Perspektive

Griechenland im Würgegriff der EU

Die europäischen Finanzminister haben am Dienstag die seit Sommer fällige Auszahlung des nächsten Hilfskredits an Griechenland erneut vertagt. Nun soll am kommenden Montag darüber entschieden werden.

Grund für die Verzögerung sind heftige Differenzen zwischen den europäischen Regierungen sowie mit dem Internationalen Währungsfonds. Vor allem die deutsche Regierung weigert sich strikt, einer Lockerung des Schuldenregimes zuzustimmen, die nach Ansicht von Fachleuten unerlässlich ist, damit das Land je wieder von seinem hohen Schuldenberg herunterkommt. Obwohl Griechenland fünf Sparrunden hinter sich hat, im September einen Überschuss von 775 Millionen Euro (ohne Schuldendienst) erwirtschaftete und für nächstes Jahr ein Plus von 2,2 Milliarden Euro erwartet, steigt die Gesamtverschuldung weiter an, da gigantische Summen an die Gläubiger fließen.

Während sich Finanzminister und IWF über die genaue Ausgestaltung des Schuldenregimes streiten, sind sie sich einig darin, das südeuropäische Land unter das unmittelbare Diktat der EU zu stellen und den letzten Cent aus der griechischen Arbeiterklasse herauszupressen. Sie begnügen sich nicht mehr damit, der griechischen Regierung die Sparvorgaben zu diktieren, sondern setzen – wie einst die Kolonialmächte in ihren Kolonien – auf allen Ebenen von Staat und Verwaltung und selbst in den Privatbanken ihre eigenen Beamten ein.

Griechenland dient dabei als Vorbild für den ganzen Kontinent. Die Umverteilung von unten nach oben ist mit demokratischen Rechten oder auch nur parlamentarischen Formen der Herrschaft unvereinbar.

Der letzte Entwurf der Kreditvereinbarung zwischen der Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) und der griechischen Regierung sieht die faktische Außerkraftsetzung sämtlicher legislativer Befugnisse des Parlaments vor. Bis ins Detail ist darin festgeschrieben, in welchen Fristen welches Gesetz verabschiedet werden muss. Insgesamt werden dem Parlament auf diese Weise 259 Reformvorhaben diktiert, die weitere fatale Sozialkürzungen, die Schleifung von Arbeitsrechten und die Liberalisierung der Märkte zum Inhalt haben.

Sollte sich das Parlament weigern, diese Beschlüsse bis aufs Komma genau umzusetzen, droht die Troika mit der Zurückhaltung weiterer Tranchen der bereits zugesicherten Hilfskredite. Griechenland wäre binnen Wochen bankrott und könnte Löhne, Renten und Sozialleistungen nicht mehr auszahlen.

Die eigentlich autonomen Kommunalverwaltungen sind ebenso wie die einzelnen Ministerien und Staatsbetriebe bereits jeglichen Handlungsspielraums beraubt und einem strikten Kürzungsdiktat unterworfen worden. Seit diesem Jahr gelten feste Sparbudgets, die bei Überschreitung automatisch gekürzt werden. In jedes Ministerium werden Sparkommissare abgestellt, die die Einhaltung der Sparziele beaufsichtigen. Auch in die Banken des Landes ziehen Kommissare, die direkt von der Troika in Absprache mit der Regierung ernannt werden und die Vergabe von Krediten überwachen.

Am Montag hatte ein Regierungssprecher angekündigt, dass Griechenland sämtliche Erlöse aus der Privatisierung der profitträchtigen Staatsbetriebe auf ein Sperrkonto überweisen werde, das ausschließlich zur Tilgung von Schulden und Zinsen verwendet werden darf und unter der direkten Kontrolle der Troika steht. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hat vorgeschlagen, auch die Hilfskredite auf einem solchen Konto zu parken. Der griechische Staat würde auf diese Weise den letzten Rest finanzieller Unabhängigkeit verlieren.

Die Diktatur der EU über alle Ebenen der staatlichen Verwaltung ist eine direkte Reaktion auf die anhaltenden Massenproteste, Streiks und Betriebsbesetzungen, mit denen sich Arbeiter in ganz Griechenland gegen die brutalen sozialen Angriffe zur Wehr setzen und die weite Teile der Verwaltung lahm gelegt haben.

