Bundeswehr plant Anschaffung von Kampfdrohnen

Die Bundeswehr plant die Anschaffung und den Einsatz bewaffneter Drohnen. Das hat Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière Anfang des Monats gegenüber den Medien bestätigt.

Bisher setzt die Bundeswehr lediglich in Afghanistan Aufklärungsdrohnen vom Typ „Heron 1“ ein, die sie von Israel geleast hat. Der Leasingvertrag läuft 2014 aus. Spätestens dann wollen die deutschen Streitkräfte unbemannte Flugkörper kaufen, die sowohl aufklären als auch Waffen einsetzen können. Im Gespräch sind amerikanische Drohnen des Typs „Predator B“. Nach 2020 soll dann eine eigene Drohne zum Einsatz kommen, die derzeit in Zusammenarbeit mit Großbritannien und Frankreich entwickelt wird.

Die Planungen der Bundeswehr zum Einsatz von bewaffneten Drohnen sind viel weiter fortgeschritten, als bisher bekannt. Das geht aus einem 280-seitigen Gutachten des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag hervor, das die Frankfurter Rundschau analysiert hat. Das Gutachten lag bereits im vergangenen Jahr vor, hat bisher aber wenig Beachtung gefunden.

In dem Gutachten heißt es: „Die Bundeswehr plant unbemannte Systeme in Zukunft weit stärker als bisher zum Einsatz zu bringen.“ Zunächst gehe es um eine verbesserte Aufklärung durch Drohnen, mittelfristig werde „aber auch die Fähigkeit zum Einsatz von Wirkmitteln angestrebt“.

Was mit dieser etwas verschrobenen Sprache gemeint ist, wird dann unmissverständlich erläutert: „Insbesondere in den Überlegungen der Luftwaffe wird eine kontinuierliche Fähigkeitsausweitung von unbemannten fliegenden Systemen angestrebt, die u.a. Lufttransport, Luftbeladung und Luftkampf einschließt.“ Mögliche Ziele seien „gegnerische Flugplätze mit ihren Einrichtungen und dort stationierten Luftkriegsmitteln“ und „die Bekämpfung von hochpriorisierten und zeitkritischen Zielen am Boden“. Damit ist offenbar die gezielte Tötung ausgesuchter Opfer gemeint.

Vor allem die USA setzen seit längerer Zeit Drohnen ein, um angebliche Terroristen gezielt zu töten. Solche Operationen finden auch in Länder statt, mit denen sich die USA nicht im Kriegszustand befinden oder mit denen sie, wie im Falle Pakistans, sogar verbündet sind. Wie die New York Times kürzlich berichtete, wählt Präsident Obama einen Teil der Opfer persönlich aus, die dann mithilfe von Drohnen ohne Gerichtsurteil hingerichtet werden.

In Afghanistan, Pakistan, Jemen und Somalia sind auf diese Weise Tausende Menschen ums Leben gekommen, die Mehrheit unbeteiligte Zivilisten. Es handelt sich um einen klaren Verstoß gegen das Völkerrecht, um staatlich organisierten Mord, der international und auch in der deutschen Bevölkerung auf Abscheu und Ablehnung stößt.

Wegen dieser weit verbreiteten Ablehnung hat Verteidigungsminister de Maizière beschlossen, die bisher im Stillen vorbereitete Bewaffnung der Bundeswehr mit Drohnen öffentlich zu thematisieren. Er versucht, die Bedenken dagegen zu zerstreuen, indem er sie als rein technische Modernisierung darstellt.

„Ethisch ist eine Waffe stets als neutral zu betrachten“, sagte er. Dieser Aspekt müsse von der Frage getrennt werden, „wer diese Waffe wann und wie einsetzt“. Und weiter: „Flugzeuge dürfen Waffen tragen. Warum also sollen unbemannte Flugsysteme das nicht dürfen?“ Auch Torpedos oder Raketen, die ihr Ziel selbst suchen, seien unbemannte Waffen.

Auch den Schutz der Soldaten, die ihr tödliches Handwerk ohne jedes Risiko aus sicherer Entfernung ausüben können, führt de Maizière als Grund für die Anschaffung von ferngesteuerten Flugkörpern an. „Wenn ich eine unbemannte Drohne in den Einsatz schicke, statt eines bemannten Flugzeugs, dann dient das auch dem Schutz unserer Soldaten.“

De Maizières Pläne werden nicht nur von der Bundesregierung, sondern auch von den Oppositionsparteien SPD und Grüne unterstützt.

