EU-Gipfel

Jahre der Krise und des Sparens stehen bevor

Die Staatschefs und Finanzminister Europas waren sich bei ihrem zweitägigen Gipfel von Donnerstag bis Freitag einig, dass die Sparmaßnahmen, die bereits Millionen Europäer in Armut gestürzt und den Banken riesige Profite eingebracht haben, verlängert und verschärft werden müssen.

Ursprünglich sollte es auf dem Dezember-Gipfel darum gehen, die Vorschläge, die die Europäische Kommission im Juni für den Aufbau einer Finanz- und politischen Union in Europa ausgearbeitet hatte, weiter zu konkretisieren.

In den letzten sechs Monaten war es jedoch zu heftigem Gefeilsche zwischen den einzelnen Staaten gekommen, und alles was vom ursprünglichen „Fahrplan für Europa“ übrig ist, ist die Verpflichtung aller Teilnehmer, ihre Pläne für eine soziale Konterrevolution auf dem Kontinent weiter voranzutreiben. Drei Tage vor dem Gipfel erschien in der Financial Times ein Kommentar des Vizepräsidenten der Europäischen Kommission Olli Rehn, die diese Haltung unterstrich. Er trug den Titel „Europa muss auf Sparkurs bleiben.“

Im Vorfeld des Gipfels veröffentlichten der Präsident der Kommission Jose Manuel Barroso und der Präsident des Europäischen Rates Herman Van Rompuy eine Reihe von Vorschlägen, unter anderem für Eurobonds und geringfügige Unterstützung für Industrieprojekte, die darauf abzielen, die größeren europäischen Nationen zu ermutigen, eine größere Rolle bei den Rettungspaketen für notleidende Staaten zu übernehmen.

Der Vorschlag für Eurobonds wurde schon zurückgezogen, bevor die Gespräche überhaupt begannen und Barrosos und Van Rompuys Pläne für einen europäischen „Solidaritätsmechanismus“, der Wachstum fördern soll, wurden bis Ende des Gipfels auf ein Minimum heruntergehandelt.

Van Rompuy erklärte auf einer Pressekonferenz nach dem ersten Tag des Gipfels, er werde bis zum Sommer nächsten Jahres nur einen „Solidaritätsmechanismus“ in einer embryonalen Form vorschlagen. Im gleichen Atemzug erklärte er, dass jeder Geldtransfer aus dem „Mechanismus“ von den Staaten Kürzungen und Strukturreformen erfordern werde.

Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte vor der Presse, dass solche „Solidaritätsmaßnahmen“ nur minimal finanziert werden würden. „Wir reden hier von einem sehr kleinen Budget [...] vielleicht von zehn oder fünfzehn Milliarden Euro.“

Die einzige wichtige Maßnahme, über die man sich auf dem Gipfel einig wurde, war die Überwachung der europäischen Banken. Deutschland konnte in dieser Frage wieder die Bedingungen diktieren.

Eine Woche zuvor konnten sich die Finanzminister der Eurozone keine endgültige Einigung für eine Bankenunion abringen. Der meiste Widerstand kam aus Deutschland, das den Vorschlag ablehnt, der Europäischen Zentralbank zu erlauben, insolvente Banken zu finanzieren. Deutschland lehnt auch die Überwachung seiner zahlreichen regionalen Sparkassen durch die EZB ab, die eine wichtige Rolle bei der Finanzierung der deutschen Industrie in den Bundesländern spielen.

Frankreich und eine Reihe kleinerer europäischer Staaten forderten erweiterte Befugnisse für die EZB. Sie sollte die Augabe haben, alle 6000 Banken des Kontinents zu überwachen.

Deutschland konnte sich auf dem Gipfel in beiden Fragen mit Frankreich einigen und sich durchsetzen. Der Kompromiss, den die europäischen Staatschefs am Donnerstag erzielten, sieht vor, dass die Aufsicht der EZB nur auf etwa 200 der größten Banken ausgeweitet wird, und dass die Aufsicht erst ab frühestens März 2014 beginnen soll. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erklärte vor der Presse, selbst zu diesem späten Zeitpunkt sei eine direkte Finanzierung der europäischen Banken durch die EZB ein „relativ unwahrscheinliches Szenario.“

Die Verschiebung der Aufsicht über die europäischen Banken auf 2014 bedeutet, dass die Europäische Kommission und die EZB noch weitere achtzehn Monate harte Sparmaßnahmen diktieren und Kontrolle über die Wirtschaften der Länder ausüben können, die um Darlehen bitten.

Das ist die wichtigste Entscheidung, auf die sich die Mehrheit der EU-Mitglieder im Rahmen einer europäischen Bankenunion einigen konnten. Gleichzeitig planen Deutschland und Frankreich, die Schrauben des Sparkurses anzuziehen, indem sie einen Vorschlag der Europäischen Kommission unterstützen, dass es mit jedem Mitglied der Eurozone „bilaterale Verträge“ geben soll. Das Ziel dieser Verträge ist es, ihnen Reformen des Arbeitsmarktes und des Steuerrechts zu diktieren, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen.

Die Financial Times schrieb in einem Artikel über Deutschlands Festhalten an solchen Strukturreformen: „Merkel will Einigkeit über die Grundlagen für solche Verträge. Als Vorbilder für weltweite Wettbewerbsfähigkeit dienen ihr Länder wie China, Indien und Brasilien.“

Während für die Banken neue riesige Finanzspritzen vorbereitet werden, werden die Löhne und Lebensbedingungen der europäischen Bevölkerung auf das Niveau der asiatischen Sweatshop-Ökonomien gesenkt.

Wie immer in den letzten fünf Jahren wird Griechenland das Versuchslabor für die soziale Reaktion sein, die in ganz Europa durchgesetzt werden soll. Am Donnerstag einigten sich die Finanzminister der Eurozone endlich darauf, Griechenland einen Kredit auszuzahlen, den es eigentlich im Juni hätte erhalten sollen. Die Bedingung für die Auszahlung war, dass die Regierung in Athen weitere brutale Sparmaßnahmen durchsetzt.

Von den 34 Milliarden Euro wird kein Cent bei der arbeitenden Bevölkerung und ihren Familien ankommen, die nach fünf Jahren Rezession ums Überleben kämpfen. Sechzehn Milliarden von dem Kredit sind vorgemerkt, um die griechischen Banken wieder mit Kapital zu versorgen, sieben Milliarden für die verbliebenen staatlichen Unternehmen, die restlichen elf Milliarden für den Rückkauf von Staatsanleihen.

Europa stehen weitere Jahre der Austerität, des Elends und der Krise bevor. Das war die Botschaft des letzten europäischen Gipfels. Vier Jahre nach Beginn der Finanzkrise im Jahr 2008 ist Europa offiziell in einer Double Dip-Rezession. Großbritannien steckt sogar in einer Triple Dip-Rezession.

Auf dem ganzen Kontinent ist die Arbeitslosigkeit gestiegen und die Schuldenlast vieler führender europäischer Nationen hat sich verdoppelt, während die Banken Milliarden scheffeln. Und das schlimmste wird noch kommen.

Merkel lobte die Sparmaßnahmen des italienischen Premierministers Mario Monti vor der Presse und erklärte, sie hätten „das Vertrauen der internationalen Märkte gegenüber Italien“ gestärkt. Gleichzeitig warnte sie, dass Europa schmerzhafte Jahre bevorstehen.

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