Perspektive

Auf IWF-Weltbank Treffen werden Konflikte sichtbar

Nach dem September 2008 und dem Beginn der globalen Finanzkrise waren die internationalen Zusammenkünfte der kapitalistischen Großmächte – zumindest an der Oberfläche – von einem gewissen Grad an Übereinstimmung geprägt. Alle waren sich einig, dass riesige Summen in das Finanzsystem gepumpt werden mussten, um seinen Kollaps zu verhindern.

Gegen die Banken und Finanzhäuser, deren Spekulationen die Krise ausgelöst hatten, sollte nichts unternommen werden. Im Gegenteil: ihnen sollten Billionen Dollar durch Rettungsprogramme geschenkt werden.

Das sei notwendig, wurde gesagt, um eine globale Katastrophe zu vermeiden. Die führenden Politiker, so wurde beteuert, hätten die Lehren aus den 1930er Jahren gelernt. Es werde keine Rückkehr zu den Konflikten jener Ära geben, und Vorkehrungen würden getroffen, um eine Wiederholung der Erfahrungen der Großen Depression zu verhindern.

Heute sieht das ganz anders aus. Die Weltwirtschaft befindet sich auf dem Weg in die Rezession, und die Zentralbanken in aller Welt, welche die Weltfinanzmärkte immer offener stützen, schaffen dadurch Bedingungen für eine neue Krise.

Die zugrunde liegenden Konflikte und Gegensätze, die vor vier Jahren noch einigermaßen verdeckt waren, treten jetzt offen hervor. Auf dem Jahrestreffen von Internationalem Währungsfond und Weltbank in Tokio waren sie mit Händen zu greifen. Das Treffen von vergangener Woche war zweifellos das heftigste seit Bestehen dieser Institutionen, die 1944 in Bretton Woods gegründet wurden.

Die Vertreter chinesischer Banken gaben den Ton für den Rest der Woche vor, als sie zu Beginn erklärten, sie würden dem Treffen fernbleiben. Sie wollten damit die wachsende Feindseligkeit gegenüber Japan unterstreichen, die sich an dem Streit über die Senkaku/Diaoyu-Inselchen im Ostchinesischen Meer entzündet hat.

Nach zweitägigen Diskussionen brach ein Streit zwischen der Chefin des IWF, Christine Lagarde, und dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble über das Tempo der Austeritätspolitik aus. Lagarde sprach für die Befürchtung der USA und Großbritanniens, dass ein Zusammenbruch in Europa deren Finanzsysteme in den Abgrund ziehen könnte. Sie forderte mehr Zeit für Griechenland und andere Länder, damit sie ihre Kredite zurückzahlen könnten. Das weckte den Zorn der Deutschen, die befürchten, dass ihre Banken womöglich die Zeche bezahlen müssen und tiefer in die Eurokrise hineingezogen werden.

Kaum war dieser Streit übertüncht, gerieten die USA und Brasilien in der Frage der “quantitativen Lockerung“ aneinander. Der brasilianische Finanzminister Guido Mantega nannte die Geldpolitik der Amerikaner „selbstsüchtig“, weil sie den Wert des Dollars absenkten und damit einen „Währungskrieg“ anfachten.

Der tiefere Grund für die Konflikte wird klar, wenn man die Aussichten für das globale Wirtschaftswachstum in dem IWF-Bericht World Economic Outlook betrachtet. Die Aussichten für das weltweite Wachstum für 2013 wurden von 3,9 Prozent vor drei Monaten auf jetzt 3,6 Prozent herabgesetzt.

Noch signifikanter als die allgemeine Zahl sind die Schätzungen für die großen Volkswirtschaften. Der IWF revidierte seine bisherige Erwartung für die entwickelten Industrieländer von 2,0 Prozent im April auf jetzt 1,5 Prozent. Die Eurozone wird nach den Erwartungen nur um 0,2 Prozent wachsen, nachdem sie in diesem Jahr um 0,4 Prozent geschrumpft sein wird. Selbst die deutsche Wirtschaft, die als die stärkste in Europa gilt, wird dieses Jahr wohl nur um 0,9 Prozent wachsen, und in 2013 ebenfalls.

