Deutschland: Superreiche profitieren von der Krise

Deutschlands Superreiche sind im letzten Jahr noch reicher geworden. Der Wohlstand der 500 reichsten deutschen Familien und Einzelpersonen beläuft sich inzwischen auf mehr als eine halbe Billion Euro. Dies geht aus einer Rangliste hervor, die das Manager Magazin in einer Sonderausgabe vom 9. Oktober 2012 veröffentlicht hat.

Die Liste ergänzt den viel diskutierten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, der festgestellt hatte, dass die reichsten zehn Prozent ihren Anteil am Gesamtvermögen von 45 Prozent im Jahr 1998 auf über 53 Prozent im Jahr 2008 gesteigert haben. Dabei hatte der Regierungsbericht die im Manager Magazin genannten Superreichen gar nicht erfasst. Er stützte sich nämlich u.a. auf die Daten der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) sowie des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP), die Haushalte mit einem Monatseinkommen über 18.000 Euro nicht berücksichtigen, da die statistischen Verzerrungen sonst zu groß wären.

Berücksichtigt man die Vermögen der Superreichen, dann ist die Spaltung der Gesellschaft in Deutschland bedeutend größer als im Armuts- und Reichtumsbericht angegeben, und sie wird umso extremer, je höher man in der Reichenliste steigt. Während das Durchschnittsvermögen (inklusive Immobilien) der obersten zehn Prozent rund eine halbe Million Euro beträgt, liegt es bei den 500 Superreichen bei einer Milliarde Euro und bei den hundert reichsten Familien und Einzelpersonen bei rund 3,2 Milliarden Euro.

Die reichsten Deutschen sind wie in den letzten Jahren die Besitzer der Discounter-Kette Aldi. Der 92-jährige Karl Albrecht verfügt über ein Vermögen von 17,2 Milliarden Euro, die Söhne des 2010 verstorbenen Bruders Theo, Berthold und Theo Albrecht jr., von 16 Milliarden Euro.

Während die Auswirkungen der Finanz- und Euro-Krise Europas Bevölkerung in bittere Armut treiben, hatten sie auf die Vermögenslage der reichsten Deutschen kaum Einfluss. Die hundert Reichsten steigerten ihr Vermögen um gut 4 Prozent auf knapp 320 Milliarden Euro und erreichten damit fast wieder das Niveau vor der Finanzkrise. Auch die Zahl der deutschen Milliardäre hat mit 115 einen neuen Höchstwert erreicht. Im Vorjahr hatte sie noch bei 108 gelegen.

Mit wenigen Ausnahmen im Einzelhandel und im Finanzsektor erzielten die Superreichen wieder kräftige Zuwächse. Hasso Plattner vom Softwarehersteller SAP erhöhte sein Vermögen in den vergangenen zwölf Monaten um 900 Millionen auf knapp 6 Milliarden Euro. Auch die Familie Würth (Würth) und Dietmar Hopp (SAP) verbuchten mit jeweils 800 Millionen Euro eine Zunahme auf 8 beziehungsweise 5,9 Milliarden Euro.

Die Familie Schlecker verlor in Folge der Insolvenz der Schlecker-Drogerien mit 1,92 Milliarden Euro am meisten. Dennoch ist sie mit fast 40 Millionen Euro Vermögen alles andere als arm.

Neben den Aldi-Eigentümern finden sich unter den Top Ten der Superreichen Dieter Schwarz (Lidl, Kaufland, 12 Milliarden Euro Vermögen), die Familie Reimann (u. a. Reckitt Benckiser, Coty, 11 Milliarden Euro), Susanne Klatten (u. a. BMW, Altana, 9 Milliarden Euro), die Familie Otto (Otto Versand, ECE, 8,2 Milliarden Euro), die Familie Würth (Würth, 8 Milliarden Euro), Günter und Daniela Herz (u. a. German Lloyd, 7 Milliarden Euro), die Familie Oetker (u. a. Oetker, Hamburg Süd, 6,9 Milliarden Euro) und Stefan Quandt (BMW, 6,6 Milliarden Euro).

Die Sonderausgabe des zur Spiegel-Gruppe gehörenden Manager Magazins wird offenbar auch von den Betroffenen selbst gern gelesen. Sie enthält Anzeigen und Berichte über Luxus, den sich nur Schwerreiche leisten können. So findet sich darin ein Fahrbericht des neuen Ferrari FF für 270.000 Euro, Tipps für Luxus-Ressorts in Griechenland, Mazedonien und der Türkei, in denen der Preis für eine Übernachtung das Monatsgehalt eines griechischen Lehrers übersteigt (zwischen 800 und 1.150 Euro), ein Bericht über einen erfolgreichen Winzer (die Flasche Bordeaux des 2005er Jahrgangs für 2.000 Euro) und ein Ratgeber-Supplement über „Wealth Management“. Dort wird aufgezeigt, wie man in „turbulenten Zeiten“ sein Vermögen rettet: „Regel 3: Ein bisschen Gold muss sein.“

Unter der wirtschaftlichen Machtelite des Landes befänden sich „tatkräftige Unternehmer und findige Manager“, erklärt das Manager Magazin. Sie seien „treibende Kräfte des Wohlstands für alle“.

