Indisches Establishment betrauert faschistischen Politiker

Als Bal Thackeray, führendes Gründungsmitglied der faschistischen Shiv Sena (SS), vor kurzem im Alter von 86 Jahren starb, richtete ihm das indische Establishment eine wahrhaft ehrenvolle Trauerfeier aus. Dies beleuchtet die Jahrzehnte langen engen Verbindungen, die die indische herrschende Klasse mit den rechten Ideologen des Hindu-Primats unterhält. Es ist gleichzeitig eine Warnung an die arbeitende Bevölkerung: Die Herrschenden Indiens bereiten sich auf Gewalt und Diktatur vor, um die wachsende soziale Unzufriedenheit zu unterdrücken.

Die SS ist eine Partei im westindischen Staat Maharashtra, die den Hindu- und Marathi-Chauvinismus propagiert. Seit zwanzig Jahren ist sie eng mit der Bharatiya Janata Party (BJP) verbündet, die – wie sie selbst – die aggressive kommunalistische Hindutva-Ideologie verficht. Zum Zeitpunkt ihrer Gründung jedoch und auch noch viele Jahre danach genoß die SS die Unterstützung führender Mitglieder der Kongresspartei. Diese nutzte sie speziell in Mumbai für brutale Angriffe auf Arbeiter und linke Organisationen; die Stadt Mumbai, eine Finanz- und Wirtschaftsmetropole, weist eine reiche Geschichte an Arbeiterkämpfen auf.

Die Beileidsbezeugungen des Parlaments, das staatliche Begräbnis im Shivaji Park mitten in Mumbai und viele lobende Worte aus dem Munde indischer Wirtschaftsmanager und Politiker (viele von ihnen Kongresspartei-Führer) zeigten, welche Bedeutung dieser provinzielle Hindu-Chauvinist für die Herrschaft der Bourgeoisie hatte. Am Begräbnis Thackerays wohnten der Ministerpräsident des Staats Maharashtra, Prithviraj Chavan, und eine Reihe von Führungsmitgliedern der Kongresspartei bei, außerdem prominente Politiker der UPA und der BJP, bekannte Schauspieler und Wirtschaftsmagnaten wie der milliardenschwere Anil Ambani.

In seinem Nachruf klagte der indische Präsident Pranab Mukherjee, Thackerays Tod bedeute „einen Verlust für das Volk von Maharashtra und Indien“. Premierminister Manmohan Singh redete Thackerays bösartigen regionalen Chauvinismus schön, indem er über den offenbar so wichtigen Mann sagte: „Die Sache Maharashtras lag ihm am Herzen, und er strebte stets danach, den Landeskindern ein Gefühl für ihre besondere Würde nahezubringen.“

Die vielen tausende Armen, die zu Thackerays Beerdigung in den Shivaji Park strömten, weil sie’s nicht besser wussten, hatten niemals von seinen bösartigen Tiraden profitiert. Nutznießer waren immer nur die Reichen und Privilegierten gewesen. Daher das überschwängliche Lob der indischen Politiker für Thackeray, von denen viele nicht nur an die Dienste erinnerten, die er ihnen erwiesen hatte, sondern auch an ihre eigenen teure Erinnerungen an diesen Demagogen und Verbrecher.

Der Chef der Autofirma Bajaj, Rahul Bajaj, erinnerte daran, wie der SS-Vorsitzende in einem Bajaj-Montagewerk zur Beendigung eines Arbeitskampfes beigetragen hatte, und fügte hinzu: „Das habe ich sehr genossen, und bei den zahlreichen Dinners und Lunches, die ich mit ihm teilte, habe ich eine Menge gelernt.“ Ananda Mahindra, ein weiterer Chef eines Autokonzerns, sagte: „Thackeray wurde geachtet und gefürchtet.“

Um ihre große Ergebenheit deutlich zu machen, ließ die Regierung von Maharashtra (eine Koalition aus Kongresspartei und Nationalistischer Kongresspartei) zwei junge Frauen von der Polizei verhaften, die auf Facebook den bandh kritisiert hatten, die Schließung aller Einrichtungen in Mumbai am Tag von Thackerays Beerdigung. Anschließend griff ein SS-Mob von zweitausend Menschen die Klinik an, die dem Onkel einer der beiden Frauen gehört, und plünderte sie aus.

