Schottland:

Radical Independence Conference verspricht, die Arbeiterklasse zu spalten

Die Radical Independence Conference, die Ende November in Glasgow stattfand, war weder radikal, noch ging es dabei um Unabhängigkeit.

Vielmehr war es eine Konferenz von Kleinbürgern, die auf ihren sozialen Aufstieg bedacht waren, dominiert von ex-linken Tendenzen, darunter schottischen Nationalisten, Grünen, Pazifisten und ehemaligen Mitgliedern der Labour Party. Sie veröffentlichten ein Sammelsurium von Vorschlägen, die entfernt „links“ und „grün“ klangen, die aber allesamt die Schaffung eines kapitalistischen schottischen Staates zur Voraussetzung hatten.

Sie sind alle politisch an einen Teil der Finanzoligarchie gebunden, der die Unabhängigkeit als Mittel ansieht, hauptsächlich durch Steuersenkungen internationale Investoren ins Land zu locken, die den Lebensstandard der Arbeiterklasse drastisch senken werden.

Diese prinzipienlose Ansammlung von politischen Gruppen soll Arbeiter und Jugendliche für diese Agenda gewinnen. Die Scottish National Party, die diese Agenda offener vertritt, hat ihre eigenen Ambitionen für linken Reformismus aufgegeben, als sie im dezentralen schottischen Parlament in Holyrood und mehreren Kommunen Sparmaßnahmen durchsetzte. Die Arbeiter und Jugendlichen sind der Scottish National Party gegenüber daher feindselig eingestellt.

Deswegen war der Erste Minister von Schottland und SNP-Chef Alex Salmond einer der ersten, die den Kongress begrüßten. In einem Interview mit dem Radiosender Northsound erklärte er: „Die SNP ist die größte Partei in Schottland und damit die Hauptstütze der Unabhängigkeitsbewegung, aber wir wissen und begrüßen es, dass es bei der Reise in die Unabhängigkeit nicht nur um Parteien geht, sondern auch um die wachsende Unabhängigkeitsbewegung.

„Wir begrüßen es, dass sich Stimmen zur Linken der sozialdemokratischen Position der SNP für die Unabhängigkeit aussprechen, so wie wir auch die Gründung von Labour for Independence begrüßt haben, und wir begrüßen die Unterstützung für die Unabhängigkeit von Seiten des Unternehmertums und der freien Märkte.“

Salmond hat zumindest damit recht, dass sich der Nationalismus, den die Radical Independence Convention propagierte, in einem politischen Spektrum befindet, das sich bis auf die „Perspektiven des Unternehmertums und des freien Marktes“ erstreckt. Diese Perspektiven treiben auch das Projekt der Unabhängigkeit voran, an dem auch seine Partei arbeitet. Sein wirtschaftlicher Plan für Schottland sieht vor, das Land zu einem der fünfzehn wettbewerbsfähigsten Länder der Welt zu machen. Dazu soll, unter anderem, die Körperschaftssteuer von dreißig auf zwanzig Prozent gesenkt werden, damit Unternehmen ihren Sitz nach Schottland verlagern und schottische Unternehmen wettbewerbsfähiger werden; außerdem soll die Steuer für Geschäftsimmobilien auf ein niedrigeres Niveau gesenkt werden als in England; und die Belastungen für Unternehmen sollen vor allem zugunsten von kleinen Unternehmen gesenkt werden.

Um zu verschleiern, dass die Konferenz solche Maßnahmen unterstützt, erklärte der aktuelle Rektor der Universität von Edinburgh Peter McColl in seiner Eröffnungsrede: „Unabhängigkeit bietet die Chance für radikalen Wandel.“ Patrick Harvie von den schottischen Grünen erklärte, die Unabhängigkeit biete „die Möglichkeit zu einem grundlegenden Wandel.“ Alle diese Aussagen sind so aufrichtig wie die vagen Forderungen von Barack Obama und zahllosen anderen kapitalistischen Politikern nach „Wandel,“ „Hoffnung“ und „Fortschritt.“

Ein Redner nach dem anderen zeigte sich begeistert von dem für 2014 geplanten Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands. Alle waren sich einig, dass das große Problem, vor dem die Menschheit steht, nicht der historische Zusammenbruch des Kapitalismus und die Gefahr von Krieg, Massenarmut und Barbarei ist, sondern die Vorherrschaft der neoliberalen Ideologie, die seltsamerweise in London herrscht, aber nicht in Edinburgh. Alle behaupteten, ein neues, kapitalistisches, unabhängiges Schottland würde aus irgendeinem Grunde weniger von dieser Ideologie beeinflusst sein und wäre deshalb ein sozial gerechteres und umweltfreundliches Paradies auf Erden ohne Atomwaffen.

