahr um 0,4 Prozent schrumpfen und 2013 nur um 0,2 Prozent wachsen wird. Es heißt, dass „die weitere Abkühlung des globalen Wirtschaftswachstums in diesem und im nächsten Jahr von deutlichen weiteren Abschwungsrisiken begleitet sein wird.“

Die Weltbank veröffentlichte ähnliche Erwartungen und wies auf den Abschwung in China und Ostasien hin. Damit zerstörte sie auch die Vorstellung, dass diese Region der Weltwirtschaft trotz der sich verschlechternden Lage in Europa und den Vereinigten Staaten neuen Schwung verleihen könne. Sie schrieb, China werde dieses Jahr nur um 7,7 Prozent wachsen gegenüber 9,3 Prozent im letzten Jahr. Das wäre die niedrigste Wachstumsrate in diesem Jahrhundert. Das Wachstum in Ostasien ohne Japan und Indien werde auf 7,2 Prozent zurückgehen gegenüber 8,3 Prozent 2011.

Der Abschwung in den so genannten “aufstrebenden Märkten” ist nicht auf Ostasien beschränkt. Brasilien, das ebenfalls als neues Wachstumszentrum gehandelt wurde, wird dieses Jahr wahrscheinlich um weniger als zwei Prozent wachsen, im Vergleich zu 7,5 Prozent 2010.

Die großen Zentralbanken der Welt, angeführt von der amerikanischen Federal Reserve, haben im letzten Monat zusätzliche Liquidität in das globale Finanzsystem gepumpt, um so angeblich der Weltwirtschaft einen Anstoß zu geben. Aber diese Maßnahmen haben lediglich den Banken und Finanzinstituten ultra-billiges Geld zur Verfügung gestellt, mit dem sie ihre Spekulation auf den Finanzmärkten fortsetzen konnten. Der Realwirtschaft hat das gar nichts gebracht.

Den Ausblick für die Weltwirtschaft zusammenfassend wiesen die jüngsten Daten des Index der Brookings Institution-Financial Times auf eine globale Rezession hin. Professor Eswar Prasad von der Brookings Institution warnte, die globale wirtschaftliche Erholung hänge in den Seilen, und ohne entschiedene politische Maßnahmen werde die Weltwirtschaft womöglich bald am Boden liegen.

Wachsende geopolitische Spannungen, die von dem an Fahrt gewinnenden Abschwung angeheizt werden, zeigen ebenfalls ihre Wirkung. Spannungen zwischen China und Japan, der zweit- und der drittgrößten Volkswirtschaft, wegen der umstrittenen Senkaku/Diaoyu-Inseln im Ostchinesischen Meer haben nicht zu übersehende wirtschaftliche Auswirkungen. Japanische Firmen fahren ihre Produktion in China zurück.

Der Streit macht sich auch dem Treffen von IWF und Weltbank bemerkbar. Chinesische Banken haben entschieden, nicht an dem Treffen teilzunehmen. Dem Boykott haben sich die vier Staatsbanken angeschlossen, darunter die Industrial and Commercial Bank of China, der am Marktwert gemessen weltweit größte Kreditgeber.

Ein IWF-Sprecher versuchte gute Miene zum bösen Spiel zu machen und erklärte, es sei nicht ungewöhnlich, dass sich die Teilnehmerliste im Vorlauf der Treffen verändere. Der Boykott der Chinesen ist allerdings zweifellos eine Folge des Konflikts mit Japan. Vorher gab es sogar Berichte, dass selbst die chinesischen Regierungsvertreter möglicherweise nicht kommen würden.

Der Tagungsort des IWF-Weltbank Treffens selbst lenkt die Aufmerksamkeit auf die historische Bedeutung der akuten globalen Wirtschaftskrise.

Das letzte Mal fand 1964 ein IWF-Treffen in Tokio statt. Damals stellte die japanische Regierung den Wirtschaftsaufschwung zur Schau, der nur neunzehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs stattgefunden hatte. Japan befand sich damals mitten im Jahrzehnt des „Wirtschaftswunders“ mit jährlichen Wachstumsraten von über zehn Prozent.

Der Kontrast zu heute könnte nicht krasser sein. 1964 betrug Japans Wachstumsrate real 11,2 Prozent und die Arbeitslosigkeit lag bei 1,1 Prozent. Vergangenes Jahr schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt des Landes um 2,8 Prozent und es wies eine offizielle, mit Sicherheit heruntergerechnete, Arbeitslosenrate von 4,6 Prozent auf.

Aber obwohl der japanische und der Weltkapitalismus sich vor 48 Jahren auf dem Weg ständiger Ausdehnung zu befinden schienen, wuchs die Saat neuer Krisen schon zügig heran. Nur sieben Jahre später, als Präsident Nixon die Golddeckung des amerikanischen Dollars aufhob, brach das Währungssystem von Bretton Woods zusammen, das 1944 zusammen mit dem IWF und der Weltbank geschaffen worden war.

Die wirtschaftliche Globalisierung infolge der tiefen Rezessionen von 1974-75 und 1982-83 gab der Weltwirtschaft noch mal einen Anschub, indem sie weltweit billige Arbeitskräfte verfügbar machte, besonders in Ostasien und in späteren Jahren vor allem in China. Aber die Globalisierung war keine Rückkehr zu den Bedingungen des Nachkriegsbooms. Vielmehr schuf die immer stärkere Finanzialisierung der Wirtschaft, besonders in den USA, die Bedingungen für eine ganze Reihe von Finanzblasen, die ihren Höhepunkt in dem Finanzkrach von 2008 fanden.

Jetzt steckt die Weltwirtschaft in der schwersten Krise seit den 1930er Jahren.

Die 20.000 in Tokio versammelten Regierungsvertreter, IWF- und Weltbank-Beamten sowie die Banken- und Wirtschaftsvorstände haben keinen Plan für einen „Wirtschaftsaufschwung“. Niemand hat einen „Reformplan“ für den Kapitalismus in der Hinterhand, der umgesetzt werden könnte, wenn die Regierungen nur clever genug wären.

Aber das heißt nicht, dass die herrschenden Eliten und ihre Regierungen keine Strategie hätten. Ihre Politik besteht darin, die Lasten der historischen Krise des Profitsystems der weltweiten Arbeiterklasse aufzubürden. Darin besteht die Bedeutung ihrer ständig wiederholten Forderung nach „Haushaltssanierung“ und „wirtschaftlichen Strukturreformen“. Sozialausgaben müssten zusammengestrichen, alle Errungenschaften der Arbeiterklasse aus der Nachkriegszeit zerstört und Löhne und Arbeitsbedingungen angegriffen werden, um die Ausbeutung zu verschärfen.

Die internationale Arbeiterklasse kann dieser Offensive nur mit einer eigenen globalen Strategie begegnen, die sie mindestens mit der gleichen Entschlossenheit erarbeiten und durchkämpfen muss, wie die herrschenden Eliten für ihre Agenda kämpfen. Um eine soziale und wirtschaftliche Katastrophe zu verhindern, muss sie einen revolutionären Kampf führen, um Arbeiterregierungen zu bilden, die die Banken, Finanzinstitute und großen Konzerne enteignen. Das wäre der erste Schritt zum Aufbau einer internationalen sozialistischen Wirtschaft.

 

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