Studierendenverband der Linkspartei gibt sich staatstragend

Am Wochenende veranstaltete der SDS als Studierendenverband der Linkspartei den Kongress „Kapitalismus vs. Demokratie“ in Köln. Inmitten der extremen Verschärfung der Klassenkonflikte in Europa und der tiefsten Krise des Kapitalismus markiert diese Veranstaltung einen scharfen Rechtsruck der Linkspartei und ihrer kleinbürgerlichen Satelliten.

Im SDS spielen pseudolinke Gruppen, wie Marx21 und Sozialistische Alternative Voran (SAV), eine wichtige Rolle und machen einen nicht unerheblichen Teil der Mitgliedschaft aus. Bisher sahen sie ihre Aufgabe darin, die rechte Politik der Mutterpartei mit linken Phrasen abzudecken. Doch mit der Verschärfung der sozialen Angriffe auf dem ganzen Kontinent verlieren diese Schichten ihren Spielraum und rücken weiter nach rechts.

Auf dem Kongress suchte man selbst verbale Anleihen an den Sozialismus oder eine tiefer gehende Kritik am Kapitalismus vergeblich. Stattdessen präsentierte man sich zusammen mit beinahe dem gesamten Führungsstab der Linkspartei als staatstragend und regierungsfähig.

Gegenüber der Tageszeitung Junge Welt resümierte die politische Geschäftsführerin des SDS Paula Rauch am Montag den Kongress. Sie betonte, dass sich viele Teilnehmer nicht als Sozialisten verstünden. „Das ist allerdings auch gar nicht schlimm“, sagte sie, „weil es für unsere konkrete politische Praxis nicht sonderlich viel bedeutet.“ Sie halte es nicht für sinnvoll über „abstrakte Utopien“ zu sprechen, sondern wolle klären, welche „konkreten, unmittelbaren Alternativmöglichkeiten“ sie hätten.

Dementsprechend ging es auf dem Kongress vornehmlich darum, eine Politik zu diskutieren, mit der die Angriffe auf die Arbeiter in Deutschland und Europa und die Kriegspolitik im Nahen Osten jenseits der schwarz-gelben Koalition durchgesetzt werden können.

Bereits am ersten Abend legte die Vorsitzende der Linkspartei Katja Kipping die Marschroute des Kongresses fest. Auf dem zentralen Podium vom Freitag verteidigte sie den grünen Schwenk der Linken, mit der sich die Partei auf das „ökologische Milieu“ ausrichten und auf eine Regierungsbeteiligung im Bund vorbereiten will. Nicht nur das Profitstreben, sondern auch der „Druck zu immer mehr Wachstum“ sei das Hauptproblem des Kapitalismus, erklärte sie.

Schon den Grünen diente diese fortschrittsfeindliche Ideologie dazu, Angriffe auf Arbeitsplätze und Löhne zu rechtfertigen. Dies gilt umso mehr in einer Situation, in der sich die Eurozone in eine tiefe Rezession bewegt und etwa in der Autoindustrie der Abbau von Millionen Jobs vorbereitet wird. Die Linkspartei richtet sich mit ihrem grünen Schwenk darauf aus, den Widerstand der Arbeiter dagegen zu unterdrücken.

Das machte auf dem gleichen Podium der Soziologe und Linkspartei-Ideologe Christoph Butterwegge deutlich. Als sich eine junge Frau aus dem Publikum ganz allgemein dafür aussprach, eine „antikapitalistische Perspektive“ einzunehmen, ergriff er das Mikrofon. Auf keinen Fall solle man antikapitalistische Positionen vertreten, sagte er. „Es darf hier nicht darum gehen, wessen Fahne die roteste ist.“ Statt über den Kapitalismus zu sprechen, müsse man die konkrete Forderung nach einem Mindestlohn formulieren. Eine Forderung, die sich auch in den Programmen der SPD und der Grünen wiederfindet.

Am Samstag wurden diese Perspektiven in etwa 50 Einzelveranstaltungen vertieft. Auf der wohl bestbesuchten traf sich der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, mit dem Vorsitzenden der Piratenfraktion im Landtag von NRW, Joachim Paul. Während der Pirat das rechte Programm seiner Partei völlig widerspruchslos vorstellen durfte, nutzte Gysi seine Redezeit, um die Regierungspolitik des rot-roten Senats in Berlin zu verteidigen.

Bisher hatten es Vertreter der Linkspartei meist vermieden, zu der Koalition aus SPD und Linkspartei zu sprechen, die Berlin von 2001 bis 2011 regierte. Denn in dieser Periode hat die Linkspartei einen beispiellosen sozialen Kahlschlag durchgesetzt. Nahezu jeder gesellschaftliche Bereich wurde ausgeschlachtet und kaputt gespart, während die Verluste der Berliner Bankgesellschaft mit öffentlichen Geldern ausgeglichen wurden.

Der rot-rote Senat war aus dem kommunalen Arbeitgeberverband ausgetreten, um die Löhne im öffentlichen Dienst zu senken und zehntausende Arbeitsplätze abzubauen, hatte Wasserwerke, Krankenhäuser und Wohnungen privatisiert, zahlreiche Dozentenstellen und Studienplätze an den Universitäten gestrichen und das Bildungssystem ausgehungert.

In seinem Beitrag bemühte sich Gysi, diese brutale Bilanz schön zu reden und die Partei so auf neue Regierungsbeteiligungen und soziale Angriffe einzustimmen. Unter den mehr als 150 Zuhörern befand sich dann auch kein Einziger, der ihm auch nur ansatzweise widersprochen hätte.

