Syriza bekennt sich zu Armee und Nationalismus

Die griechische Koalition der Radikalen Linken (SYRIZA) hat einen Funktionsträger abgesetzt, weil er sich vom antitürkischen Chauvinismus und der Armee distanziert hat.

Die SYRIZA-Fraktion entließ Nassos Theodoridis aus dem parlamentarischen Menschenrechts-Ausschuss und rügte ihn scharf, weil er erklärt hatte, das griechische Militär solle nicht gegen türkische Flugzeuge vorgehen, die den griechischen Luftraum über den beiden Imia-Inseln verletzten. Theodoridis zweifelte die Besitzansprüche Griechenlands an den beiden Inseln an und bezeichnete die nationale Souveränität als eine Erfindung, die dazu diene, „die unterdrückten Massen zu ködern“.

Die beiden Imia-Inseln sind nur einen halben Quadratkilometer groß, unbewohnt und ohne entdeckte Bodenschätze. Dennoch hatte der Konflikt um die Landmassen 1996 fast zu einem Krieg geführt, der schließlich durch die Intervention von NATO-Truppen verhindert wurde.

Obwohl Theodoridis‘ Haltung weit von einem prinzipiellen Standpunkt gegen die Armee und den Chauvinismus der herrschenden Elite entfernt ist, wird sie innerhalb SYRIZAs nicht geduldet.

Nach dem Ausschluss von Theodoridis aus dem Parlamentsausschuss bemühte sich SYRIZA-Sprecher Panos Skourletis um Distanz. Der griechischen Tageszeitung Kathimerini sagt er: „Die persönlichen Ansichten von Nassos Theodoridis sind weit von denen SYRIZAs entfernt. Sie repräsentieren in keiner Weise die offizielle Parteilinie.“ In dem Programmentwurf, der derzeit in der Partei diskutiert wird, bekennt sich SYRIZA zur Verteidigung der „territorialen Integrität“ Griechenlands.

SYRIZA stellt sich damit uneingeschränkt hinter den antitürkischen Chauvinismus, die griechische Armee und die außenpolitischen Interessen der herrschenden Elite. Seit dem Ende des türkisch-griechischen Kriegs im Juli 1923 haben die Grenzkonflikte die beiden Länder immer wieder an den Rand eines Krieges gebracht. Die herrschende Klasse Griechenlands nährt regelmäßig antitürkische Ressentiments, um von sozialen und politischen Konflikten innerhalb des Landes abzulenken.

Seit 2010 im östlichen Mittelmeerraum vermehrt Ölreserven entdeckt wurden, hat sich der Konflikt weiter verschärft. Pläne Athens, durch die Errichtung Ausschließlicher Wirtschaftszonen (AWZs) den Ölreichtum für sich zu beanspruchen, hat die türkische Regierung mit Kriegsdrohungen beantwortet.

Das militärisch schwächere Griechenland hat seine Rüstungsausgaben von 1990 bis 2009 fast kontinuierlich gesteigert. Mit Militärausgaben von etwa drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts belegt das Land in der EU den Spitzenplatz.

Während die Regierung in den letzten drei Jahren Löhne, Renten und Sozialausgaben auf Geheiß der EU auf ein Minimum kürzte, hat sie den Militäretat kaum angetastet. Sie strich zwar einige hundert Millionen Euro bei Neuanschaffungen, ließ aber die horrende Truppenstärke von 130.000 Mann uneingeschränkt bestehen.

Diese Streitmacht richtet sich nicht nur gegen den Nato-Partner Türkei, sondern auch direkt gegen die griechischen Arbeiter. Von 1967 bis 1974 hatte die Armee in Griechenland eine brutale Diktatur ausgeübt, die die Arbeiterklasse unterdrückte und politische Gegner in Konzentrationslager sperrte und folterte.

Auch nach dem Ende der Obristen-Herrschaft blieb die Armee ein Hort der Reaktion. Als im Juli 2010 die Lastwagenfahrer gegen die Sparpolitik der Regierung streikten, wurden Soldaten als Streikbrecher eingesetzt. Seitdem hat die Regierung insgesamt vier Mal das Kriegsrecht gegen streikende Arbeiter verhängt und sie zum zivilen Militärdienst eingezogen.

Seit Beginn der brutalen Sparprogramme 2010 gab es immer wieder Informationen über einen möglichen Militärputsch. 2011 probte die Armee in einem Manöver die Bekämpfung von Aufständen und die Niederschlagung von Demonstrationen.

Führende Vertreter von SYRIZA haben der Armee schon früher ihre Unterstützung bekundet. Der Vorsitzende Alexis Tsipras hatte sich im letztjährigen Wahlkampf mit Vertretern der Armeeführung getroffen und ihnen versichert, seine Partei trete für die Erhöhung der Schlagkraft der Armee und für die Beibehaltung der Truppenstärke von 130.000 Soldaten ein.

Außerdem hatte sich Tsipras für die Bildung einer Ausschließlichen Wirtschaftszone ausgesprochen. Bei einem Treffen mit Botschaftern der G-20-Staaten hatte er erklärt, Griechenland besäße das „unveräußerliches Recht“, eine solche Zone im Ägäischen Meer zu errichten und mit der „Ausbeutung der Unterwasserschätze in dieser Zone“ zu beginnen. Die „territoriale Integrität unseres Vaterlandes“ sei für ihn eine „nicht verhandelbare Priorität“.

Dass SYRIZA nun ein Mitglied zur Rechenschaft zieht, das eine andere Position äußert, ist ein deutliches Signal an die herrschende Elite, dass sie sich auf die Partei verlassen kann, wenn sie Nationalismus schürt und gegen die eigene Bevölkerung vorgeht. Der Schulterschluss mit der Armee kam nur wenige Tage, nachdem die Regierung streikende Seeleute per Kriegsrecht zu Zwangsarbeit verpflichtet hatte, und ist eine direkte Vorbereitung darauf, selbst Regierungsverantwortung zu übernehmen.

Nur vier Tage vor der Entlassung von Theodoridis hatte Tsipras in einem Interview mit der griechischen Tageszeitung Kathimerini erklärt, unter seiner Führung wäre die Regierung besser in der Lage, die Gläubiger des Landes zu befriedigen. „Wir brauchen die Chance, zu Wachstum zurückzukehren, damit wir mit der Rückzahlung unserer Schulden beginnen können. Das galt in der Vergangenheit als vernünftig, als es um die deutschen Schulden ging. Und es ist tatsächlich vernünftig. Aber das erfordert eine Regierung, die entschlossen ist, auf dieser Grundlage zu verhandeln.“

Dass diese Rückkehr zum Wachstum auf dem Rücken der Arbeiter ausgetragen werden soll, wurde am gleichen Tag deutlich, als der SYRIZA-Vorstand einen Antrag aus der Partei mehrheitlich ablehnte. Die Antragsteller hatten gefordert, dass es keine weitere Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der Europäischen Union oder dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble geben solle, die für das brutale Kürzungsdiktat verantwortlich sind.

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