Nach Abwendung des Staatsbankrotts:

Zypern droht Rezession und hohe Arbeitslosigkeit

Tausende Arbeiter und Jugendliche gingen am Dienstag in Zypern auf die Straße, um gegen die Bedingungen zu protestieren, die die europäischen Behörden der Insel verordnet haben. Nur unter diesen Bedingungen erhält das Land einen Zehn-Milliarden-Euro-Kredit, um den Staatsbankrott abzuwenden. Die Mittelmeerinsel befindet sich weiter im finanziellen Belagerungszustand, und seiner Bevölkerung drohen wirtschaftlicher Zusammenbruch und Armut.

Bankangestellte fürchten Massenentlassungen und haben in der Hauptstadt Nikosia vor der Zentralbank demonstriert. Oberschüler und Studenten verließen ihren Unterricht und versammelten sich vor dem Präsidentenpalast. Sie riefen: „Troika Go Home“ und „Die Diebe unseres Geldes gehören ins Gefängnis und müssen zahlen.“

Die zyprische Regierung erreichte am Montag ein Übereinkommen mit der Troika aus Europäischer Union (EU), Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfund (IWF).

Ihrem Diktat entsprechend wird der Finanzsektor des Landes wesentlich verkleinert. Die zweitgrößte Bank des Landes wird abgewickelt, und die Guthaben bis 100.000 Euro werden auf die Bank of Cyprus übertragen. Zusätzlich muss Zypern 5,8 Milliarden Euro durch eine Abgabe auf Bankeinlagen über 100.000 Euro aufbringen.

Ursprünglich hatte die Regierung Zyperns eine Abgabe auf alle Bankguthaben vorgeschlagen. Dadurch sollten reiche Anleger stärker geschützt werden, besonders russische und britische, die durch die niedrigen Steuern im Land angelockt worden waren. Dadurch war der Finanzsektor auf das achtfache der gesamten Volkswirtschaft angeschwollen.

Die Abgabe wäre ein Bruch der Garantie gewesen, dass Einlagen bis 100.000 Euro geschützt seien. Angesichts zorniger Proteste lehnte das Parlament diese Regelung ab.

Am Dienstag bestätigte die Zentralbank Zyperns, dass die neue Vereinbarung, die ohne eine Abstimmung im Parlament durchgesetzt wurde, eine vierzigprozentige Abgabe auf Guthaben der Bank of Cyprus über 100.000 Euro vorsieht. Einlagen von 4,2 Milliarden in der Laiki Bank werden als Totalverlust abgeschrieben. Außerdem werden Kapitalverkehrskontrollen eingeführt, und es wird ein wöchentliches Limit für Barabhebungen und für den Export von Euros verhängt.

In einer Fernsehansprache am Montagabend behauptete Präsident Nicos Anastasiades, dass das Abkommen “den Zusammenbruch und den Bankrott des Landes” abgewendet habe und dem Land ermögliche, zur „Normalität“ zurückzukehren.

“Die Gefahr von Zyperns Bankrott ist definitiv gebannt, und die tragischen Konsequenzen für die Wirtschaft und die Gesellschaft sind abgewendet”, sagte er.

Die Restrukturierungen sind allerdings mit dem Verlust von Tausenden Arbeitsplätzen im Bankensektor, Privatisierungen und einer scharfen Kürzungspolitik verbunden, die sich mit den verheerenden Maßnahmen in Griechenland messen kann.

Robert Peston von der BBC kommentierte: “Die Rettung Zyperns wird sich für seine Bevölkerung nicht wie eine solche anfühlen.” Sie laufe, fuhr er fort, auf „eine Wirtschaft hinaus, die von Kreditknappheit gekennzeichnet sein wird und daher schnell und für ihre Bürger sehr schmerzhaft schrumpfen wird“, und „deren wichtigste Industrie, das Offshore Banking, geschlossen wird“.

Die Ratingagentur Fitch hat Zypern auf “negative Aussicht” gesetzt und erklärt: „Der Schock des systemischen Versagens des zyprischen Bankensystems wird starke negative Auswirkungen auf die Binnenwirtschaft haben, mit erhöhten Risiken für die öffentlichen Finanzen.“

Analysten nehmen an, dass die Wirtschaft des Landes in den nächsten drei Jahren um zwanzig Prozent schrumpfen werde. Die Arbeitslosigkeit, gegenwärtig bei vierzehn Prozent, wird wahrscheinlich auf mehr als 25 Prozent wachsen.

Nicholas Papadopoulos, der Vorsitzende des Finanzausschusses des zyprischen Parlaments, gab offen zu: “Wir gehen auf eine tiefe Rezession und hohe Arbeitslosigkeit zu.”

