Perspektive

Japans Geldschwemme verschärft Währungskrieg

Vergangene Woche entschied die japanische Zentralbank, ihre Geldreserven in den kommenden zwei Jahren durch umfangreiche Ankäufe von langfristigen Staatsanleihen zu verdoppeln. Diese Maßnahme wird sowohl zu einer weiteren Verschärfung der Weltwirtschaftskrise, als auch zu heftigen Angriffen auf die japanische Arbeiterklasse führen.

Nicht nur, dass sich Japan dem Programm der „quantitativen Lockerung“, das von anderen großen Zentralbanken durchgeführt wird, angeschlossen hat. Es führt diese Maßnahme auch doppelt so schnell aus wie die US-Zentralbank Federal Reserve.

Wie tief die Krise der Weltwirtschaft inzwischen geworden ist, zeigt sich darin, dass jetzt Maßnahmen wie die ungebremste Geldversorgung der Banken, die vor wenigen Jahren noch als zu riskant abgetan worden wäre, zum neuen Standard geworden sind.

Während die japanische Zentralbank darauf pocht, dass ihr Handeln einzig und allein der Ankurbelung der heimischen Wirtschaft dient, wird die gewaltige Geldspritze weitreichende globale Folgen haben. Sie wird den Wert der japanischen Währung senken und japanische Konzerne im Kampf um globale Märkte stärken.

Große Handelsnationen, einschließlich China, Südkorea, Brasilien und Australien, wie auch Länder in Südostasien, deren Währungen durch die Entscheidung verteuert werden, geraten direkt ins Fadenkreuz.

Ökonomen in China, die die Zentralbank des Landes beraten, sollen angesichts der Entscheidung „vor Wut schäumen“. Sie prangern die Maßnahme der japanischen Zentralbank als den Beginn eines Währungskrieges an und haben die Chinesische Volksbank aufgefordert, etwas zu unternehmen, um den Wert des Yuan zu senken.

Der Ökonom Liu Ligang von der ANZ-Bank beschrieb die Entscheidung der japanischen Zentralbank als „monetäre Erpressung“. Professor Li Daokui von der Tsinghua-Universität, ein ehemaliger Berater der Chinesischen Volksbank, warnte, die Maßnahme könne für andere Wirtschaften in der Region „den Untergang einläuten“.

Zu den am härtesten getroffenen Ländern zählt Südkorea, wo Exporte fast sechzig Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmachen. Japan und Südkorea treten in sieben ihrer zehn größten Produktgruppen als direkte Konkurrenten an.

Neben der Abwertung des Yen wird eine weitere Folge der Entscheidung der japanischen Zentralbank in der Ausweitung des sogenannten „Yen Carry Trade“ bestehen. Dieser betrifft Finanzhäuser, die sich in Japan zu niedrigeren Zinsen Geld leihen und es in Ländern investieren, wo die Zinsen höher sind. Dies erhöht den Wert der Währungen jener Länder, was zu ernsten Auswirkungen auf ihre Exporte und ihre heimischen Märkte führt.

Brasilien und Australien werden höchstwahrscheinlich betroffen sein. Brasilien hat bereits Kapitalverkehrskontrollen erlassen, um den Zufluss solch „heißen Geldes“ einzudämmen. In Australien hat der Zufluss von Finanzkapital, das nach höheren Erträgen sucht, bereits zu neuen Rekordständen des australischen Dollars geführt, mit verheerenden Folgen für die Schlüsselindustrien, insbesondere das produzierende Gewerbe.

Jac Nasser, von 1998 bis 2001 Chef der Autofirma Ford, warnte diese Woche nach der Entlassung von 500 Beschäftigten bei General Motors, dass der hohe australische Dollar in Verbindung mit dem zunehmenden internationalen Wettbewerb bedeute, dass die Autoindustrie in Australien keine Zukunft habe. Die Folgen für andere Produktionsbereiche sind ebenso schwerwiegend.

Wie immer in solchen Fällen wird die ökonomische Kriegsführung an der internationalen Front von zunehmenden Angriffen auf die Arbeiterklasse im eigenen Land begleitet. In Japan mehren sich aus Geschäfts- und Finanzkreisen die Forderungen nach Maßnahmen zur Verringerung der Staatsschulden, die derzeit bei 240 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen und nach einer „Neuausrichtung“ der Wirtschaft des Landes.

