Perspektive

Wie weiter im Kampf gegen den Sparkurs in Europa?

Die Arbeiter, die heute in Südeuropa dem Aufruf des Europäischen Gewerkschaftsbundes (ETUC) zu Protesten gegen die Politik der sozialen Austerität folgen, stehen vor drängenden Fragen der politischen Perspektive.

Die bisherigen Streiks und Proteste unter Führung der offiziellen Gewerkschaften, begrenzt in Umfang und Dauer, konnten nicht verhindern, dass es in Westeuropa zu sozialen Verheerungen kommt, wie sie seit der Besatzung durch Nazi-Deutschland nicht mehr existierten. Trotz überwältigendem Widerstand der Bevölkerung und dutzenden von eintägigen landesweiten Streiks in Europa in allen Jahren seit 2008 hat die Europäische Union Sozialkürzungen durchgesetzt, die vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen wären.

In Griechenland und Spanien sind ein Viertel der Arbeiter und über die Hälfte der Jugendlichen arbeitslos. Die Wirtschaft Griechenlands ist seit 2008 um mehr als 25 Prozent geschrumpft. Angesichts sinkender Löhne und steigender Steuern sind viele Menschen in Griechenland auf soziale Einrichtungen angewiesen, um Lebensmittel und gesundheitliche Grundversorgung zu erhalten. Obwohl die EU sieht, dass ihre Politik Griechenlands Schulden nicht zu senken vermag, fordert sie von der Koalition des griechischen Premierministers Antonis Samaras sadistisch ein weiteres Kürzungspaket in Höhe von 13,5 Milliarden Euro.

In Spanien, wo mehr als 400.000 Menschen aus ihren Häusern geworfen wurden, haben die Behörden die Mittel der Bereitschaftspolizei für Ausrüstung um 1.780 Prozent erhöht.

Die Warnung von Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt, Europa stehe am Rande einer Revolution, zeigt, dass sich die politischen Vertreter der herrschenden Klasse über die Gefahren im Klaren sind, denen sie gegenüberstehen.

Hinter diesen Angriffen steht eine historische Krise des Weltkapitalismus, die revolutionäre Folgen hat. Es werden Billionen Euro an die Banken verteilt, um die Reichen zu finanzieren, währenden die Regierungen mit Arbeitgebern und Gewerkschaftsfunktionären zusammenarbeiten, um die Industrien entweder durch Lohnsenkungen global wettbewerbsfähig zu halten oder sie ganz zu schließen.

Das Finanzkapital spielt Arbeiter in einem erbitterten Kampf um Arbeitsplätze gegeneinander aus, um eine Abwärtsspirale der Lebensstandards in Osteuropa und Asien in Gang zu setzen, während in Griechenland Sonderwirtschaftszonen geplant sind, um von extrem niedrigen Löhnen zu profitieren.

Diese Politik kann nur mit einer vereinigten internationalen Offensive der Arbeiterklasse aufgehalten werden, deren Ziel die Eroberung der Staatsmacht, die Enteignung der Banken und die Unterordnung der europäischen und der Weltwirtschaft unter eine rationale Planung im Interesse der Massen sein muss. Die Arbeiter können dafür nicht einfach mit einer weiteren Protestaktion kämpfen: Wie auch früher schon werden die herrschenden Klassen mit der Gewerkschaftsbürokratie gemeinsam versuchen, die eintägige Aktion auszusitzen und dann mit ihrer Offensive gegen die Arbeiter fortfahren.

Die Arbeiterklasse steht vor der Notwendigkeit eines revolutionären Kampfes für den Sozialismus. Das erfordert die Mobilisierung einer Massenbewegung zum Sturz der EU und ihrer Mitgliedsregierungen und für die Schaffung von Arbeiterregierungen innerhalb der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa.

Ein solcher Kampf kann jedoch nicht mit, sondern nur gegen die pro-kapitalistischen Gewerkschaften geführt werden, die in jedem Land die Angriffe vorbereiten und aushandeln.