Die europäische Bourgeoisie, die den ganzen Kontinent in eine Austeritätszone im Interesse des Finanzkapitals verwandelt, plündert jetzt ein weiteres wehrloses Land aus.

Die EU war bereit, große Bankeinlagen zu belasten, weil das den russischen Einfluss auf der Insel zurückdrängt. Europas große Banken sahen darin zudem die Chance, russische Investoren aus Zypern wegzulocken.

Das ist der Grund, warum die Finanzmärkte am Monat zuerst stiegen, als das Abkommen bekannt wurde. Der Trend wendete sich erst, als die Befürchtung um sich griff, dass die Bankabgaben in Europa Schule machen könnten.

Solche Befürchtung schürte der Präsident der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, der darauf hinwies, Zypern könnte zu einem Modell für künftige Banken-Bailouts in anderen europäischen Ländern werden. Als seine Bemerkungen die internationalen Märkte in Unruhe versetzten, versuchte Dijsselbloem, zurückzurudern, und erklärte, Zypern sei ein „Sonderfall mit außergewöhnlichen Herausforderungen“.

Dennoch wurde die Öffnung der zyprischen Banken und Börse um mindestens zwei weitere Tage, auf den 28. März, hinausgeschoben.

Stratfor klagte: „Die EU könnte mit der Beschlagnahmung von Geld auf Bankkonten und seiner Übertragung auf Bailout-Fonds einen neuen und möglicherweise destabilisierenden Präzedenzfall in Europa geschaffen haben. Die Beschlagnahmung von Einlagen und die Einschränkung der Freiheit von Kapitalbewegungen bedeuten, dass Mitgliedsstaaten ermutigt werden, unter bestimmten Umständen das Eigentum von Kontoinhabern zu beschlagnahmen und damit die Stabilisierung von Finanzhäusern zu finanzieren.“

„Wenn russische Einlagen in Nikosia beschlagnahmt werden können, warum dann nicht auch amerikanische Einlagen in Luxemburg?” fragte die Agentur.

Solche Befürchtungen verstärkten sich, als Berichte laut wurden, denen zufolge die spanische Regierung beabsichtige, Investoren bei fünf verstaatlichten Banken mit einer sechzigprozentigen Abgabe zu belasten. Zusätzlich bestätigte ein Sprecher der Europäischen Kommission am Dienstag Pläne der EU, große unversicherte Einleger bei künftigen Bankenrettungen durch ein „Bail-in“ an den Rettungskosten zu beteiligen.

Mehrere russische Financiers und Oligarchen erklärten, der Bailout treffe nicht die reichen Investoren in Zypern, sondern belaste in erster Linie mittelgroße Investoren und die zyprische Bevölkerung. So sagte Alexander Orlow vom Arbat Investment Service in Moskau: „Auf den höchsten Ebenen der Entscheidungsprozesse gibt es keine wirklichen Opfer“ [der Zypern-Abgabe].

Orlow erklärte, zwanzig Milliarden Euro – hauptsächlich russisches Geld – seien schon im Laufe des letzten Jahres aus den zyprischen Banken abgezogen worden, und fügte hinzu: „Ich glaube der 2,5 Milliarden Euro Kredit, den die Regierung vor einiger Zeit gewährt hat, hatte womöglich den Zweck, denen, ’die es nötig hatten’, noch eine Frist zu verschaffen, ihr Geld abzuziehen.“

Auch der russische Oligarch Alexander Lebedew äußerte sich ähnlich. Er sagte, er werde in Zypern höchstens 8.000 Euro verlieren. „Nichts, worüber es sich zu reden lohnt“, sagte er.

Über die Effektivität von Kapitalkontrollen für die Superreichen sagte Lebedew, der den Independent und den Evening Standard besitzt: „Man kann natürlich bestimmte Maßnahmen ergreifen. (…) Auf diese Art und Weise hat Zypern Geld gemacht.“

Zypern sei ein “finanzrechtliches Durchgangsland” auf dem Weg „nach Litauen, Lettland, Belize und in die Schweiz oder sonst wohin“, sagte er und fügte hinzu: „Es gibt viele Möglichkeiten [Kapitalkontrollen aus dem Weg zu gehen]. Man kann z.B. seine Konten aufsplitten.“

Der britische Schatzkanzler George Osborne gab derweil bekannt, er habe veranlasst, dreizehn Millionen Euro auf die Insel zu schaffen, als Notfallfond für die dort stationierten britischen Streitkräfte. Das Schatzamt arbeite außerdem mit den zyprischen Behörden zusammen, um die Kunden britischer Filialen der Laiki Bank davor zu schützen, „in den zyprischen Lösungsprozess hineingezogen zu werden“.

Loading