Opel: Gewerkschaft und Vorstand handeln Sanierungsplan aus

Die Gewerkschaft IG Metall und die Geschäftsführung wollen bis zum 26. Oktober die Eckpunkte eines gemeinsamen Sanierungsplanes für Opel ausarbeiten. Die wöchentlichen Verhandlungen, an denen auch alle Betriebsratsvorsitzenden der deutschen Standorte teilnehmen, finden hinter verschlossenen Türen statt. Über den Inhalt üben alle Beteiligten seit Monaten Stillschweigen.

Als Ziel der Verhandlungen wird ein „langfristiges Wachstumskonzept“ für Opel bis zum Jahr 2022 angegeben, doch es kann davon ausgegangen werden, dass auch dieser Sanierungsplan wieder große Einschnitte bei Arbeitsplätzen, Löhnen und Arbeitsbedingungen mit sich bringen wird. Bei Opel arbeiten derzeit noch etwas mehr als 20.000 Beschäftigte in Deutschland und etwas weniger als 20.000 im restlichen Europa.

Am 31. Oktober, fünf Tage nach der geplanten Bekanntgabe des Sanierungsplans, wird Opel seine Geschäftszahlen für das dritte Quartal vorlegen. Da erneut Verluste erwartet werden, muss Opel harte Einschnitte vorweisen, um den Mutterkonzern General Motors und dessen Aktionäre zu beruhigen.

Ende Oktober läuft auch die Vereinbarung aus, die es Opel ermöglicht hat, die 4,3-prozentige Lohnerhöhung für die Belegschaften der vier deutschen Standorte auszusetzen. Die Nachzahlung der ausstehenden Gehälter würde den Konzern mindestens 19 Millionen Euro kosten, was er durch neue Vereinbarungen zu vermeiden versucht.

Die an den Verhandlungen beteiligten Betriebsräte bemühen sich, die Befürchtungen der Belegschaft zu zerstreuen. So leugnet der Bochumer Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel regelmäßig, dass er über die Schließung des Werks Bochum verhandle. In einer aktuellen Stellungnahme zu den anhaltenden „Gerüchten über Werksschließungen“ behauptet er: „Es gibt keine Gespräche mit der IG Metall und den Betriebsräten über die Schließung eines Opel-Werkes.“

In Wirklichkeit ist Opel mit der Ankündigung in die Verhandlungen gegangen, nach dem Auslaufen der aktuellen Zafira-Generation kein weiteres Modell in Bochum zu produzieren. Wenn also darüber nicht verhandelt wird, worüber dann?

In der Vergangenheit haben IG Metall und Betriebsräte alle Angriffe gegen die Belegschaft mitgetragen. Im Namen der Standortsicherung haben sie einer Runde von Arbeitsplatzabbau und Lohnsenkungen nach der anderen und schließlich auch der Schließung des belgischen Opel-Werks in Antwerpen zugestimmt.

In Bochum „hat die Belegschaft alle übertariflichen Leistungen bei Lohn, Weihnachtsgeld und Zulagen eingebracht“, um den Erhalt des Werkes zu sichern, wie Einenkel selbst in seinem jüngsten Flugblatt zugibt. Trotzdem wurden seit 2005 fast 70 Prozent der damals 10.000 Arbeitsplätze abgebaut. Die vom Betriebsrat vereinbarten „Standortverträge“ haben diesen Abbau und die Vorbereitung der Schließung des Werks erst ermöglicht.

Nun erklärt Einenkel: „Die Schließung des Opel-Werkes Bochum wäre für GM die teuerste Werksschließung aller Zeiten.“ Doch hohe Kosten haben GM bislang nicht daran gehindert, Arbeitsplätze abzubauen oder Werke zu schließen.

Dass es diesmal um die Schließung des Werks Bochum geht, legt auch ein Auftritt von IGM-Chef Bertold Huber auf dem „Forum Manager“ letzte Woche nahe. In dem von der Süddeutschen Zeitung und dem Fernsehsender Phoenix organisierten Gespräch gab sich Huber zerknirscht. Er sei wegen der Situation bei Opel „rat- und schlaflos“. Er habe „im Moment für Opel keine Lösung“.

Huber leitet die Treffen der IG Metall mit der Geschäftsführung von Opel persönlich und schweigt sich über deren Inhalt aus. Bisher hatte er keine Skrupel, dem Abbau von Arbeitsplätzen und Löhnen zuzustimmen, wenn der Konzern dabei eng mit der Gewerkschaft zusammenarbeitete. Allein das letzte, von der IGM mitgetragene Sanierungskonzept für Opel/Vauxhall aus dem Jahre 2009 hat europaweit mehr als 8.000 Arbeitsplätze gekostet.

Offenbar zieht General Motors diesmal andere Saiten auf und hält an seinen ursprünglichen Schließungsplänen für Bochum fest, ohne der Gewerkschaft die Möglichkeit für gesichtswahrende Manöver zu geben. Das könnte Hubers „Ratlosigkeit“ erklären.