Die deutsche Gewerkschaftsbürokratie konzentriert ihre Aktivitäten auf eine Protestveranstaltung von „individuellen DGB-Mitgliedern“ am Brandenburger Tor in Berlin, die „ihre Solidaritätsbotschaften an die europäischen Arbeiter“ an Bundeskanzlerin Angela Merkel weitergeben werden. Was den britischen Trade Union Congress angeht – der keinen einzigen Streik gegen die Sparmaßnahmen in Großbritannien in Höhe von 100 Milliarden Pfund organisiert hat –, so plant er, Druck auf die EU auszuüben und „virtuelle Aktionen in sozialen Netzwerken“ zu unternehmen.

Mit dieser zynischen Scharade will der ETUC verbergen, dass er im Grunde die Politik des Finanzkapitals unterstützt. Zu Beginn seines Aufrufes für Proteste am 14. November informiert er die EU, dass auch er „das Ziel ausgeglichener Haushalte“ unterstützt. Dann fordert er die EZB auf, die Rolle des Geldverleihers in höchster Not einzunehmen, damit sie Eurobonds herausgeben kann, sowie einen „neuen Sozialvertrag“ zwischen Arbeitgeberverbänden, der EU, nationalen Regierungen und den Gewerkschaften vermitteln kann.

Der ETUC fordert nicht die Schaffung von Millionen von Arbeitsplätzen und die Bereitstellung von Billionen Euro für Arbeitsbeschaffungsprogramme, sondern das Drucken von Geld, um Bankenrettungen und Verhandlungen der Gewerkschaften über Sozialkürzungen mit der herrschenden Klasse zu führen. Die Politik, die er vertritt, und die Klasseninteressen, die er verteidigt, sind die gleichen wie die des Internationalen Währungsfonds und schwächerer Teile des europäischen Finanzkapitals.

Neue, unabhängige Kampforganisationen der Arbeiterklasse sind nötig, um einen wirkungsvollen Kampf gegen die soziale Konterrevolution der Banken und ihrer Regierungen führen zu können. Die politische Leitlinie dieser neuen Organisationen muss der Kampf sein, die ganze Arbeiterklasse Europas und darüber hinaus in einem gemeinsamen Kampf für den Sozialismus zu vereinen – über alle nationalen, sprachlichen und ethnischen Grenzen hinweg. Das erfordert eine Rebellion gegen die offiziellen Gewerkschaften und einen kompromisslosen Kampf gegen ihre Verbündeten in den kleinbürgerlichen pseudolinken Parteien wie Syriza in Griechenland; die Linkspartei in Deutschland, die Neue anti-kapitalistische Partei In Frankreich, die Socialist Workers Party In Großbritannien und die International Socialist Organisation in den USA.

Diese Kräfte erklären, dass sich die Arbeiter hinter die Gewerkschaften stellen sollen und versuchen die Unterstützung der Gewerkschaftsbürokratie für die Sparpolitik zu verschleiern, weil sie selbst privilegierte und selbstzufriedene Schichten der oberen Mittelklasse repräsentieren, die der Arbeiterklasse feindlich gesonnen sind. Sie unterstützen in Wirklichkeit die Kürzungen in ganz Europa. Der portugiesische Linksblock behauptet zwar, er suche eine Alternative zum Kapitalismus, stimmte aber für das reaktionäre Rettungspaket für Griechenland, als es im portugiesischen Parlament vorgelegt wurde.

Bei den letzten Verhandlungen über Kürzungen in Griechenland beschloss die kleinbürgerlich-„linke“ Partei Syriza bewusst, nicht aus dem Parlament auszuziehen. Das hätte den Sturz der Regierung und den Zusammenbruch der Haushaltsdebatte zur Folge gehabt. Stattdessen erklärte Syriza-Chef Alexis Tsipras in einem Interview in der Zeit: „Die griechische Regierung und auch das griechische Volk“ seien in großem Maße für die Schulden Griechenlands verantwortlich.

Die einzige Partei, die für einen politisch unabhängigen revolutionären Kampf gegen die EU und ihre Mitgliedsregierungen eintritt, ist das Internationale Komitee der Vierten Internationale und seine Sektionen, in Deutschland die Partei für Soziale Gleichheit. Wir rufen Arbeiter dazu auf, die World Socialist Web Site zu lesen, sich mit uns in Verbindung zu setzen und das IKVI zur neuen sozialistischen Führung der europäischen und internationalen Arbeiterklasse aufzubauen.

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