„Das ist ein Waffensystem, dem die Zukunft gehört“, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Reiner Arnold, der Frankfurter Rundschau. „Auf längere Sicht wird an der Anschaffung bewaffneter Drohnen kein Weg vorbeigehen.“

Auch der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Omnid Nouripour, signalisierte seine Zustimmung. „Jede Waffe hat Vor- und Nachteile beim Einsatz,“ sagte er. „Es gibt eine sehr, sehr schmale graue Zone, in der gezielte Tötungen erlaubt sein können, wenn für eine größere Gruppe von Menschen unmittelbar Gefahr bevorsteht. Das ist so wie beim Rettungsschuss der Polizei.“

Die einst linksliberale Frankfurter Rundschau bemühte sich ebenfalls, die Vorzüge der neuen Waffe hervorzuheben. Ein Kommentar von Bettina Vestring, der am 3. August unter der Überschrift „Revolution der Kriegsführung“ erschien, bezeichnet zwar die Einwände gegen „die unheimliche Superwaffe im Arsenal der Supermacht USA“ als richtig. Dennoch leisteten die Kritiker „in ihrer Fundamental-Opposition dem Völkerrecht und dem Weltfrieden einen Bärendienst“, denn aufhalten lasse sich die Revolution der Kriegsführung nicht.

Grund für „den Siegeszug der Kriegsautomaten“ sei, „dass sie zu uns passen. Unsere Gesellschaften sind technik-affin, risikoscheu und überaltert“, begründet dies Vestring. In Berufsarmeen sei „die Arbeitszeit von Soldaten zudem viel zu teuer, um sie mit Aufklärungs-, Überwachungs- oder Transportaufgaben zu betrauen, die auch von Maschinen erledigt werden können. Und nichts dämpft die ohnehin geringe Begeisterung der Öffentlichkeit für Militäreinsätze so stark wie der Tod von Soldaten.“

Um die Frage, wo die Bundeswehr die neuen Waffen einsetzen und was sie damit erreichen will, machen Verteidigungsminister, Opposition und Medien einen großen Bogen. Tatsächlich ist die Anschaffung von Drohnen Bestandteil einer systematischen Aufrüstung, damit die Bundeswehr die strategischen und ökonomischen Interessen Deutschlands auch mit Waffengewalt wahrnehmen kann. Der deutsche Imperialismus ist nicht bereit, außen vor zu bleiben, wenn es um die Aufteilung von Rohstoffen und strategischen Einflussbereichen unter den Großmächten geht. Deshalb verlangt er nach den modernen Waffensystemen, über die Staaten wie die USA, Großbritannien oder Italien bereits verfügen.

Unbemannte Flugkörper sollen aber auch im Inneren zum Einsatz kommen. Die europäische Drohne mit dem Namen „Talarion“, die derzeit von Cassidian, einem Tochterunternehmen des europäischen Luftfahrt- und Rüstungskonzerns EADS, entwickelt wird, soll sowohl für militärische wie zivile Zwecke wie die Überwachung der Bevölkerung nutzbar sein.

Spiegel online hatte bereits im Februar über den geplanten Ausbau der Drohnenflotte berichtet. Zu diesem Zeitpunkt verfügten Bundeswehr und Polizei über 331 Drohnen zur Überwachung aus der Luft. Die Polizei setzte sie unter anderem ein, um Proteste gegen Castor-Transporte in Niedersachsen oder Fußballspiele in Sachsen zu überwachen. Die Bundespolizei nutzte ihre Drohnen im Grenzschutz, um den Grenzübertritt von Flüchtlingen zu verhindern.

Ende Januar dieses Jahres wurde das Luftverkehrsgesetz geändert, so dass bemannte und unbemannte Luftfahrtgeräte gleichberechtigt am Luftverkehr teilnehmen können. Im Gesetzestext steht ausdrücklich, dass unbemannte Flieger neben ihren ursprünglichen militärischen Einsatzbereichen „insbesondere bei der polizeilichen Gefahrenabwehr“ in Betracht kommen. Auch auf diesem Gebiet nähern sich die Verhältnisse in Deutschland den amerikanischen an. (Siehe: „Drohnen für die USA“)

Ein weiterer Grund für die Entwicklung und Anschaffung eigener Drohnen ist der Aufbau einer schlagkräftigen und profitablen einheimischen Waffenindustrie. Deutschland ist bereits jetzt der drittgrößte Waffenproduzent der Welt.

So unterstützt SPD-Verteidigungspolitiker Reiner Arnold das milliardenschwere Talarion-Projekt mit der Begründung: „Ich wünsche mir, dass im Zuge der europäischen Sicherheitspolitik auch die gemeinsame europäische Wirtschaft gestärkt wird.“

Auch das bereits zitierte Bundestagsgutachten führt wirtschaftliche Vorteile als Begründung für die Entwicklung und Anschaffung von Drohnen an. Nach seiner Einschätzung geht es dabei auch um die Beherrschung einer Zukunftstechnologie, die auch für zivile Industrien große Bedeutung habe. Das Bundesverteidigungsministerium habe der deutschen Rüstungsindustrie bereits Hilfe für den Export zugesagt.

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