Shiv Sena bedeutet wörtlich übersetzt Armee des Shivaji, eines Maratha-Kriegers im siebzehnten Jahrhundert. Die ideologischen Wurzeln dieser Partei gehen auf die Bewegung Samyuktha Maharashtra (Vereinigtes Maharashtra) zurück. Das war eine separatistische Bewegung, die für einen Staat Maharashtra auf der Grundlage der Marathi-Sprache und mit Mumbai (dem ehemaligen Bombay) als Hauptstadt eintrat. Im Jahr 1956 wurde das Komitee Samyuktha Maharashtra gegründet, das vorgeblich linke und rechte Kräfte, darunter die fanatischen Kommunalisten des Hindu Mahasabha, in sich vereinigte. Das Ziel bestand darin, im indischen Staat, wie er aus der Teilung von 1947 und der Unterdrückung der demokratischen Revolution hervorgegangen war, die Gebiete zusammenzuschließen, in denen mehrheitlich Marathi gesprochen wird. Thackerays Vater, Prabodhankar Thackeray, war ein Führer dieses Komitees.

Die stalinistische Kommunistische Partei Indiens (KPI), der damals auch die Gründer der heutigen KPI (Marxisten), oder KPM, noch angehörten, spielte eine bedeutende Rolle in dieser Bewegung und förderte und legitimierte dadurch den reaktionären Marathi-Provinzialismus.

Nur drei Monate nach der Gründung des Staates Maharashtra im Mai 1960 war Y.B. Chavan, ein prominentes Führungsmitglied der Kongresspartei, Ehrengast bei der Einweihungsfeier für Bal Thackerays Wochenzeitung Marmik. Auf den Seiten dieser Zeitung warb er für seine extrem rechten Perspektiven und wütete von Anfang an dagegen, dass in Mumbais Wirtschaft angeblich Leute aus Gujarat und Südindien das Sagen hätten.

Thackerays 1966 gegründete Partei SS zielte darauf ab, die Wut der kleinbürgerlichen Schichten über die Zerstörung ihrer Lebensbedingungen in kommunalistische und religiöse Kanäle zu lenken und ihren Hass gegen die muslimische Minderheit, gegen unterdrückte Kasten und die Migranten aus anderen Staaten zu schüren.

Ursprünglich nahm die SS an keinen Wahlen teil. Sie konzentrierte sich stattdessen darauf, ihre Autorität in Mumbai durch die Organisierung benachteiligter Jugendlicher in Banden und Schlägertrupps herzustellen. Mitglieder von Shiv Sena griffen Migranten aus Südindien an, zerstörten Restaurants und andere Geschäfte, die Indern aus dem Süden gehörten, und versuchten, Unternehmer zur Einstellung von Marathis zu zwingen. Außerdem organisierten sie Angriffe auf Mitglieder der Kommunistischen Partei und griffen deren Demonstrationen und Büros an.

Im Mai 1970 zettelte Thackeray muslimfeindliche Aufstände in Mumbai an, bei denen 82 Menschen getötet wurden und großer Sachschaden entstand. Im Mai 1984 forderte eine ähnlich rassistische Kampagne in Bhiwandhi 278 Tote und Tausende Verletzte.

Thackeray war ein unverbrüchlicher Verehrer Adolf Hitlers und ein eingeschworener Gegner der Demokratie. Er setzte den Marathi-Provinzialismus und muslimfeindlichen Chauvinismus ein, um den Mob gegen die Arbeiterklasse aufzuhetzen. Auf dieser Grundlage konnte er sich die Unterstützung der Geschäftswelt und der Kongressführer, welche die Landespolitik dominierten, sichern.

Die SS gründete eine eigene Gewerkschaft, die Kamgar Sena (KS), deren Mitgliedschaft auf Marathi-Sprechende begrenzt war und die sich vehement für deren bevorzugte Einstellung in Unternehmen einsetzte. Die Kongresspartei in der Regierung und die Wirtschaftselite wollten mit Hilfe der KS die stalinistisch geführten Gewerkschaften zerschlagen. Als es zu offenen Auseinandersetzungen zwischen Arbeitern und SS-Schlägern kam, garantierte die Kongresspartei Thackeray und seinen Lakaien Immunität.

