Berlin: Euro-Gegner gründen Partei

Fünf Monate vor der Bundestagswahl im September gründeten Gegner des Euro am vergangenen Wochenende in Berlin die Alternative für Deutschland (AfD). 1.300 Mitglieder hatten sich zum Gründungsparteitag im großen Saal des Hotels Intercontinental versammelt – überwiegend Männer im fortgeschrittenen Rentenalter. Einige Teilnehmer trugen einen 100-D-Mark-Schein am Revers.

„Raus aus dem Euro“ war die zentrale Parole der Tagung. Bernd Lucke, Wirtschaftsprofessor, Mitbegründer und Sprecher der Partei, referierte über das Parteiprogramm, in dem es heißt: „Wir fordern eine geordnete Auflösung des Euro-Währungsgebietes. Deutschland braucht den Euro nicht. Anderen Ländern schadet der Euro.“

Die AfD fordert die Wiedereinführung nationaler Währungen, „oder die Schaffung kleinerer und stabilerer Währungsverbünde“. Die Wiedereinführung der D-Mark dürfe kein Tabu sein, betonte Lucke. Wie viele andere Gründungsmitglieder war Professor Lucke jahrzehntelang Mitglied der CDU und hat sich erst vor wenigen Jahren gegen die Politik der Kanzlerin und ihres Finanzministers gestellt. 

Als die Auswirkungen der Finanzkrise auf Europa sichtbar wurden, hatte er ein „Plenum der Ökonomen“ ins Leben gerufen, an dem sich mehr als 300 Wirtschaftsprofessoren beteiligten. Vor zwei Jahren sprach sich dieses Plenum mit großer Mehrheit gegen eine Verlängerung des Euro-Rettungsschirms aus. Doch keiner habe damals auf den ökonomischen Sachverstand gehört, klagte Lucke in seiner Parteitagsrede.

Ein Gutteil des Führungspersonals und der Mitglieder AfD entstammt dem rechts-konservativen Flügel der Unionsparteien. So etwa Alexander Gauland. Der 72-Jährige war Ende der achtziger Jahre Staatssekretär in der hessischen Staatskanzlei unter Ministerpräsident Walter Wallmann, der eine rechte Seilschaft in der Hessen-CDU anführte.

Heute macht Gauland mit Artikeln gegen den „Deutschen Pazifismus“ auf sich aufmerksam. Im Sommer vergangenen Jahres lamentierte er im Berliner Tagesspiegel über das „gestörte Verhältnis der Deutschen zur militärischen Gewalt“. Obwohl schon Clausewitz betont habe, dass Krieg ein Mittel der Politik sei, sähen die Deutschen in jedem Krieg nur das „schlechthin Böse und Falsche“. Das führe zu einer „mangelnden Wertschätzung der Bundeswehr“ und müsse überwunden werden.

Neben Vertretern des rechten CDU-Flügels gehören Wirtschaftsmanager wie der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Thyssen AG, Dieter Spethmann, und Hans-Olaf Henkel, der ehemalige Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), zu den Unterstützern der neuen Rechtspartei. Allerdings wird Henkels Kampagne gegen den Euro von der gegenwärtigen Führung des BDI entschieden abgelehnt, weil sie vom Ende der Währungsunion und einer Rückkehr zur D-Mark großen Schaden für die deutsche Exportindustrie erwartet.

Die Alt-Herren-Versammlung im Berliner Interconti hatte etwas Gespenstisches. Sie glich einem Aufbruch in die Vergangenheit und weckte Erinnerungen an die Deutschnationale Volkspartei (DNVP), die in der letzten Weltwirtschaftskrise in den späten 1920er Jahren vom damaligen Medienmogul Alfred Hugenberg für seine völkische Propaganda genutzt wurde.

In vielen Redebeiträgen wurde der Euro scharf gegeißelt. Die Gemeinschaftswährung wurde für alle gesellschaftlichen Übel verantwortlich gemacht, die europäische Finanzkrise, die wachsende gesellschaftliche Instabilität, die Dominanz einer unüberschaubaren und unkontrollierbaren Brüsseler Bürokratie, den Verlust von Selbstbestimmung und die damit verbundene Zukunftsangst, und vieles mehr. 