Zum Glück gibt das Magazin einige konkrete Einblicke in die Tatkraft und Findigkeit dieser Elite. So etwa über Jörn Kreke, der die Parfümerie-Kette Douglas aufgebaut hat. Der 72-Jährige ist nun Aufsichtsratsvorsitzender und hat das Kurstief seines eigenen Konzerns im vergangen Jahr „genutzt“, um für knapp 6,4 Millionen Euro Aktien zu kaufen. „Nur sechs Wochen nach dem letzten Kauf verhandelten die Douglas-Eigner mit US-Investoren über einen Einstieg“, was den Kurs hochschnellen ließ und Kreke innerhalb von nur eineinhalb Monaten eine Wertsteigerung von 1,3 Millionen Euro bescherte.

Einige müssen gar nicht so „findig“ sein, um unvorstellbare Summen einzustreichen. Die BMW-Erben Johanna Quandt und ihre beiden Kinder Susanne Klatten und Stefan Quandt, die rund 46 Prozent der Stammaktien des Autoproduzenten besitzen, bekamen jüngst eine Bruttodividende von 647 Millionen Euro überwiesen. 2010 war es „nur“ haölb so viel gewesen.

Die Familie Henkel (Kleber, Wasch- und Pflegemittel) konnte ihr Vermögen gar von 9 auf 13 Milliarden Euro steigern. Zu verdanken hatte sie dies dem Konzern-Geschäftsführer Kasper Rorsted. Er sorgte für Rekordgewinne, denn „Preiserhöhungen zahlten die Kunden, Kostensenkungen die eigenen Leute“, wie das Manager Magazin zu berichten weiß. „Sicherheitshalber hat man den Kontrakt mit dem Meistermacher um fünf Jahre verlängert.“

August Baron von Finck, Enkel des Gründers des Bankhauses Merck Finck & Co., hat sein Vermögen im letzten Jahr um 100 Millionen auf 4,6 Milliarden Euro erhöht. Der Baron hält Anteile an der Mövenpick-Hotel- und Restaurant-Kette und residiert in einem Schloss in der Schweiz. Vor drei Jahren hatte er der FDP 1,1 Millionen Euro gespendet, nachdem sie kurz zuvor die Hotelbranche mit der Ermäßigung des Mehrwertsteuersatzes auf Übernachtungen beglückt hatte.

In der Liste befindet sich auch Carsten Maschmeyer (Platz 112, 1,05 Milliarden Euro Vermögen), der die Finanzvertriebsgesellschaft AWD Holding AG aufgebaut hat. Der Freund von Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und Ex-Bundespräsident Christian Wulff (CDU) ist von Journalisten immer wieder mit unsauberen Geschäftspraktiken in Verbindung gebracht worden.

Inzwischen ist er Vorstandsmitglied der MaschmeyerRürup AG, die er im Januar 2010 gemeinsam mit Bert Rürup (SPD) gründete. Professor Rürup war 2002 vom damaligen Kanzler Schröder zum Vorsitzenden der nach ihm benannten Kommission berufen worden, die Reformvorschläge für die Renten- und Krankenversicherung erarbeitete.

Die Rürup-Kommission hatte die langfristige Senkung des Rentenniveaus, die Anhebung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre sowie Modelle der privaten Finanzierung vorgeschlagen. Die meisten dieser Vorschläge sind inzwischen umgesetzt worden. Der von der Rürup-Kommission angestoßene Einstig in die private Rentenfinanzierung ist eine Goldgrube für Konzerne wie AWD, wo Rürup dann 2009 als Chefökonom vor allem für private Rentenversicherungen zuständig war.

Berichte über den Reichtum in Deutschland legen immer wieder Wert darauf, dass es sich bei den Reichen um „erfolgreiche Unternehmer“ handle. Tatsächlich finden sich unter den Superreichen nicht derart viele Finanzmagnaten wie etwa in den USA. Den Branchen „Kapitalanlagen“, „Vermögensverwaltung“ und „Beteiligungen“ ordnet die Liste des Manager Magazins nur jeden Vierten der 100 Reichsten zu.

Doch viele Erben reicher Unternehmer gehen dazu über, ihre Milliarden über Finanzgeschäfte zu vergrößern. Häufig liest man in der Liste „vormals Boehringer“, „vormals Wella, Wertkauf, Hexal usw.“, „Branche heute: Kapitalanlagen, Vermögensverwaltung oder Beteiligungen“. Und die Besitzer von Unternehmen erhöhen ihren Reichtum vor allem aufgrund der Wertsteigerung ihres Aktienbesitzes, wie die Beispiele von Jörn Kreke oder der Familie Quandt zeigen.

Eine Rolle spielte dabei auch der so genannten „Draghi-Effekt“, über den der Allianz-Versicherungskonzern in einer Studie berichtet. Die Ankündigung des Chefs der Europäischen Zentralbank (EZB), alles für die Rettung des Euro zu tun, hat die Aktienkurse weltweit ansteigen lassen. Das Wertpapiervermögen der deutschen Haushalte wuchs binnen weniger Wochen um rund 30 Milliarden Euro, weltweit sogar um 400 bis 600 Milliarden Euro.

Die Krise, an der die Superreichen sich eine goldene Nase verdienen, zahlen die Arbeiter Europas mit Lohnsenkungen, Arbeitslosigkeit, Hunger und wachsender Unterdrückung.

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