Um neue Kürzungen durchsetzen und die griechische Gesellschaft weiter ausplündern zu können, greift die europäische Finanzelite zunehmend zu autoritären Mitteln. Während sie die staatliche Verwaltung ihrem Diktat unterwirft, werden gleichzeitig die faschistischen Banden von Chrysi Avgi mobilisiert und von der Polizei gefördert, um gegen politische Gegner und Arbeiter vorzugehen.

Dabei geht es nicht um die Senkung der Staatsschulden, die immer weiter in die Höhe klettern, sondern um die Senkung des Lebensstandards der Arbeiterklasse auf das Niveau eines Dritte-Welt-Landes. Soziale Rechte und Sozialsysteme werden zerschlagen, Löhne gekürzt und Hunderttausende entlassen. Viele Arbeiter haben die Kürzungen bereits mit ihrem Leben bezahlt, weil sie sich ärztliche Behandlungen oder Medikamente im kaputt gesparten Gesundheitsbereich nicht mehr leisten konnten.

Dieses Programm will die Finanzelite in ganz Europa durchsetzen. Nach Spanien, Portugal und Italien wird jetzt auch Frankreich ins Fadenkreuz genommen. Am Montag hat die Ratingagentur Moody‘s die Kreditwürdigkeit des Landes herabgestuft und insbesondere die hohen Staatsausgaben sowie „Strukturdefizite“ und den „rigiden Arbeitsmarkt“ bemängelt. In den Wochen zuvor waren von verschiedener Seite bereits Maßnahmen nach griechischem Vorbild gefordert worden, um Frankreichs Wirtschaft „wettbewerbsfähig“ zu machen.

Dass die herrschende Klasse einen solchen barbarischen Feldzug gegen die gesamte europäische Arbeiterklasse führen kann, ist die Verantwortung der Gewerkschaften und der pseudolinken Tendenzen, die sie abdecken.

Die Gewerkschaften arbeiten eng mit den Regierungen und der EU zusammen, um die Kürzungen gegen die Arbeiter durchzusetzen und ihre Kämpfe zu isolieren und ins Leere laufen zu lassen. Sie lehnen es kategorisch ab, Solidarität zu organisieren und die griechischen Arbeiter zu verteidigen.

Organisationen wie die Neue Antikapitalistische Partei (NPA) in Frankreich, die Linkspartei in Deutschland oder die Koalition der Alternativen Linken (SYRIZA) in Griechenland unterstützen die EU-Institutionen und deren Kürzungspläne. Sie setzen alles daran, die Arbeiter politisch zu lähmen und einen Kampf gegen die Finanzelite und ihre Handlanger in der EU zu verhindern.

Der SYRIZA-Vorsitzende Alexis Tsipras hat angekündigt, sich am kommenden Dienstag mit Botschaftern aller 27 EU-Staaten zu treffen, um die Beziehungen zu vertiefen und „Vertrauen zu schaffen“, wie es heißt. Er bereitet sich seit Wochen darauf vor, die kriselnde Regierung des konservativen Premiers Andonis Samaras zu übernehmen und das Diktat der EU selbst gegen die Arbeiter durchzusetzen.

Um ihre Rechte gegen die Diktatur der EU zu verteidigen, müssen Arbeiter mit diesen Organisationen brechen und einen gemeinsamen Kampf gegen die Finanzelite, deren Staat und die EU-Institutionen aufnehmen. Nur eine unabhängige Mobilisierung der Arbeiter kann verhindern, dass die herrschende Klasse den Kontinent erneut in Diktatur und Elend stürzt.

Das erfordert den Aufbau des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) als revolutionärer Partei, die Arbeiter über alle Grenzen hinweg im Kampf für eine sozialistische Gesellschaft vereint, in der die Banken und Konzerne enteignet und unter demokratische Kontrolle gestellt werden.

Der erste Schritt ist die Verteidigung der griechischen Arbeiter durch ihre europäischen Kollegen. Die Angriffe der Troika müssen durch eine gemeinsame Offensive zurückgeschlagen werden, sonst treffen die gleichen Maßnahme alle Arbeiter des Kontinents.

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