Die Regierung von Premierminister Shinzo Abe hat bereits Maßnahmen zur Verringerung von Sozialleistungen um etwa 6,5 Prozent erlassen, die im August in Kraft treten und sich über drei Jahre erstrecken sollen. Die neuen Maßnahmen werden auch andere Bereiche öffentlicher Ausgaben betreffen, wie zum Beispiel Subventionen für Bildungsausgaben, die an den Standard von Sozialleistungen gekoppelt sind.

Die Regierung rechtfertigt die Kürzungen damit, dass Sozialleistungen parallel zur Deflation japanischer Preise gesenkt werden sollen. Aber das ausdrückliche Ziel der japanischen Zentralbank ist es, die Inflation anzuheizen, so dass genau dann Sozialleistungen reduziert werden, wenn die Preise zu steigen beginnen. Darüber hinaus wird die Schwächung des Yen die Preise für alle Importe nach Japan und damit die Lebenshaltungskosten in die Höhe treiben.

Auch in der Zusammensetzung der arbeitenden Bevölkerung gibt es weitreichende Veränderungen. Die Tage der sogenannten lebenslangen Beschäftigung in Japan sind längst vorbei. Etwa 14,1 Mio. Arbeiter, mehr als 25 Prozent aller Beschäftigten, arbeiten jetzt auf der Grundlage befristeter Verträge. In einigen Firmen erhalten neueingestellte Beschäftigte Sechs-Monats-Verträge und haben keine Aussicht auf Vertragsverlängerung.

Im vergangenen Jahr wurde ein Gesetz erlassen, das zur Verdoppelung der Mehrwertsteuer auf zehn Prozent ab 2015 führen wird. Weitere Steuererhöhungen oder die Einführung neuer Abgaben könnten folgen. Angeblich wurde die Mehrwertsteuer erhöht, um das Sozialsystem zu finanzieren. Das Gesetz wurde schon von der Regierung der Demokratischen Partei vor ihrer Niederlage bei den Wahlen im vergangenen Dezember durchgesetzt. Aber um dieses Ziel zu erreichen, so wurde berechnet, wäre eine Erhöhung auf dreißig Prozent erforderlich.

Vergangenen Monat kündigte Premierminister Abe an, dass Japan an den von den USA gesponserten „Trans-Pacific-Partnership“-Verhandlungen teilnehmen werde. In einem von dem rechten amerikanischen Think Tank „Brookings Institution“ veröffentlichten Bericht heißt es, dass Japans Teilnahme den „Einstieg in die Deregulierung und die Wettbewerbsfähigkeit bedeute, die Japans Wirtschaft so dringen braucht“ und dass sie den wichtigsten Bestandteil von Premierminister Abes Wirtschaftsstrategie zu verwirklichen helfen wird – die Strukturreformen“.

Wie in allen Ländern sind dies Codewörter für den Beginn von gewaltigen Angriffen auf Arbeitsplätze, Löhne, Arbeitsbedingungen und Sozialleistungen. Diese werden sich nach den Wahlen für das japanische Oberhaus im Juli verschärfen.

Die wirtschaftliche und politische Agenda von Schlüsselsektionen der japanischen herrschenden Klasse wurde in einem Interview mit dem ehemaligen Tokioter Gouverneur Shintaro Ishihara, dem Chef der Japanischen Restaurationspartei, deutlich, das am 4. April von der Zeitung Ashahi Shimbun veröffentlicht wurde.

Ishihara sagte, die Eckpfeiler des Landes müssten verändert werden, da das gegenwärtige System „hoher Sozialstandards bei niedriger Besteuerung nicht länger funktioniert.“

Die Verbindung zwischen der Agenda im Inland und dem Aufkommen von Nationalismus und Militarismus wurde dadurch unterstrichen, dass Ishihara vorschlug, die sogenannte „Pazifismus-Klausel“ aus der Verfassung zu streichen.

„Japan sollte zu einer starken militärischen Macht werden“, sagte er, „denn die Stimme einer Nation kann durch Militärmacht und Wirtschaft unterlegt werden. Eine Verteidigungsindustrie kann am besten dazu beitragen, die Wirtschaft des Landes wiederzubeleben. Eine mögliche Atombewaffnung zu diskutieren, ist für Japans Zukunft eine Option.“

Zwar handelt es sich bei Ishihara um einen ausgesprochenen Rechten, doch er verleiht einer breiteren Schicht des japanischen politischen Establishments eine Stimme, einschließlich der Regierung. Wie seine Kommentare deutlich machen, ist die japanische Politik der „quantitativen Lockerung“ Teil einer weitergehenden Strategie eines aggressiven Wirtschaftsnationalismus, der zu Auseinandersetzungen und Krieg führt.

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