Die SS unterstützte Premierministerin Indira Gandhi von der Kongresspartei im Juni 1975, als sie den Notstand ausrief, grundlegende Bürgerrechte unterdrückte und zehntausende Gewerkschafter, Linke und andere politische Gegner verhaften ließ. Bei den Wahlen 1977 und 1980 unterstützte die SS die Kongresspartei.

Im Januar 1982, als über eine Viertelmillion Arbeiter in mehr als fünfzig Textilfabriken für höhere Löhne streikten, widersetzte sich die SS dem Streik öffentlich, sorgte für Streikbrecher und betrieb den Abbruch des Streiks. Schließlich erlitten die Streikenden eine Niederlage, und in den Jahren darauf verloren Zehntausende von Arbeitern ihre Arbeitsplätze.

In den frühen 1990er Jahren, als die Kongresspartei unter Manohar Rao mit Unterstützung der Stalinisten regierte, gab die indische Bourgeoisie ihre Strategie einer staatlich regulierten Wirtschaft zugunsten eines Programms von Privatisierungen, Deregulierung und sozialen Kürzungen auf. Die SS verbündete sich mit anderen hinduistischen Kräften, darunter der BJP, und verstärkte ihre rassistische Kampagne, um die Arbeiterklasse zu spalten. Im Dezember 1992 war ein Ergebnis dieser Kampagne die völlige Zerstörung der Babri Masjid Moschee in Ayodhya. Die provozierte die größte Welle rassistischer Gewalt seit der Teilung Indiens. Die SS organisierte eine Reihe muslimfeindlicher Pogrome in Mumbai und anderen Teilen Maharashtras, die bis zum März 1993 andauerten und 900 Todesopfer forderten.

Im März 1995 bildete die SS die Regierung in Maharashtra. Der SS-Politiker Manohar Joshi wurde Ministerpräsident und Gopinath Munde von der BJP sein Stellvertreter. Von 1998 bis 2004 war die SS Koalitionspartner in der Regierung der Nationaldemokratischen Allianz in Delhi, die von der BJP geführt wurde. Diese Regierung setzte die marktliberalen Reformen fort, die die Rao-Regierung angefangen hatte.

Die stalinistischen Parteien KPI und KPM begünstigten die Entwicklung der SS zur führende Partei in Maharashtra, indem sie die Arbeiterklasse systematisch den Parteien der Bourgeoisie unterordneten. Jahrzehntelang rechtfertigten sie derartige Allianzen, indem sie behaupteten, den „fortschrittlichen“ Teil der nationalen Bourgeoisie gegen Feudalismus und Imperialismus zu unterstützen. Heute rechtfertigen sie die Unterstützung der Kongresspartei und alle Arten von regional und an Kasten orientierten Parteien damit, dass sie die Machtübernahme der hinduistisch-rassistischen BJP und von Shiv Sena verhindern wollen.

Die KPI beteiligte sich an der Regierung Indira Gandhis, als diese 1974 den Eisenbahnstreik zerschlug und den Notstand ausrief. Im gleichen Zeitraum ordnete die KPI die Arbeiterklasse der Janata Partei unter, einer Koalition bürgerlicher Parteien außerhalb der Kongresspartei, in der Jana Sangh, die BJP-Vorläuferorganisation, eine herausragende Rolle spielte.

Beide Parteien weigerten sich systematisch, die Arbeiterklasse gegen die Gewalt von Schlägertrupps von Shiv Sena zu mobilisieren, denn das hätte sie in einen Konflikt mit dem gesamten politischen Establishment, den Gerichten und der Polizei gebracht.

Die Stalinisten hindern die Arbeiterklasse daran, den bürgerlichen Parteien auf nationaler oder regionaler Ebene den Kampf anzusagen und ihre eigene Lösung aus der gescheiterten bürgerlichen Herrschaft zu finden. Damit öffnen sie Tür und Tor für rechte und faschistische Parteien wie die SS, welche die verzweifelte Lage eines Teils des Kleinbürgertums ausbeuten.

Thackerays Karriere zeigt anschaulich, wie die indische Bourgeoisie Kommunalismus und auf Ethnie gestützte Politik benutzt, um die Arbeiterklasse zu unterdrücken. Sie veranschaulicht auch die Rolle der Kongresspartei. Weit davon entfernt, ein säkulares Bollwerk zu sein, macht sie mit der hinduistischen Rechten gemeinsame Sache und leistet ihr Beistand.

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