Während die AfD den Euro kritisiert unterstüzt sie die massive Kürzungspolitik, die mit der gemeinsamen europäischen Währung verbunden ist. In ihrem Programm fordert sie die Durchsetzung der Schuldenbremse und „mehr Wettbewerb“ in Europa. Ihr Ziel ist die Verschärfung der Austeritätspolitik in Deutschland und ganz Europa, lediglich unter anderen währungspolitischen Vorzeichen. 

Der Ruf nach der D-Mark stand dabei auch im Zusammenhang mit der Sehnsucht nach vergangenen, stabilen und überschaubaren Verhältnissen.

Man fühlte sich an Diederich Heßling, den Protagonisten in Heinrich Manns Roman „Der Untertan“, erinnert, der sich angesichts des Aufbrechens der wilhelminischen Gesellschaft am Vorabend des Ersten Weltkriegs völlig verunsichert an Monarchie und Kaiser klammerte.

Der operettenhafte Charakter des Parteitags hat viele Kommentatoren dazu verleitet, die neue Partei als Eintagsfliege zu betrachten, die genauso schnell wieder von der politischen Bühne verschwinden werde, wie frühere vergleichbare Initiativen. Vor allem die Bundesregierung ist bemüht, die AfD klein zu reden, denn jeder Prozentpunkt, den sie bei der kommenden Wahl gewinnt, schmälert die Chancen der gegenwärtigen Regierungskoalition.  

Doch ein schnelles Ende der AfD ist bei weitem nicht ausgemacht, und die neue Partei sollte auf keinen Fall unterschätzt werden. Denn ihre Gründung steht in direktem Zusammenhang mit der wachsenden Opposition gegen die Europäische Union, die im Namen der Euro-Rettung massive Sozialkürzungen durchsetzt und in vielen Ländern eine regelrechte soziale Katastrophe organisiert. 

Die Alternative für Deutschland ist ein Versuch, den wachsenden Widerstand gegen diese unsoziale Politik in rechte nationalistische Bahnen zu lenken. Zwar mobilisieren die rechten Euro-Kritiker seit langem für eine Parteigründung, und einige ihrer Funktionäre haben in der Vergangenheit versucht, die offenen Wahllisten der Freien Wähler dafür zu nutzen. Dennoch ist es kein Zufall, dass der Gründungsparteitag der AfD nur wenige Wochen nach dem brutalen Zypern-Bailout stattfindet.

Die Aggressivität, mit der die Troika aus Europäischer Union, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds unterstützt vom Kanzleramt das Finanzsystem Zyperns und die wirtschaftlichen Lebensgrundlagen auf der kleinen Mittelmeerinsel zerstörte, hat viele Menschen überrascht und schockiert. Erstmals wurden Bankguthaben von über 100.000 Euro um bis zu 60 Prozent beschlagnahmt, um den EZB-Kredit zu bezahlen. Das hat die Verunsicherung verstärkt, die tief in bisher wohlhabende Schichten des Kleinbürgertums reicht. 

Diese Verunsicherung kann von einer rechten Partei genutzt werden, weil die SPD, die Linkspartei und viele pseudolinke Gruppierungen die reaktionäre Politik, welche die EU im Namen der Euro-Rettung verfolgt, unterstützen.

In diesem Zusammenhang ist es bedeutsam, dass zu den auf der Website der AfD aufgeführten „Hauptunterstützern“ neben rechten CDU-Politikern, Wirtschafts-Professoren und Bundeswehr-Offizieren auch der Verdi-Funktionär Christian Hanika und der ehemalige Landesschatzmeister der Grünen in Mecklenburg-Vorpommern, Klaus-Peter Last, genannt werden.

Außerdem erinnerten die Lobreden auf die Blütezeit der D-Mark in der Adenauer-Ära auf dem Parteitag an die Glorifizierung von Ludwig Erhard durch Sahra Wagenknecht, die wirtschaftspolitische Sprecherin der Linksparteifraktion im Bundestag.

Die Partei für Soziale Gleichheit überlässt als einzige Partei in Deutschland den Kampf gegen den Euro und die Europäische Union, das wichtigste Instrument für die Unterwerfung Europas unter das Diktat der Finanzmärkte, nicht den Rechten. Die Antwort der PSG ist nicht die Rückkehr zum Nationalstaat, sondern die Mobilisierung der gesamten europäischen Arbeiterklasse zum Sturz der kapitalistischen Regierungen und zum Aufbau Vereinigter Sozialistischer Staaten von Europa.

Loading