Ganz im Gegenteil wurde die Frage der Regierungsbeteiligung und einer konkreten Regierungspolitik auf zahlreichen Veranstaltungen diskutiert. Insbesondere Vertreter von Marx21 und SAV sprachen sich mehrfach für eine Regierungsbeteiligung der Linkspartei aus. Anstatt diese rundheraus abzulehnen, solle man konkret darüber sprechen, unter welchen Bedingungen die Linke Regierungsverantwortung übernehmen könne, betonten sie.

Angesichts der Verschärfung des Klassenkampfs in ganz Europa rücken diese Tendenzen nach rechts und schließen die Reihen mit der herrschenden Elite. Sie bereiten sich darauf vor, die sozialen Angriffe selbst gegen die Arbeiter durchzusetzen oder die Regierung dabei zu unterstützen. Dabei stört sie jeder auch nur verbale Bezug auf Sozialismus oder auf soziale Fragen. Unlängst hatte Kipping angekündigt, dass die Linkspartei bei den kommenden Wahlen ihren bisherigen Hauptslogan „Hartz 4 muss weg“ nicht mehr plakatieren werde.

Der staatstragende Charakter dieser Tendenzen wurde bei den außenpolitischen Fragen besonders deutlich. Schamlos vertraten sie auf verschiedenen Veranstaltungen den deutschen und amerikanischen Imprialismus. Alex Callinicos, der Führer der britischen Socialist Workers Party (SWP), deren deutsche Schwesterorganisation Marx21 ist, unterstützte auf einer Veranstaltung offen die Wahl des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi.

Auch seine Parteifreundin Christine Buchholz, die für die Linke im Bundestag und dort im Verteidigungsausschuss sitzt, feierte das ägyptische Staatsoberhaupt und erklärte, dass Arbeiter in Ägypten unter dessen Regentschaft ihre sozialen Anliegen offen artikulieren könnten und Mursi daran arbeite, den alten Sicherheitsapparat zu entmachten. Buchholz berichtete sogar stolz, wie sie sich auf einer Reise nach Ägypten mit Vertretern der regierenden Muslimbruderschaft getroffen habe, und pries deren Sozialarbeit als Modell für die europäische Linke.

Tatsächlich ist Mursi nicht nur in außenpolitischer Hinsicht die neue Stütze der Vereinigten Staaten in der Region, sondern unterdrückt Streiks der Arbeiter ebenso wie Demonstrationen der Regimegegner mit brutaler Gewalt.

Der verteidigungspolitische Sprecher der Linksfraktion Wolfgang Gehrcke erklärte zusammen mit Rim Farha, einem Vorstandsmitglied des Demokratischen Syrischen Forums (DSF), die Syrienpolitik der Linkspartei. Er sprach sich zwar allgemein gegen eine ausländische Intervention aus, erklärte aber nachdrücklich, dass er nicht nur zu sämtlichen Oppositionsgruppen Verbindungen halte, sondern diese auch vorbehaltlos unterstütze.

Alle von ihm genannten Gruppen, einschließlich des DSF, unterstützen die Söldnerbanden der Freien Syrischen Armee, mit denen die USA und verbündete Mächte den syrischen Präsident Assad stürzen und ein Marionettenregime errichten wollen. Immer wieder betonte Gehrcke auch seine guten Verbindungen zum Bundesnachrichtendienst (BND).

Auf den wichtigsten Podien bestand Einigkeit darüber, dass es Aufgabe der Linkspartei und ihrer Schwesterorganisationen in ganz Europa sei, die Europäische Union und ihre Institutionen zu verteidigen. Schon am Freitag hatte Kipping betont, dass sie die EU erhalten wolle. Der Berater der griechischen Oppositionspartei Syriza, Theodoros Paraskevopoulos, der mit ihr auf dem Podium saß, fügte hinzu, dass auch der Euro als gemeinsame Währung unbedingt zu bewahren sei.

Syriza spielt derzeitig eine Schlüsselrolle dabei, die griechische Regierung bei der Durchsetzung der brutalen, von der EU verordneten sozialen Angriffe auf die Bevölkerung zu stützen. Zudem bereitet sich die Partei darauf vor, im Falle des Scheiterns der gegenwärtigen Regierung selbst das Ruder in die Hand zu nehmen und den EU-Kurs durchzuführen. Paraskevopoulos rechtfertigte das und betonte, dass unter den gegebenen Bedingungen keine grundlegend andere Politik möglich sei.

Auf keiner der genannten Veranstaltungen gab es Widerspruch oder auch nur kritische Nachfragen aus dem Publikum. Gysis Verteidigung des rot-roten Senats wurde ebenso einhellig unterstützt wie Gehrckes Kriegspolitik oder Kippings Wachstumsfeindschaft. Egal wie unernsthaft, widersprüchlich und reaktionär Beiträge waren, konnten sie sich des Beifalls aus dem Publikum sicher sein.

Die Oberflächlichkeit des Kongresses unterstreicht die Klassenkluft, die sich zwischen diesen kleinbürgerlichen Schichten und der Arbeiterklasse auftut. Die Kongressteilnehmer waren mehr daran interessiert, wie sie selbst am Politgeschäft teilhaben können, als an einer ernsthaften Diskussion über die brennenden politischen Fragen. Den Bedürfnissen und Interessen der Arbeiter stehen sie völlig ablehnend gegenüber.

Paula Rauch brachte die Verachtung dieser Schichten einmal mehr auf den Punkt, als sie im Anschluss an den Bericht eines Syriza-Vertreters auf dem zentralen Podium zynisch erklärte: „Wenn man das so hört, kann man richtig neidisch auf Griechenland werden.“

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