Hinter dieser Anhäufung vager und unehrlicher Versprechen verbirgt sich in Wirklichkeit das gesellschaftliche Interesse einer relativ kleinen Schicht des Kleinbürgertums, das in diversen Gruppen mit klangvollen Namen organisiert ist. Einige davon, wie Solidarity Scotland, sind kaum aktiv, dienen aber stets als Mittel, ihre wichtigsten Führer politisch voranzubringen. Alle sind im Bestreben vereint, persönlich von den zahlreichen Posten in der Landes- und Kommunalregierung, im Kulturbereich und in den Gewerkschaften zu profitieren, die mit der Unabhängigkeit entstehen werden.

George Kerevan, einer der bekannteren Teilnehmer, betonte in einem Artikel über die Bedeutung des Kongresses die Möglichkeit für Posten und Positionen, die sich dabei ergeben können:

„Der RIC war mehr als nur eine geschlossene Versammlung von Linken. Es ist sogar wahrscheinlich, dass eine neue politische Bewegung daraus hervorgeht... Neue Bewegungen sind schwer vorauszusehen und zu lenken, deshalb sind es Bewegungen und keine Parteien. Aber die Entstehung des RIC deutet darauf hin, dass es in Schottland Platz für eine rot-grün-republikanische linke Partei oder Koalition gibt, die sich für Schottlands Unabhängigkeit einsetzt. Eine solche Gruppe könnte bei einer Wahl zehn bis fünfzehn Prozent der Stimmen erhalten.“

Die pseudolinken Kräfte spielen eine wichtige Rolle dabei, eine nationalistische Agenda als progressiv zu verkaufen, wissen aber, dass das gelogen ist.

Neil Davidson von der Socialist Workers Party und Graeme McIver von Solidarity Scotland nahmen an einem Workshop mit dem Titel „Die schottische Republik: Was ist echte Demokratie?“ teil. Davidson gab zu, dass die Unabhängigkeit von Schottland nicht unbedingt radikal ist. Zu den Unterstützern der Unabhängigkeitsbewegung zählen schließlich auch Brian Souter, der millionenschwere Besitzer des Unternehmens Stagecoach, und George Mathewson von Yes Scotland, der offiziellen Kampagne für ein „Ja“ beim Referendum – früher Chef der RBS-Bank und heute Eigentümer eines Hedgefonds.

Tatsächlich werden die Kosten für Dezentralisierung und Unabhängigkeit „weiter unten eingetrieben.“ Er erklärte, es gäbe eine Tendenz dazu, „die Kürzungen so weit wie möglich nach unten zu verlagern.“

Warum soll man die Unabhängigkeit dann unterstützen? Davidson erklärt: „Der Inhalt der Unabhängigkeit muss von uns kommen... Wir müssen auf Antworten außerhalb der bestehenden politischen Strukturen drängen. Die Unabhängigkeit öffnet uns ein Feld, das wir mit sozialistischen Ideen füllen können.“

McIver erklärte, warum Davidson behaupten muss, die Unabhängigkeit mit sozialistischem Inhalt füllen zu wollen: „Die anwesenden Menschen, Linke, Menschen, die Streikposten gestanden haben, teilen unsere Ansicht von einem unabhängigen Schottland nicht“, erklärte er. Viele von diesen Genossen werden auf Demonstrationen und Streiks neben uns marschieren. Aber sie glauben an die Einigkeit der britischen Arbeiterklasse, sie lehnen einige von uns ab, von denen sie glauben, dass sie zu nützlichen Erfüllungsgehilfen der herrschenden Klasse werden, wenn sie für die Unabhängigkeit argumentieren.“

Die ex-linken Gruppen wissen genau, dass Teile der Arbeiter der SNP misstrauen und die Unabhängigkeit ablehnen, weil sie erkennen, dass sie den Kampf zur Verteidigung von Lebensstandard, Gesundheitsversorgung und sozialen Errungenschaften schwächen würde. Die Ex-Linken sehen die „radikale“ Unabhängigkeitsbewegung als Möglichkeit, die Überzeugung zu zerstören, die in der britischen Arbeiterklasse tief verwurzelt ist, dass Einigkeit Stärke bedeutet.

Nach der Konferenz erschien in der Zeitung The Scotsman am 1. Dezember eine Kolumne von Colin Fox, Vorstandsmitglied der Kampagne „Yes Scotland“ und Parteichef der Scottish Socialist Party. Er hätte kaum mehr tun können, um den Vorwurf zu bestätigen, dass die Pseudolinken nützliche Idioten der herrschenden Klasse sind, nicht einmal wenn er das vorgehabt hätte.

Fox schrieb, die SNP sei sich völlig bewusst, dass ein Referendum scheitern würde, wenn es nur von der SNP und Alex Salmond unterstützt würde. „Die politische Landschaft in Schottland ist zu vielseitig, als dass eine Partei alle anderen in einer offenen Abstimmung schlagen könnte“, schrieb er. Glücklicherweise „merken alle Parteien, die an der Unabhängigkeitsbewegung teilnehmen, dass es um mehr geht als um die Summe der Teile. Wir alle sind dazu bereit, den Kreis unserer Unterstützer auszuweiten, um sicherzustellen, dass die Mehrheit der Schotten im Jahr 2014 die Unabhängigkeit unterstützt.“

Loading