Neben der möglichen Schließung des Werks in Bochum plant Opel eine Arbeitszeitverkürzung ohne vollen Lohnausgleich nach dem Vorbild von Volkswagen, wie die WSWS aus Belegschaftskreisen erfuhr. Auch in Internet-Foren kursieren Berichte von Beschäftigten, laut denen ab April nächsten Jahres eine 4-Tage-Woche eingeführt wird. Statt der bisherigen fünf würden dann nur noch 4,5 Tage bezahlt, plus die bislang versagten 4,3 Prozent Lohnerhöhung.

Eine andere Form der Vier-Tage-Woche wird gegenwärtig im britischen Vauxhall-Werk in Ellesmere Port eingeführt. Dort hatte die Gewerkschaft Unite erst vor fünf Monaten massiven Lohnsenkungen zugestimmt, um die deutschen Standorte im konzerninternen Wettbewerb auszustechen. Nun müssen die 2.000 Arbeiter ihre 38 Stunden in vier Tagen ableisten, wie der Guardian letzte Woche berichtete. Sie müssen an vier Tagen jeweils 9,5 Stunden arbeiten, Pausen nicht eingerechnet.

Die Zeitung zitiert einen Konzernsprecher mit den Worten: „Vauxhall hat in seinem Werk eine neue Vereinbarung abgeschlossen, nach der die 5-Tage-Woche zu einer 4-Tage-Woche komprimiert wird, was erhebliche Kosteneinsparungen zur Folge hat.“

Ein Arbeiter, der nicht namentlich genannt werden wollte, sagte dem Guardian, obwohl keine Stunden oder Löhne gekürzt würden, gebe die Vereinbarung „Anlass zur Sorge“. Zuvor war in Ellesmere Port sowie im zweiten britischen Vauxhall-Werk in Luton schon eine Woche lang Kurzarbeit verordnet worden. Auch in den deutschen Werken gibt es Kurzarbeit, und im Werk Eisenach wird im nächsten Jahr die Nachtschicht gestrichen.

Die IGM-Mitglieder bei Opel sollen in der Zeit vom 5. bis 7. November über den von IGM und Geschäftsleitung ausgearbeiteten Sanierungsplan abstimmen. Dabei wird ihnen das Messer auf die Brust gesetzt. Jüngste Pressemeldungen kündigen bereits weitergehende Pläne von GM an.

Letzte Woche berichtete die Online-Ausgabe der französischen Wirtschaftszeitung La Tribune ohne ihre Quellen preiszugeben, es gebe Geheimverhandlungen zwischen GM und der Führung von PSA Peugeot Citroën über eine Fusion der beiden Autokonzerne. Eine Entscheidung könnte bis Ende des Jahres fallen.

Nach den Angaben von La Tribune wird ein Projektplan diskutiert, Opel und die Autobausparte des PSA-Konzerns in einer neuen Gesellschaft zu bündeln. Der Plan sei dem Aufsichtsrat bislang noch nicht vorgelegt worden.

GM und PSA waren bereits Ende Februar eine Allianz eingegangen, um die Kosten zu drücken. GM kaufte für 320 Millionen Euro sieben Prozent der PSA-Aktien. Die Konzerne bildeten Arbeitsgruppen, um „Synergien“ auszuloten – eine Umschreibung für Arbeitsplatzabbau und Lohnsenkungen. Die Zielvorgabe lautete, zusammen jährlich 1,5 bis zwei Milliarden Dollar einzusparen.

Die Financial Times Deutschland meldete unter Berufung auf „zwei mit der Sache vertraute Personen“, der von La Tribune genannte Plan sei „nur eine Option von vielen, die in den nächsten Wochen zur Entscheidung anstehen“.

Ähnliches berichtete die Nachrichtenagentur Reuters. Unter anderem seien auch ein Verkauf von Opel an Peugeot, der Kauf der Automobilsparte der Franzosen durch GM und der Zusammenschluss aller Sparten in einer neuen Gesellschaft vorgeschlagen worden. Die Beratungen befänden sich aber noch im Anfangsstadium, eine Einigung sei frühestens Ende des Jahres zu erwarten.

Das Opel- und das PSA-Management haben sich zu diesen Nachrichten nicht geäußert. Auf jeden Fall ist klar, dass es sich bei den Sondierungen zwischen GM und PSA nicht nur um die Kooperation beim Einkauf und die Entwicklung von gemeinsamen Plattformen dreht, wie vor acht Monaten erklärt.

Schon im August hatte Spiegel Online berichtet, der neue Opel Zafira solle ab 2017 in Frankreich produziert werden. Das wäre das Aus für das Opel-Werk in Bochum, das bis dahin das aktuelle Modell des Vans baut. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete zur selben Zeit von Plänen, die Mittelklasselimousinen von Opel, Peugeot und Citroën am Opel-Stammsitz in Rüsselsheim zu fertigen.

Sowohl die PSA-Marken Peugeot und Citroën als auch Opel leiden stark unter der Absatzkrise in Europa, hervorgerufen durch die drastischen Sparprogramme der Europäischen Union. Beide Marken sind fast vollständig von den Märkten in Europa abhängig. Opel hat seit Jahresanfang mehr als eine halbe Milliarde Dollar Verlust angehäuft, der PSA-Konzern gar 800 Millionen. Beide haben drastische Einschnitte angekündigt, darunter auch Werksschließungen.

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