Als die Krise ausbrach, wurde erwartet, dass die Industrieländer eine deutliche Schrumpfung, wenn nicht gar eine Rezession erleiden würden. Aber die Hoffnung bestand, dass die Weltwirtschaft durch China, Indien und andere aufstrebende Volkswirtschaften neuen Schwung erhalten werde. Es wurde von einem Prozess der „Entkopplung“ schwadroniert, durch den diese Länder weniger von den entwickelten Volkswirtschaften abhängig sein würden. Dadurch könnten sie zu neuen Kraftzentren für den globalen Kapitalismus werden.

Diese Fiktion, mit der man die historische Bedeutung dieser Krise verschleiern wollte, ist wahrhaftig gescheitert.

Das schnelle Wachstum der indischen und chinesischen Wirtschaft in den letzten Jahren war zu keinem Zeitpunkt ein unabhängiges Phänomen. Dahinter standen die Investitionen transnationaler Konzerne, die ihre Operationen auf der nicht endenden Suche nach neuer Billiglohnarbeit auslagerten. Die so genannten „aufstrebenden“ Wirtschaften waren nicht in der Lage, eine Plattform für globales Wachstum zu liefern, sondern sie blieben weiterhin von den Märkten in den großen Volkswirtschaften abhängig.

Der Mythos der “Entkopplung” wurde für kurze Zeit von dem chinesischen Investitionsboom genährt. Dieser Boom nährte sich von den Konjunkturmaßnahmen der chinesischen Regierung und der Politik des leichten Geldes der Staatsbanken, mit dem große Bau- und Infrastrukturprojekte finanziert wurden. Diese Entwicklung ist jetzt zu Ende, und die chinesische Wirtschaft ist in eine Periode verlangsamten Wachstums eingetreten. Die Exporte werden von der Krise in Europa (dem größten chinesischen Markt) hart getroffen. Chinesische Firmen warnen, ihre Situation sei mindestens so ernst ist wie 2009.

Die australische Wirtschaft, die zwölftgrößte der Welt, hat sich in diesem Prozess als eine Art Barometer erwiesen. 2010 und 2011 stieg der Preis von Eisenerz, dem wichtigsten Exportgut des Landes, infolge des „Booms“ in China. Dieser Preisanstieg wurde als Begründung dafür genannt, dass sich das Land von dem globalen Abschwung abkoppeln könne. In den letzten Monaten hat sich die Lage jedoch drastisch verändert. Mindestens ein führender Ökonom warnt heute, dass die australischen Staatsfinanzen vor einer Situation stehen, die so ernst ist, wie in den 1930er Jahren.

Mit dem Abgleiten der globalen Wirtschaft in eine Rezession schaffen die Zentralbanken der wichtigsten Länder (die amerikanische Federal Reserve, die Europäische Zentralbank und die Bank von Japan) heute Bedingungen, die zu einer neuen Finanzkrise führen.

Ihre Politik des ultra billigen Geldes führt zu einer Blase auf den Wertpapiermärkten, tragen aber nichts zur Belebung der Realwirtschaft bei. D.h. die Bedingungen, die zu dem Kollaps von 2008 führten, werden erneut geschaffen. Die Gefahren sind aber noch größer, weil die Zentralbanken selbst jetzt als zentrale Spieler beteiligt sind. Bei einem Zusammenbruch der Wertpapiermärkte und einem Steigen der Zinsen würden sie massive Kapitalverluste erleiden, und die Lebensfähigkeit der Staatsfinanzen stünde in Frage.

Nach vier Jahren Krise ist es notwendig, Bilanz zu ziehen. Wie das IWF-Weltbank-Treffen so klar gezeigt hat, wissen die globalen Eliten nicht nur keine Lösung, sondern sie bereiten noch größere Katastrophen vor.

Die Arbeiterklasse muss mit ihrem unabhängigen Programm eingreifen. Sie muss mit einem international einheitlichen Kampf für den Aufbau von Arbeiterregierungen kämpfen. Diese müssen ein sozialistisches Programm durchführen, das damit anfängt, die Banken, Finanzinstitute und Großkonzerne zu enteignen und unter demokratische Kontrolle zu stellen.

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